Das Gemini-Programm war nach dem Mercury-Programm das zweite bemannte Raumfahrtprogramm der Vereinigten Staaten. Ziel des Gemini-Programms war das Entwickeln von Verfahrensweisen und Technologien für das Apollo-Programm. In seinem Rahmen fanden 1965 und 1966 zehn bemannte Raumflüge statt, bei denen Astronauten unter anderem die ersten amerikanischen Weltraumausstiege durchführten.
Gemini wurde aus der Not geboren, wobei es der NASA möglich war, hieraus eine Tugend zu machen. Nach Einstellung der Mercury-Flüge würde, das war relativ früh klar, eine zeitliche Lücke von drei oder gar vier Jahren bis zum Beginn der Apollo-Missionen klaffen – wertvolle Jahre, die man dringend benötigte, um die erforderlichen Technologien, z. B. Kopplungsmechanismen, Lebenserhaltungssystem, EVA-Anzüge etc., zu erproben. Aus diesem Grund war ursprünglich geplant, das bestehende Mercury-System zu einem zwei Mann fassenden Raumschiff, genannt Mercury Mark II, zu erweitern. Der Vorteil hätte darin gelegen, durch Rückgriff auf vorhandene Technik Entwicklungskosten zu sparen und die Zeit bis zum Beginn des bemannten Apollo-Flugprogramms sinnvoll überbrücken zu können. Die wesentlichen Veränderungen hätten im Einbau eines zweiten Sitzes, der Montage einer leistungsfähigen Manövriereinheit und dem Einsatz einer bereits existierenden Oberstufe als Docking-Attrappe bestanden. Zur Vereinfachung der Handhabung plante man außerdem eine modularisierte Inneneinrichtung, die einen Austausch oder das Hinzufügen von Komponenten vereinfacht und Mercury Mark II zu einer leistungsfähigen Plattform für bemannte Raumflüge gemacht hätte.
Gemini steht im Lateinischen für das Sternbild Zwillinge, womit der Name auf das zweisitzige Raumschiff und die Rendezvous-Manöver Bezug nimmt. Außerdem sind die mythologischen Zwillinge Castor und Pollux die Götter der Reisenden. Offiziell erhielt das Programm seinen Namen am 3. Januar 1962, nachdem im Dezember 1961 um Vorschläge gebeten worden war. Der Name Gemini wurde von zwei Personen vorgeschlagen.[1]
Zur Unterstützung der bereits ausgebildeten Mercury-Astronauten entschloss sich die NASA am 18. April 1962, fünf bis zehn neue Astronauten zu rekrutieren, worauf 253 Bewerbungen eingingen.
Am 17. September 1962 wurde die Gruppe 2, bestehend aus neun Astronauten, der Öffentlichkeit vorgestellt. Dies waren Neil Armstrong, Frank Borman, Charles Conrad, James Lovell, James McDivitt, Elliott See, Thomas Stafford, Edward White und John Young.
Die Auswahl der dritten Astronautengruppe begann am 5. Juni 1963 mit einer weiteren Ausschreibung. Die NASA stellte die 14 erfolgreichen Bewerber am 18. Oktober 1963 vor: Edwin Aldrin, William Anders, Charles Bassett, Alan Bean, Eugene Cernan, Roger Chaffee, Michael Collins, Walter Cunningham, Donn Eisele, Theodore Freeman, Richard Gordon, Russell L. Schweickart, David Scott und Clifton Williams.
Damit stieg die Zahl der aktiven Astronauten für die Programme Gemini und Apollo auf 27, da die Mercury-Astronauten Glenn, Carpenter und Slayton aus verschiedenen Gründen für das Gemini-Programm nicht zur Verfügung standen.
Theodore Freeman starb am 31. Oktober 1964 bei einem Flugzeugunglück. Elliot See und Charles Bassett, die als Besatzung für Gemini 9 vorgesehen waren, kamen am 28. Februar 1966 ebenfalls bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Virgil Grissom, Edward White und Roger Chaffee starben am 27. Januar 1967 bei der Apollo-1-Katastrophe, Clifton Williams verunglückte am 5. Oktober 1967.
Mission | Start | Landung | Dauer | Besatzung | Ziele | Bemerkung |
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Gemini 3 |
23. Mrz. 1965 | 23. Mrz. 1965 | 4h 52min | Virgil Grissom, John Young |
erster 2-Mann-Flug der Amerikaner | |
Gemini 4 |
3. Jun. 1965 | 7. Jun. 1965 | 4d 1h 56min | James McDivitt, Edward H. White |
erster Weltraumausstieg (White) der Amerikaner | |
Gemini 5 |
21. Aug. 1965 | 29. Aug. 1965 | 7d 22h 55min | Gordon Cooper, Charles Conrad |
Aussetzen und Rendezvousmanöver mit einem mitgeführten Zielsatelliten | 120 vollendete Erdumrundungen |
Gemini 6 |
15. Dez. 1965 | 16. Dez. 1965 | 1d 1h 51min | Walter Schirra, Tom Stafford |
Rendezvous mit Gemini 7 | Für Oktober 1965 geplantes Rendezvous mit unbemanntem Agena-Satelliten musste entfallen, da dessen Trägerrakete nach dem Start explodierte.
