Dirac-Matrizen

Dirac-Matrizen

(Weitergeleitet von Feynman-Dagger)

Die Dirac-Matrizen (nach dem britischen Physiker Paul Dirac), auch Gamma-Matrizen genannt, sind vier Matrizen, die der Dirac-Algebra genügen. Sie treten in der Dirac-Gleichung auf.

Definition

Die Dirac-Matrizen γ0,γ1,γ2 und γ3 erfüllen definitionsgemäß die Dirac-Algebra, das heißt, die algebraischen Bedingungen

γ0γ0=I,γ1γ1=I,γ2γ2=I,γ3γ3=I,γ0γ1=γ1γ0,γ0γ2=γ2γ0,γ0γ3=γ3γ0,γ1γ2=γ2γ1,γ1γ3=γ3γ1,γ2γ3=γ3γ2.

Diese Bedingungen betreffen Antikommutatoren, also die Summe der Produkte zweier Matrizen in beiden Reihenfolgen,

{A,B}=AB+BA.

In Indexnotation, in der μ und ν für Zahlen aus {0,1,2,3} stehen, schreiben sich die Bedingungen an die Dirac-Matrizen zusammenfassend als

{γμ,γν}=γμγν+γνγμ=2ημνI.

Dabei sind ημν die Komponenten der Minkowski-Metrik mit Signatur (1,−1,−1,−1) und I ist die Einheitsmatrix in den Spinor-Indices der Dirac-Matrizen.

Die γ5-Matrix

Zusätzlich zu den vier Gamma-Matrizen definiert man noch die Matrix

γ5=iγ0γ1γ2γ3 .

Sie ist ihr eigenes Inverses, γ5γ5=I, ist hermitesch, antivertauscht mit den Gamma-Matrizen, γ5γμ=γμγ5, und demnach mit jedem Produkt von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren.

Eigenschaften

Die Gamma-Matrizen erzeugen eine Clifford-Algebra. Jede irreduzible Darstellung dieser Algebra durch Matrizen besteht aus 4×4-Matrizen. Die Elemente des Vektorraumes, auf den sie wirken, heißen Spinoren. Verschiedene Darstellungen der Dirac-Algebra sind einander äquivalent, das heißt, sie unterscheiden sich nur durch die gewählte Basis. Insbesondere sind die negativen transponierten Matrizen γμT und die hermitesch adjungierten Matrizen γμ den Matrizen γμ äquivalent, denn sie erfüllen ebenfalls die Dirac-Algebra. Es gibt daher eine Matrix A und eine Matrix C, so dass

CγμC1=γμT ,AγμA1=γμ.

Die Matrix A ist zur Konstruktion von Skalaren, Vektoren und Tensoren aus Spinoren wichtig, die Matrix C tritt bei der Ladungskonjugation auf.

Jedes Produkt mehrerer Dirac-Matrizen lässt sich bis auf ein Vorzeichen als Produkt verschiedener Dirac-Matrizen in lexographischer Ordnung schreiben, denn das Produkt zweier verschiedener Gamma-Matrizen kann auf Kosten eines Vorzeichens umgeordnet werden. Zudem ist das Quadrat jeder Gamma-Matrix 1 oder −1. Die Produkte verschiedener Gamma-Matrizen bilden zusammen mit der Eins-Matrix und den negativen Matrizen eine Gruppe mit den 32 Elementen,

±1,±γμ,±γμγν,μ<ν,±γλγμγν,λ<μ<ν,±γ0γ1γ2γ3,wobeiλ,μ,ν{0,1,2,3}.

Da jede Darstellung einer endlichen Gruppe bei geeigneter Basiswahl unitär ist, ist auch jede Darstellung der Gamma-Matrizen bei geeigneter Wahl der Basis unitär. Zusammen mit der Dirac-Algebra heißt dies, dass γ0 hermitesch und die drei anderen γ-Matrizen antihermitesch sind,

γ0=γ0,γ1=γ1,γ2=γ2,γ3=γ3.

In unitären Darstellungen bewirkt A=γ0 die Äquivalenztransformation zu den adjungierten Matrizen

γ0γμγ0=γμ.

Mithilfe der Eigenschaften von γ5 kann gezeigt werden, dass die Spur jedes Produktes von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren verschwindet.

