Das Indexellipsoid, auch Fletcher-Ellipsoid nach Lazarus Fletcher, ist eine Indikatrix zur Beschreibung der Lichtbrechung (genauer: der Brechungsindizes, Einzahl: -index, daher der Name) in einem doppelbrechenden Kristall. Zusammen mit dem Fresnel-Ellipsoid (nach Augustin Jean Fresnel) ermöglicht dieses Ellipsoid eine anschauliche Beschreibung der Ausbreitung von Licht in Materie.
Die Menge aller Punkte, die – von einem punktförmigen Erregungsort ausgehend – gleichzeitig von einer Welle erreicht werden, bilden die Wellenfläche einer Elementarwelle. Das Verhalten einer ebenen Wellenfront kann durch das huygenssche Prinzip erklärt werden:
In einem optisch isotropen Medium ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in allen Richtungen identisch, und die Wellenflächen entsprechen daher Kugelwellen. Auch der Übergang zwischen zwei optisch isotropen Medien kann mit Hilfe des huygensschen Prinzips beschrieben werden und führt auf das snelliussche Brechungsgesetz.
Wird ein Lichtstrahl hingegen auf einen Calcitkristall gerichtet (anisotropes Material), so treten zwei Lichtstrahlen aus. Dieses Phänomen nennt man Doppelbrechung. Während der eine Strahl dem snelliusschen Brechungsgesetz folgt (ordentlicher Strahl), gilt dies für den zweiten nicht (außerordentlicher Strahl). Ursache dafür ist, dass in Calcit die Lichtgeschwindigkeit von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisationsrichtung des Lichtstrahls abhängt. Während die Wellenfläche des ordentlichen Strahls weiterhin Kugelwellen sind, sind die Wellenflächen des außerordentlichen Strahls Rotationsellipsoide. Die Form der Wellenfläche kann aus dem Fresnel-Ellipsoid hergeleitet werden (fresnelsche Wellenfläche).
Führt man die huygenssche Konstruktion mit elliptischen Wellen durch, so ergibt sich, dass die Überlagerung der Wellenflächen wieder zu einer ebenen Welle führt. Die Wellenfront dieser ebenen Welle bewegt sich allerdings nicht mehr nur in Richtung ihrer Normalen, sie kann sich auch schräg dazu bewegen: Die Richtung und Geschwindigkeit der Wellennormalen (im Bild: k) und der Strahlrichtung (im Bild: P) stimmen nicht mehr überein.
Für die Wellennormale gilt weiterhin das snelliussche Brechungsgesetz. Für jeden Strahl können die entsprechenden Brechungsindizes mit Hilfe des Indexellipsoids bestimmt werden.
In einem optisch anisotropen Medium muss der lineare Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld $ {\vec {E}} $ und der dielektrischen Verschiebung $ {\vec {D}} $ in richtungsabhängiger Form geschrieben werden, da diese beiden Vektoren im Allgemeinen nicht mehr parallel zueinander liegen:
wobei die dielektrischen Konstanten $ (\varepsilon _{i,j}) $ einen symmetrischen Tensor 2. Stufe bilden.
Entsprechend gilt für den dazu inversen Tensor der dielektrischen Moduln $ \eta _{i,j} $:
Diese Tensoren haben jeweils drei im Allgemeinen unterschiedliche Eigenwerte, stimmen aber in der Lage ihrer Hauptachsen überein.
In Hauptachsenform haben sie folgende Gestalt:
In ihrem Hauptachsensystem (x, y, z) lassen sich Tensoren 2. Stufe mit den Eigenwerten $ h_{1};\;h_{2};\;h_{3} $ als Ellipsoide darstellen:
Die Längen der Halbmesser der Hauptachsen des Ellipsoids betragen:
Das Ellipsoid, das den dielektrischen Modul repräsentiert, ist das Indexellipsoid. Aus seinen Eigenwerten lassen sich die Hauptbrechungsindizes wie folgt berechnen:
Das Ellipsoid, das den dielektrischen Tensor repräsentiert, ist das Fresnel-Ellipsoid. Aus seinen Eigenwerten lassen sich die Hauptlichtgeschwindigkeiten wie folgt berechnen:
Dabei ist $ c $ die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
Legt man einen Wellennormalenvektor in den Ursprung des Indexellipsoids, so schneidet die Ebene, die senkrecht zu diesem Vektor steht und durch den Mittelpunkt des Ellipsoids verläuft, das Indexellipsoid so, dass als Schnittlinie eine Ellipse entsteht:
Ist die Schnittellipse ein Kreis, so bewegen sich alle Wellennormalen unabhängig von der Polarisation der Welle in dieselbe Richtung. Richtungen mit dieser Eigenschaft nennt man optische Achsen.
Mit demselben Verfahren kann man für jede Strahlrichtung am Fresnel-Ellipsoid die zugehörige Schnittellipse konstruieren:
Trägt man die Halbmesser dieser Ellipse in Strahlrichtung auf und lässt die Strahlrichtung alle Richtungen im Raum einnehmen, so erhält man eine Figur mit zwei Schalen, welche die Wellenfronten des ordentlichen und des außerordentlichen Strahles beschreiben (s. u. Weblinks).
Nach dem neumannschen Prinzip haben alle Eigenschaftstensoren eine durch das Kristallsystem bestimmte Form. Im Falle von Tensoren 2. Stufe gibt es drei prinzipiell unterschiedliche Formen.
In einem kubischen Kristall sind die Eigenwerte aller Tensoren 2. Stufe gleich. Sowohl das Index- als auch das Fresnel-Ellipsoid sind daher Kugeln. Folglich sind die zugehörigen Schnittellipsen für alle Strahl- und Wellennormalenrichtungen Kreise. Die beiden Schalen der Strahlfläche fallen auf eine Kugel zusammen. Daher verhalten sich alle Lichtstrahlen unabhängig von ihrer Richtung und Polarisation identisch: kubische Kristalle sind optisch isotrop.