Start von Gemini 6 wurde auf Dezember, nach dem Start von Gemini 7, verschoben. Dieser Flug läuft auch unter der Nummer 6-A. |
Gemini 7 |
4. Dez. 1965 | 18. Dez. 1965 | 13d 18h 35min | Frank Borman, James A. Lovell |
zweiwöchiger Flug, Rendezvous mit Gemini 6, das einige Tage nach Gemini 7 startete. | Missionsziel: Nachweis für Realisierung eines 14-tägigen Raumflugs |
Gemini 8 |
16. Mrz. 1966 | 17. Mrz. 1966 | 10h 41min | Neil Armstrong, David Scott |
Kopplung mit GATV-Zielsatellit | Probleme mit der Steuerung, Raumschiff gerät während der Kopplung mit Agena in Rotation, Flug abgebrochen |
Gemini 9 |
3. Jun. 1966 | 6. Jun. 1966 | 3d 21min | Tom Stafford, Eugene Cernan |
Rendezvous mit ATDA-Zielsatellit | Geplante Kopplung misslang, weil Verkleidung am Zielsatelliten sich nicht gelöst hatte |
Gemini 10 |
18. Jul. 1966 | 21. Jul. 1966 | 2d 22h 47min | John Young, Michael Collins |
Kopplung mit GATV-Zielsatelliten | erste Kopplung mit Zielsatellit und Nutzung des Antriebs des fremden Raumfahrzeugs; neuer Höhenrekord (763 km) |
Gemini 11 |
12. Sep. 1966 | 15. Sep. 1966 | 2d 23h 17min | Charles Conrad, Richard Gordon |
Kopplung mit GATV-Zielsatellit | neuer Höhenrekord (1374 km) |
Gemini 12 |
11. Nov. 1966 | 15. Nov. 1966 | 3d 22h 35min | James A. Lovell, Edwin "Buzz" Aldrin |
Kopplung mit GATV-Zielsatellit | bis dahin längster Weltraumausstieg mit 5,5 Stunden |
Mit der Landung von Gemini 12 am 15. November 1966 und der offiziellen Schließung des Gemini-Büros am 1. Februar 1967 endete das Gemini-Programm.
Die Landekapsel des Gemini-Raumschiffs war 5,8 Meter lang und hatte einen Durchmesser von drei Metern. Die Luken konnten während des Aufenthalts im Weltraum geöffnet und geschlossen werden, so dass Aktivitäten außerhalb des Raumschiffs möglich waren. Ein spezielles Kopplungsmodul war für die Andockmanöver vorgesehen. Die Masse der Landekapsel betrug ca. 3.800 kg. Erstmals wurde bei einem Raumschiff eine Polymerelektrolytbrennstoffzelle als primäre Energieversorgung eingesetzt. Nicht wiederaufladbare Batterien waren nur für den Wiedereintritt und für Notfälle vorgesehen. Erstmals wurde auch ein Bordcomputer, der Gemini Digital Computer, zur Unterstützung der Besatzung bei Berechnungen eingesetzt. Der Computer aus 5 Platinen mit 510 Modulen hatte einen Speicher von nur 4096 Befehlsworten von jeweils 39 Bit Länge. Da sich dieser als zu klein erwies, wurde er ab Gemini 8 durch ein Magnetbandlaufwerk ergänzt, welches die Speicherkapazität versiebenfachte.[2]
Wie die Mercury-Redstone- und Mercury-Atlas-Raketen vor ihnen wurden auch die Gemini-Titan-Raketen von der NASA über die United States Air Force geordert und waren eigentlich Raketen, die für militärische Einsätze gedacht waren. Die Air Force war für den Startkomplex 19 auf der Cape Canaveral Air Force Station verantwortlich und bereitete alle Gemini-Starts vor und führte sie aus. Daher trugen die erste und zweite Stufe auch Seriennummern der US-Air Force. Sie waren auf jeweils gegenüberliegenden Seiten am unteren Ende der Stufe angebracht. Da die Raketen im Jahr 1962 bestellt worden waren, sollte eine Seriennummer eigentlich der Vorlage 62-12XXX folgen. Auf den Stufen der Titan II war aber nur 12XXX vermerkt.
siehe Gemini-Raumanzug und Astronaut Maneuvering Unit
Nach dem Mercury-Programm, welches nach den ersten Erfolgen der Sowjetunion die prinzipielle Möglichkeit bemannter Weltraumflüge ebenfalls demonstrierte, wurde mit Gemini ein großer Fortschritt erzielt, auch um die für einen erfolgreichen Mondflug nötigen Manöver zu testen: Rendezvous und Kopplung von Raumschiffen, Außenbordeinsätze, Bahnänderungen, sowie die Zusammenarbeit der Bodenstation mit den Piloten. Konzepte, die die NASA allesamt vorher im Weltall so noch nicht erprobt hatte.
Gemini war somit ein überaus erfolgreiches Programm, welches auch bewies, dass es möglich war, schwere Havarien wie im Fall von Gemini 8 zu beherrschen. Es wurde ein Grundstein für die Apollo-Mondmissionen gelegt. Im Jahr 1967 gab es dann aber zu Beginn des Apollo-Programms mit dem Verlust dreier Menschenleben bei Apollo 1 einen schweren Rückschlag. Eine ähnlich schwere Katastrophe ereignete sich im selben Jahr beim sowjetischen Sojus-Programm mit Sojus 1.
Die Erfahrungen aus dem Gemini-Programm haben aber letztendlich maßgeblich zur ersten erfolgreichen bemannten Mondlandung von Apollo 11 beigetragen.[3]
Deutschsprachige Literatur ist entsprechend gekennzeichnet