Als galaktisches Zentrum wird das Massenzentrum des Milchstraßensystems bezeichnet. Von der Erde aus gesehen liegt es im Sternbild Schütze, wo das sichtbare Band der Milchstraße am dichtesten erscheint. Das galaktische Zentrum enthält das nächste bekannte supermassereiche Schwarze Loch und zeigt andere ungewöhnliche astrophysikalische Phänomene. Das galaktische Koordinatensystem hat hier seinen Ausgangspunkt (Rektaszension α = 17h 42.4min und Deklination δ = −28,92°), stimmt jedoch aus historischen Gründen nicht exakt mit diesem überein.
Die Entfernung der Erde vom Zentrum der Milchstraße (ca. 8 kpc = 26.000 Lichtjahre) ist 100- bis 1000-fach kleiner als die von den Kernen der nächsten vergleichbaren Galaxien (von der Canis-Major-Zwerggalaxie abgesehen, die mit einer Entfernung von ca. 25.000 Lichtjahren der Erde sogar näher ist als das galaktische Zentrum). Deshalb können die Eigenschaften des galaktischen Zentrums sehr viel genauer untersucht werden, z. B. die Eigenschaften und Bewegungen einzelner Sterne.
Im Sternbild Fuhrmann, direkt gegenüber dem galaktischen Zentrum, liegt die Region der galaktischen Scheibe mit der geringsten zu beobachtenden Sterndichte – das galaktische Antizentrum.[1][2]
Das Sternbild Schütze (lateinisch sagittarius) enthält zwar besonders viele Sterne und Nebel. Das galaktische Zentrum selbst kann jedoch im sichtbaren Licht nicht beobachtet werden, da dies von dunklen Staubwolken der interstellaren Materie auf dem Weg zur Erde um etwa 30 Magnituden (Faktor 1012) abgeschwächt wird.
Mit längerwelliger Strahlung (Infrarot und Radiowellen) sowie im harten Röntgenbereich sind jedoch Beobachtungen möglich, da diese Bereiche des elektromagnetischen Spektrums Staub wesentlich besser durchdringen.
Außerdem ist das galaktische Zentrum der Mittelpunkt der galaktischen Rotation aller im Milchstraßensystem vorhandenen Körper und kann als solches indirekt erschlossen werden.
Schon zu Beginn der Entwicklung der Radioastronomie gelang 1931 Karl Guthe Jansky der Nachweis von Radiostrahlung aus der Richtung des galaktischen Zentrums. Spätere Beobachtungen lösten diese Emission in verschiedene Radioquellen unterschiedlicher Natur auf. Eine dieser Quellen, Sagittarius A (West), ist eine annähernd spiralförmige Struktur ionisierten Gases von etwa 2 pc Größe. Sie ist umgeben von einem Ring kälterer molekularer interstellarer Materie. Innerhalb von Sagittarius A befindet sich die sehr kompakte Radioquelle Sagittarius A*. Diese Quelle bei α = 17 h 45 m 40,04 s und δ = −29° 00' 28,1" (J2000.0) liegt im Zentrum der Milchstraße.
Seit den 1960er-Jahren wurde mit zunehmender Fortentwicklung der Infrarotastronomie das galaktische Zentrum zu einem ihrer bevorzugten Ziele. Es zeigte sich ein nach innen hin zunehmend dichter werdender Sternhaufen, dessen Zentrum bei Sagittarius A* liegt. Überraschenderweise sind viele Sterne in den innersten 0,5 pc junge, heiße Sterne. Es ist noch nicht voll verstanden, wie sie unter den dortigen extremen Bedingungen entstehen konnten oder aber während ihrer Lebensdauer von nur wenigen Millionen Jahren dorthin gelangen konnten.
Gegen Ende der 1990er-Jahre gelang mit Aufnahmen des Röntgensatelliten Chandra zum ersten Mal auch der Nachweis von Röntgenstrahlung von Sagittarius A*. Frühere Röntgenteleskope hatten zwar schon Emission aus dem Gebiet des galaktischen Zentrums festgestellt, deren Zuordnung wegen schlechterer Winkelauflösung aber nicht geklärt war.