In den wirteligen Kristallsystemen (trigonal, tetragonal und hexagonal) liegt die Hauptachse des Tensors, die auch als optische Achse bezeichnet wird, in Richtung der kristallographischen c-Achse; die beiden anderen Hauptachsen liegen senkrecht zu ihr.
Entsprechend gibt es zwei unterschiedliche Eigenwerte bzw. Hauptbrechindizes:
Zur Beschreibung betrachtet man den Strahl im Hauptschnitt, d. h. in der Ebene, in der sowohl der einfallende Lichtstrahl als auch die optische Achse liegen. Für jede Wellennormalenrichtung liegt eine Halbachse der zugeordneten Schnittellipse in der Hauptebene, die andere senkrecht dazu.
Die Schnittellipsen des Fresnel-Ellipsoids verhalten sich genauso.
Daher besteht die Wellenfläche aus zwei Schalen:
Dabei liegt, abgesehen von den Berührpunkten, die jeweils auf einem Kreis mit dem Radius no liegen:
Zusammengefasst: Fällt eine ebene Welle auf einen optisch einachsigen Kristall, so entstehen in der Regel zwei Strahlen.
Im orthorhombischen, monoklinen und triklinen Kristallsystem liegen optisch zweiachsige Kristalle vor. Man erhält hier in der Regel zwei Strahlen, die sich wie der außerordentliche Strahl verhalten. Sie können nach demselben Prinzip beschrieben werden, allerdings sind die Verhältnisse deutlich komplizierter. Hier kann daher nur ein Überblick über die wichtigsten Besonderheiten gegeben werden, für weitere Informationen wird auf die Fachliteratur verwiesen.
In optisch zweiachsigen Kristallen gibt es zwei optische Achsen und drei unterschiedlich große Hauptachsen (x,y,z) bzw. Hauptbrechungsindizes $ n_{\alpha };\;n_{\beta };\;n_{\gamma } $. Die Hauptachsen werden so gewählt, dass gilt:
Ihre Lage zu den Kristallachsen folgt dem neumannschen Prinzip. Da alle drei Hauptachsen unterschiedlich lang sind, sind in diesen Systemen das Index- und das Fresnel-Ellipsoid jeweils dreiachsig.
Die optischen Achsen findet man folgendermaßen: Dreht man den Wellennormalevektor in der xz-Ebene von der z- in die x-Richtung, so haben alle dabei entstehenden Schnittellipsen eine gemeinsame Hauptachse in y-Richtung mit der Länge nβ. Die zweite Hauptachse liegt in der xz-Ebene und durchläuft alle Werte zwischen nα und nγ. Aufgrund der obigen Definition der Hauptachsen muss es daher eine Richtung geben, bei der auch diese zweite Hauptachse die Länge nβ hat; eine entsprechende Richtung muss es auch zwischen der z- und der x-Richtung geben. Diese beiden Richtungen sind die optischen Achsen oder Binormalen. Der Winkel zwischen den Binormalen wird sowohl von der x- als auch von der z-Achse halbiert.
Die Wellenfläche ist eine Fläche 4. Ordnung. Sie ist eine spezielle Form einer kummerschen Fläche. Auch hier gibt es zwei Richtungen, in denen sich die beiden Schalen berühren: die Biradialen. Sie liegen zwar auch in der xz-Ebene, aber nicht in Richtung der Binormalen. Daher ist in einem zweiachsigen System die optische Achse keine Richtung optischer Isotropie. Dies ist die Ursache der konischen Refraktion, die im Folgenden genauer beschrieben wird.
Vor eine senkrecht zu einer Binormalen geschnittene Kristallplatte wird eine Blende gestellt, so dass nur ein dünner Lichtstrahl senkrecht zur Platte auf den Kristall fallen kann. Wird der Kristall dann mit einem unpolarisierten Lichtstrahl durchstrahlt, so erkennt man auf einem Schirm hinter dem Kristall einen Ring, dessen Radius sich mit der Entfernung von der Kristallplatte nicht ändert. Zwar bleiben die Wellennormalen alle in Richtung der Binormalen, aber die Wellenfronten verschieben sich- abhängig von ihrer Polarisationsrichtung – senkrecht zur Wellennormalen. Da aber alle Wellennormalen parallel zueinander bleiben, treten alle Strahlen senkrecht zur Kristallfläche aus dem Kristall aus und breiten sich dann auch weiter parallel zueinander aus. Dieser Effekt heißt innere konische Refraktion.
Zwischen zwei Lochblenden wird eine Kristallplatte gestellt, die senkrecht zu einer Biradialen geschnitten ist. Die Blenden sind so angeordnet, dass nur die Lichtstrahlen den Kristall verlassen, die sich im Kristall in Richtung der Biradialen fortbewegt haben. Bestrahlt man die Eintrittsblende so mit divergentem Licht, dass alle möglichen Polarisationsrichtungen durch den Kristall wandern, so erhält man auf einem Schirm hinter dem Kristall ebenfalls wieder einen Kreis, dessen Radius sich mit der Entfernung vom Kristall vergrößert. Ursache dafür ist, dass zwar alle Polarisationsrichtungen dieselbe Strahlgeschwindigkeit haben und sich im Kristall auch in dieselbe Richtung bewegen. Da sie aber unterschiedliche Wellennormalen haben, werden sie an den Kristalloberflächen unterschiedlich gebrochen. Daher muss die Eintrittsblende auch mit divergentem Licht bestrahlt werden. Diesen Effekt nennt man äußere konische Refraktion.