Unter Hartree-Fock-Rechnung (beziehungsweise Hartree-Fock-Methode, nach Douglas Rayner Hartree und Wladimir Alexandrowitsch Fock) versteht man eine Methode der Quantenmechanik, in der Systeme mit mehreren gleichartigen Teilchen in Mean-Field-Näherung behandelt werden. Sie wird zum Beispiel verwendet in der Atomphysik, der Theoretischen Chemie zur Beschreibung von Elektronen in Molekülen und der Kernphysik für Systeme aus Protonen und Neutronen.
Sie ermöglicht es, Orbitalenergien und Wellenfunktionen von quantenmechanischen Vielteilchensystemen näherungsweise zu berechnen und ist eine so genannte Ab-initio-Methode, d. h. sie kommt ohne empirische Parameter aus und benötigt nur Naturkonstanten. Sie ist der Ausgangspunkt für Post-Hartree-Fock-Methoden, welche die Genauigkeit der Berechnungen verbessern.
Die Hartree-Fock-Methode ist die Basis der Molekülorbitaltheorie.
Die Hartree-Fock-Methode geht von der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung (hier in Dirac-Notation)
aus, welche die Energie
Die Hartree-Fock-Methode vereinfacht die Wechselwirkungen der Teilchen untereinander so, dass diese nicht mehr jeweils paarweise untereinander wechselwirken, sondern mit einem Feld, das von allen anderen Teilchen im Mittelwert erzeugt wird – dem so genannten mean field (mittleren Feld). Das Feld hängt zwar immer noch vom Verhalten der einzelnen Teilchen ab, die Lösung kann aber jetzt schrittweise berechnet werden:
Dieser Vorgang wird wiederholt, bis sich aufeinanderfolgende Lösungen nur mehr geringfügig unterscheiden, das Feld also zu Lösungen führt, die das Feld selbst konsistent wieder erzeugen. Daraus leitet sich der Begriff self-consistent field ab, der für diesen Teil der Hartree-Fock-Methode verwendet wird.
Als Wellenfunktionen für die behandelten Vielteilchensysteme werden bei Bosonen ein symmetrisches (Hartree-)Produkt von Einteilchenwellenfunktionen verwendet, bei Fermionen (wie Elektronen, Protonen und Neutronen) eine antisymmetrische Kombination dieser Produkte (eine sogenannte Slater-Determinante). Um die Schrödingergleichung zu lösen, werden diese Einteilchenwellenfunktionen so variiert, dass die aus der Gleichung entstehende Energie minimal wird. Aufgrund des Rayleigh-Ritz-Prinzips ist diese Energie dann eine obere Grenze für die tatsächliche Energie des Systems. Die dadurch berechnete Wellenfunktion des gesamten Systems ist allerdings nicht notwendigerweise eine Annäherung der tatsächlichen Wellenfunktion.
Bei manchen Molekülen (insbesondere mit ungepaarten Elektronen) wird statt einer einzigen Slater-Determinante eine symmetrieadaptierte Linearkombination mehrerer Slater-Determinanten angesetzt, deren Koeffizienten aber durch die (Spin-)Symmetrie des Systems festgelegt sind.
Die Hartree-Fock-Gleichung ist ein nichtlineares Eigenwertproblem mit einem nichtlokalen Integrodifferentialoperator. Sie lautet in Dirac-Notation
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mit dem Fock-Operator
wobei
Der Index
Um effiziente Lösungsmethoden verwenden zu können, wird die Gleichung zusätzlich in eine Matrixdarstellung übergeführt, indem man
Nach Multiplikation mit
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mit der Fockmatrix
Als Lösung erhält man
Um die Hartree-Fock-Gleichung zu lösen, muss von den oben verwendeten Spinorbitalen
Bei dem Geschlossene-Schalen-Hartree-Fock Ansatz (engl. Restricted Hartree Fock) werden alle Spins als gepaart angenommen, was natürlich nur bei einer geraden Anzahl von Elektronen möglich ist. Der Grundzustand wird somit als Spin-Singulett angenommen. Für die Wellenfunktionen folgt somit
Setzt man dies in die Hartree-Fock-Gleichung ein, folgt
Die Coulombwechselwirkung tritt somit zwischen allen Elektronen auf, die Austauschwechselwirkung hingegen nur zwischen Elektronen
mit gleichem Spin. Wegen der Symmetrie zwischen Spin up und down ist die HF-Gleichung für beide Spinkonfigurationen gleich,
sodass weiterhin nur eine Eigenwertgleichung gelöst werden muss, wobei nun allerdings nur noch die niedrigsten
Bei dem Offene-Schalen-Hartree-Fock-Ansatz (engl. Unrestricted Hartree Fock) wird im Vergleich zum Geschlossene-Schalen-Ansatz (RHF) die Forderung fallengelassen, dass gleich viele Elektronen im Zustand