Supermassereiche Schwarze Löcher werden in der Astronomie als Energiequelle aktiver galaktischer Kerne weitestgehend akzeptiert und heute im Kern jeder hellen elliptischen Galaxie und jedes Bulges einer Spiralgalaxie vermutet. Nötig ist aber zumindest in Einzelfällen der direkte Nachweis der Schwerkraftwirkung des Schwarzen Lochs in einer Art, die andere Erklärungen ausschließt. Das galaktische Zentrum bietet hier den heute vermutlich stärksten Beweis.
Die Eigenschaften der starken Radioquelle Sagittarius A* im Zentrum des Milchstraßensystems sprechen dafür, dass es sich um die Anzeichen eines Schwarzen Lochs handelt. Sgr A* strahlt sehr hell aus einem sehr kleinen Gebiet, was nicht durch andere Arten von Radioquellen zu erklären ist. Dieser Nachweis ist aber noch indirekt. Die geringe Eigenbewegung von Sgr A* – im Wesentlichen sieht man nur die Widerspiegelung des Umlaufs der Sonne um das galaktische Zentrum – deutet auf ein sehr massereiches Objekt hin. Ein Objekt mit geringer Masse sollte sich wie die Sterne im zentralen Sternhaufen sehr rasch am Himmel bewegen, wenn es sich nicht gerade zufällig genau auf die Sonne zubewegt.
Der beste Nachweis für ein Schwarzes Loch kommt aus der Bewegung von Materie unter dem Einfluss seiner Schwerkraft. Schon in den späten 1970er-Jahren hatten Charles H. Townes und Mitarbeiter rasche Gasbewegungen im galaktischen Zentrum nachgewiesen, hier blieben aber noch letzte Zweifel, da Gas auch anderen Kräften als der Schwerkraft unterliegen kann (zum Beispiel durch Magnetfelder oder Sternwinde), und die räumliche Auflösung nicht voll genügte. Seit den 1990er-Jahren haben deshalb deutsche und amerikanische Forschergruppen die Bewegung der Sterne des zentralen Sternhaufens mit immer höherer räumlicher Auflösung untersucht. Zur Korrektur der Luftunruhe wurde zunächst Speckle-Interferometrie und dann adaptive Optik eingesetzt. Die Zunahme der Bewegungsgeschwindigkeiten der Sterne in der Nähe der zentralen Masse konnte damit bis unter 0,1 Bogensekunden Abstand verfolgt werden. Astronomen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik konnten die Masse dieses Schwarzen Loches mit relativ hoher Genauigkeit auf etwa 4,31 Millionen Sonnenmassen bestimmen.[3] Andere Möglichkeiten als ein Schwarzes Loch, um so viel Masse in ein so kleines Volumen zu packen, wären nicht über das Alter der Milchstraße stabil.
Seit 2001 sind im Röntgen- und Infrarotbereich wiederholt Helligkeitsausbrüche von typischerweise einer bis wenigen Stunden Dauer aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs beobachtet worden. Ihr kurzfristiges Flackern enthält – bei nur wenigen Schwarzschildradien Entfernung vom Schwarzen Loch – möglicherweise Information über die Raumzeit.
Astronomen hatten einen bestimmten Stern des Sagittarius schon über Dekaden im Visier und verfolgten zwei Drittel seines zurückgelegten Pfades um das galaktische Zentrum. Zuvor war kein Objekt über einen solch langen Zeitraum so nahe am Zentrum einer Galaxie zu beobachten gewesen, noch war bis dahin irgendein anderes Objekt entdeckt worden, das mehr als nur einen kleinen Teil seiner orbitalen Umlaufbahn um die Galaxie beschrieb. Rainer Schoedel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik sieht diese Forschungsergebnisse als Beweis für ein supermassereiches Schwarzes Loch an.[4][5]
Im Jahr 2011 untersuchten Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik Bilder des Milchstraßenzentrums im Bereich von 3,8 Mikrometern Wellenlänge. Sie entdeckten eine Gaswolke, die sich in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs bewegt. Bis Ende 2013 wird sich diese Gaswolke dem Schwarzes Loch so weit nähern, dass sie dabei durch die Gezeitenkräfte auseinandergerissen wird. Es wird vermutet, dass Teile des Gases innerhalb der darauffolgenden Jahre abgebremst, durch die Schwerkraft des Schwarzen Lochs angesaugt und hinter dessen Ereignishorizont verschwinden werden.[6]
Videos