Unter Antischall (auch Gegenschall, aktive Geräuschunterdrückung oder aktive Lärmunterdrückung, englisch Active Noise Reduction [ANR] oder Active Noise Cancellation [ANC]) versteht man umgangssprachlich Schall, der künstlich erzeugt wird, um mittels destruktiver Interferenz Schall auszulöschen. Dazu wird ein Gegensignal erzeugt, das dem des störenden Schalls entspricht, aber entgegengesetzte Polarität hat.
Es sind zwei unterschiedliche Problemstellungen zu unterscheiden:
Bei Kopfhörern mit aktiver Geräuschunterdrückung wird mit einem eingebauten Mikrofon das Umgebungsgeräusch gemessen und hieraus mit Hilfe der akustischen Übertragungsfunktion des Kopfhörers der Anteil berechnet, der am Ohr noch verbleiben würde. Für diesen Teil wird dann zur Kompensation ein gegenpoliges Signal im Kopfhörer erzeugt.[1] Am Trommelfell treffen der Schall von außen und das Signal aus dem Hörer als Schall zusammen. Der Schalldruckpegel wird deutlich verringert. Zusätzlich kann auch ein Nutzschall (Sprache, Musik) über den Kopfhörer wiedergegeben werden.
Auch Kopfhörer mit aktiven Geräuschreduzierungssystemen können Störgeräusche nicht komplett eliminieren. Zum einen besitzt jeder Mensch eine andere innere und äußere Ohrform, so dass nur eine genaue Anpassung im Labor eine komplette Neutralisation erlauben würde. Zum anderen überträgt auch der Schädelknochen Schall zum Trommelfell („Körperschall“); dieser Anteil kann mit Gegenschall nicht beeinflusst werden.
Gegenschall ist besonders zur Dämpfung tiefer Frequenzen geeignet, bei denen Wellenlängen groß im Vergleich zu den Abmessungen des Kopfhörers sind. Nur hier weist der Schall über die gesamte Fläche des Kopfhörers eine ähnliche Phase auf, so dass er durch ein gegenphasiges Signal vollständig gedämpft werden kann. Bei hohen Frequenzen zeigt dieses Verfahren wenig Wirkung, da dann unterschiedliche Phasenlagen auf der Kopfhöreroberfläche auftreten und diese auch noch abhängig von der Einfallsrichtung des Schalls werden. Im Extremfall kann es bei hohen Frequenzen auch zu punktweiser Verstärkung des Schalls kommen. Da ein dicht sitzender geschlossener Bügelkopfhörer nur hohe Frequenzen gut dämpft, kann Gegenschall eingesetzt werden, um die mangelnde Dämpfung eines Kopfhörers bei tiefen Frequenzen zu verbessern.
Mittlerweile gibt es auch immer mehr Ohrstöpsel-Kopfhörer, die Antischall nutzen, auch wenn diese eine schlechtere Lärmreduzierung aufweisen.
Anlass zur Entwicklung solcher Kopfhörer war der Bedarf nach Lärmschutz für Piloten. ANR-Headsets können in der Luftfahrt – etwa für Hubschrauberpiloten – eingesetzt werden, um eine möglichst ermüdungsfreie Umgebung zu gewährleisten. Das Rotorgeräusch enthält extrem starke tieffrequente Anteile, die über einen Kopfhörer nur wenig gedämpft werden. Auf Grund des Maskierungseffekts werden hierdurch auch höherfrequente Signale, die zur Sprachkommunikation erforderlich sind, verdeckt, so dass die Lautstärke der Kopfhörer sehr stark angehoben werden muss, um die Flugsicherung überhaupt noch verstehen zu können. Werden nun über dieses Verfahren die tieffrequenten Rotorgeräusche gedämpft, kann die Kommunikationslautstärke der Kopfhörer wesentlich gesenkt werden.
ANR-Kopfhörer benötigen im Gegensatz zu passiven Kopfhörern eine eigene Spannungsversorgung zum Betrieb des Mikrofons, der Signalverarbeitung und des eigentlichen Kopfhörers. Da damit wesentliche Komponenten eines Schnurloskopfhörer ohnehin vorhanden sein müssen, sind ANC-Kopfhörer meistens Schnurloskopfhörer.
In der Beschallungstechnik wird aktive Schallunterdrückung z. B. bei Großveranstaltungen verwendet, da die für derartige Veranstaltungen ausgelegten Subwoofer bei entsprechend tiefen Tönen sehr starke Vibrationen verursachen. In diesem Anwendungsfall wird ein Lautsprecher in die entgegengesetzte Richtung der anderen Lautsprecher (meistens Bühne) ausgerichtet, der dann prozessorgesteuert ein Antischall-Signal erzeugt, um somit die Schallbelastung in einem bestimmten Bereich zu vermindern.
1992 wurde beim Nissan Bluebird ein erstes Serienfahrzeug mit aktiver Lärmunterdrückung vorgestellt. Etwa zwanzig Jahre später zog die Technik bei vielen Herstellern in den Oberklassemodellen ein, z. B. bei Audi, Honda, Buick, Cadillac, Chevrolet, Infiniti, Jaguar, Land Rover.[2] Bekannte Zulieferer sind Harman/Kardon (Samsung) mit HALOsonic und Silentium aus Israel.
Neue mit Antischall arbeitende Schalldämpfer sind technisch in der Lage, den Schall von Autos gegenüber klassischen Schalldämpfern um bis zu 20 dB(A)[3] zu senken. Eine Lärmreduzierung um 20 dB(A) empfindet der Mensch als eine Reduzierung des Lärms auf ein Viertel.[3]
Die elektronischen Gegenschalldämpfer sind kleiner und leichter als klassische Schalldämpfer. Der reduzierte Abgasgegendruck steigert die Leistung oder reduziert den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß.[4] Bei aktuellen Fahrzeugen wird der Abgasgegendruck jedoch maßgeblich durch Abgasreinigungssysteme wie Partikelfilter und nicht mehr durch den Schalldämpfer verursacht.
Das Antischall-Prinzip wird in Verbindung mit herkömmlichen Schalldämpfern in Kanälen und Rohrleitungen zur Dämpfung tiefer Frequenzen bei kleinem Bauraum eingesetzt. Herkömmliche (passive) Schalldämpfer benötigen große Volumina, um auch bei tiefen Frequenzen noch wirksam zu sein.
An weiteren Anwendungen wird oder wurde geforscht, so z. B.
Bei fast allen Anwendungen kann eine ähnliche Wirkung mit geringeren Kosten und ohne weitere Energiezufuhr auf anderem Weg erreicht werden. Deshalb ist die Anwendung in der Regel auf spezielle Einsatzfälle beschränkt.
Ein ähnliches Verfahren wird bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung Baltic Cable verwendet, um hochfrequente Störsignale, die beim Stromrichterbetrieb entstehen, zu unterdrücken.