Spur(γμ1γμ2n+1)=Spur(γμ1γμ2n+1γ5γ5)=Spur(γ5γμ1γμ2n+1γ5)=Spur(γμ1γμ2n+1γ5γ5)=Spur(γμ1γμ2n+1).

Im vorletzten Schritt wurde dabei verwendet, dass die Spur eines Produktes sich bei zyklischer Vertauschung der Faktoren nicht ändert und demnach Spur(γ5B)=Spur(Bγ5) gilt.

Für die Spur eines Produktes von zwei Gamma-Matrizen gilt (weil die Spur zyklisch ist)

Spurγμγν=12Spur(γμγν+γνγμ)=2ημν2Spur 1=4ημν.

Die Spur von vier Gamma-Matrizen reduziert man mit der Dirac-Algebra auf die Spur von zwei:

2Spurγκγλγμγν=Spur(γκγλγμγν+γλγμγνγκ)=Spur(γκγλγμγν+γλγκγμγν    γλγκγμγνγλγμγκγν    +γλγμγκγν+γλγμγνγκ)=2ηκλSpur(γμγν)2ηκμSpur(γλγν)+2ηκνSpur(γλγμ).

Daher gilt:

Spurγκγλγμγν=4(ηκλημνηκμηλν+ηκνηλμ).

Falls also verschiedene Dirac-Matrizen in einem Produkt nicht paarweise auftauchen, verschwindet die Spur des Produktes. Daraus folgt unter anderem, dass die sechzehn Matrizen, die man als Produkt von Null bis vier verschiedenen Gamma-Matrizen erhält, linear unabhängig sind.

Dirac-Gleichung

Dirac führte die Gamma-Matrizen ein, um die Klein-Gordon-Gleichung, die eine Differentialgleichung zweiter Ordnung ist, in eine Gleichung erster Ordnung umzuwandeln.

In natürlichen Einheiten kann die Dirac-Gleichung wie folgt geschrieben werden

(iγμμm)ψ=0

wobei ψ ein Dirac-Spinor ist.

Multipliziert man beide Seiten mit (iγνν+m) erhält man

(ημνμν+m2)ψ=(2+m2)ψ=0,

also gerade die Klein-Gordon-Gleichung für ein Teilchen der Masse m.

Zusammenhang zu Lorentz-Transformationen

Die sechs Matrizen

Σμν=14(γμγνγνγμ)

bilden die Basis einer Lie-Algebra, die der Lie-Algebra der Lorentztransformationen isomorph ist. Sie erzeugen die zu Lorentztransformationen (die stetig mit der 1 zusammenhängen) gehörigen Transformationen der Spinoren ψ.

Chiralität

Aus (γ5)2=1 und Spurγ5=0 folgt, dass die Matrizen

PL=1γ52,PR=1+γ52

Projektoren sind,

(PL)2=PL,(PR)2=PR,

die auf zueinander komplementäre, zweidimensionale Unterräume projizieren,

PLPR=0, SpurPL=SpurPR=2,PL+PR=1.

Diese Unterräume unterscheiden Teilchen verschiedener Chiralität.

Weil γ5 mit den Erzeugenden von Spinortransformationen vertauscht,

γ5Σμν=Σμνγ5,

sind die Unterräume, auf die PL und PR projizieren, invariant unter den von Σμν erzeugten Lorentztransformationen, mit anderen Worten: Die links- und rechtshändigen Anteile, ψL=PLψ und ψR=PRψ, eines Spinors ψ transformieren getrennt voneinander.

Da PL und PR hermitesch sind, weil γ5 hermitesch ist, gilt für

ψ¯L=(PLψ)γ0=ψPLγ0=ψPLγ0=ψγ0PR=ψ¯PR,

wobei ψ¯ allgemein definiert wird als ψ¯=ψγ0. Die Änderung PLPR ergibt sich aus der Vertauschung von γ5 mit γ0. Da γ5 mit γ0 antikommutiert, ändert sich das Vorzeichen vor γ5 im Projektionsoperator PL=1γ52PR=1+γ52. Ganz analog erhält man für ψ¯R=ψ¯PL.