Nach Einsetzen in die ursprüngliche Hartree-Fock-Gleichung ergeben sich zwei verschiedene Gleichungen für
Die Gleichung für
Zur Herleitung der Hartree-Fock Gleichungen geht man zunächst von der stationären Schrödingergleichung aus. Hier wird der Spezialfall eines Hamiltonoperators mit Coulombwechselwirkung in der Born-Oppenheimer-Näherung betrachtet, wie er zum Beispiel für Elektronen in der Molekülphysik auftritt. Das heißt
Als Näherung für Hartree-Fock schreibt man nun
und die Energie des Systems lautet
Dies kann man nun, indem man die Orthogonalität der
umformen. Nun wird das Ritzsche Variationsprinzip verwendet und
Man kann nun in die Basis
Die Tilde wird im Weiteren weggelassen. Nun kann
Da der Summand mit
Somit folgt
die Hartree-Fock-Gleichung mit dem Fock-Operator
Eine direkte numerische Lösung der Hartree-Fock-Gleichung als Differentialgleichung ist bei Atomen und linearen Molekülen möglich. In der Regel werden die Orbitale aber analytisch als Linearkombinationen von Basisfunktionen angesetzt (Basissatz), was wiederum eine Näherung darstellt, die umso besser wird, je größer und intelligenter der Basissatz gewählt wird. Typischerweise bringt jedes Atom im Molekül nun eine vom entsprechenden Basissatz festgelegte Anzahl von Basisfunktionen, die auf ihm zentriert sind, mit. Als grober Ausgangspunkt zur Erstellung solcher Basissätze dienen die analytischen Lösungen des Wasserstoffatoms, welche ein
Ein
Der große Nachteil der Slater-Type-Orbitale ist jedoch, dass die erforderlichen Matrixelemente
Hierbei können die Matrixelemente analytisch berechnet werden.[2] Dabei wird u. a. das Gaussian Product Theorem ausgenutzt, d. h., dass das Produkt zweier Gaußfunktionen wieder eine Gaußfunktion ist. Um die STOs besser zu approximieren, besteht typischerweise eine Basisfunktion aus mehreren Gaußfunktionen mit festen, vom Basissatz festgelegten Parametern („Contraction“). Ein einfacher Basissatz ist z. B. der sog. STO-NG, welcher Slater Type Orbitale mit
Häufig verwendete Basissätze sind die Pople- und die korrelationskonsistenten Basen.
Die mit der Hartree-Fock-Methode errechnete Energie erreicht nie den exakten Wert, selbst wenn ein unendlich großer Basissatz verwendet werden würde. Bei diesem Grenzfall wird das sogenannte Hartree-Fock-Limit erreicht. Der Grund dafür ist, dass durch die Verwendung des gemittelten Potenzials die Elektronenkorrelation, also die genaue Wechselwirkung der Elektronen untereinander, nicht erfasst wird. Um diesen Makel zu beseitigen, wurden Methoden entwickelt, die in der Lage sind, zumindest einen Teil der Elektronenkorrelation zu erfassen (siehe Artikel Korrelierte Rechnungen). Von Bedeutung sind insbesondere Coupled-Cluster-Methoden und die Møller-Plesset-Störungstheorie, die auf der Lösung des Hartree-Fock-Verfahrens aufbauen. Eine andere sehr bedeutende Methode ist die Dichtefunktionaltheorie mit Hybridfunktionalen, bei der der Hartree-Fock-Austausch anteilig in den Austausch-Korrelations-Teil des Dichtefunktionals eingeht.
Die Hartree-Fock-Methode erlaubt aber bei sehr vielen Molekülen eine gute Bestimmung ihrer „groben“ elektronischen Struktur. Daher können z. B. die Molekülorbitale für qualitative Betrachtungen herangezogen werden (z. B. im Falle von Grenzorbitalen). Die Hartree-Fock Methode liefert im Regelfall elektronische Gesamtenergien, die bis auf 0,5 % mit den korrekten elektronischen Energien übereinstimmen (zur Berechnung von Energiedifferenzen, wie z. B. Reaktionsenergien, ist sie aber nur sehr bedingt brauchbar, da diese in der Größenordnung des Fehlers liegen), Dipolmomente, die auf 20 % mit den wirklichen Dipolmomenten übereinstimmen, und sehr genaue Verteilungen der Elektronendichte im Molekül. Aufgrund dieser Eigenschaften werden Hartree-Fock-Rechnungen häufig als Ausgangspunkt für die oben genannten genaueren Rechnungen verwendet.
Ein weiterer Vorteil der Hartree-Fock-Methode ist, dass die erhaltene Energie gemäß dem Variationsprinzip eine obere Schranke für die exakte Grundzustandsenergie darstellt. Durch die Wahl umfangreicherer Basissätze kann die berechnete Wellenfunktion systematisch bis zum sogenannten "Hartree-Fock Limit" verbessert werden. Eine derartige systematische Betrachtungsweise ist bei Dichtefunktionalmethoden nicht möglich.