Parität

Wegen γ0γ5γ0=γ5 ändert ein Term, der γ5 enthält, unter der Paritätstransformation sein Vorzeichen, es macht also aus Skalaren Pseudoskalare und aus Vektoren Pseudovektoren.

Allgemein folgen Größen, die man aus ψ=ψA=ψγ0, Gamma-Matrizen und einem eventuell von ψ verschiedenen Spinor χ zusammensetzt, einem Transformationsgesetz, das am Indexbild ablesbar ist. Es transformieren

  • ψχ wie ein Skalar,
  • ψγμχ wie die Komponenten eines Vierervektors,
  • ψΣμνχ wie die Komponenten eines antisymmetrischen Tensors,
  • ψγμγ5χ wie die Komponenten eines axialen Vierervektors,
  • ψγ5χ wie ein Pseudoskalar.

Feynman-Slash-Notation

Richard Feynman erfand die nach ihm benannte Slash-Notation (auch Feynman-Dolch oder Feynman-Dagger). In dieser Notation wird das Skalarprodukt eines Lorentzvektors mit dem Vektor der Gamma-Matrizen μ=03γμAμ abgekürzt geschrieben als

A/ =def μ=03γμAμ.

Dadurch kann z. B. die Dirac-Gleichung sehr übersichtlich geschrieben werden als

(i/ mc)ψ(x)=0 ,

oder in natürlichen Einheiten

(i/ m)ψ(x)=0 .

Dirac-Darstellung

In einer geeigneten Basis haben die Gamma-Matrizen die auf Dirac zurückgehende Form (verschwindende Matrixelemente nicht ausgeschrieben)

γ0=(1111),γ1=(1111),γ2=(iiii),γ3=(1111).

Diese Matrizen lassen sich kompakter mit Hilfe der Pauli-Matrizen schreiben (jeder Eintrag steht hier für eine 2×2-Matrix):

γ0=(11),γi=(σiσi),i{1,2,3},γ5=(11).

Die Diracmatrizen lassen sich mit Hilfe des Kronecker-Produktes auch folgendermaßen generieren:

γ0=σ31,γi=iσ2σi,i{1,2,3},γ5=σ11.

Weyl-Darstellung

Die nach Hermann Weyl benannte Weyl-Darstellung heißt auch chirale Darstellung. In ihr ist γ5 diagonal,

γ5=(11),PL=1γ52=(10),PR=1+γ52=(01).

Im Vergleich zur Dirac-Darstellung werden Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): \gamma^0 und γ5 verändert, die räumlichen γ-Matrizen bleiben unverändert:

γ0=(11),γi=(σiσi),γ5=(11).

Die Weyldarstellung ergibt sich durch einen unitären Basiswechsel aus der Dirac-Darstellung,

γWeylμ=UγDiracμU1 mit U=12(1111), U1=U=12(1111).

Spinortransformationen transformieren in der Weyl-Basis die ersten beiden und die letzten beiden Komponenten des Dirac-Spinors getrennt.

Die chirale Darstellung ist von besonderer Bedeutung in der Weyl-Gleichung, der masselosen Dirac-Gleichung.

Majorana-Darstellung

In der Majorana-Darstellung sind alle Gamma-Matrizen imaginär. Dann ist die Dirac-Gleichung ein reelles Differentialgleichungssystem,

γ0=(σ2σ2),γ1=(iσ3iσ3),γ2=(ii),γ3=(iσ1iσ1),γ5=(ii).

Literatur

  • James Bjorken und Sidney Drell: Relativistische Quantenmechanik, BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1990, (BI-Hochschultaschenbuch Band 98), ISBN 3-411-00098-8
  • Michael Peskin and Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Field Theory, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1995, ISBN 0-201-50397-2
  • Josef-Maria Jauch and Fritz Rohrlich: The theory of photons and electrons, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1955
  • Ferdinando Gliozzi, Joel Sherk and David Olive, Supersymmetry, Supergravity Theories and the Dual Spinor Model, Nucl. Phys. B122, 253–290, 1977. (Dirac-Algebra in höheren Dimensionen)
  • Franz Schwabl, Quantenmechanik für Fortgeschrittene (QM II), Springer, Heidelberg, ISBN 978-3-540-85076-2