Kuipergürtel

Kuipergürtel

Kuipergürtel (nichtmaßstäbliches Schema)

Der Kuipergürtel (englisch Kuiper belt) ist eine ringförmige, relativ flache Region, die sich in unserem Sonnensystem außerhalb der Neptunbahn in einer Entfernung von ungefähr 30 bis 50 Astronomischen Einheiten (AE) nahe der Ekliptik erstreckt und schätzungsweise mehr als 70.000 Objekte mit mehr als 100 km Durchmesser sowie viele kleinere Objekte enthält.

Die Objekte in diesem Bereich werden als Kuipergürtelobjekte (abgekürzt KBO, von engl. Kuiper Belt Objects, manchmal auch EKO von engl. Edgeworth-Kuiper Belt) bezeichnet und gehören zu den transneptunischen Objekten (TNO).

Man vermutet, dass ein Großteil der Kometen mit mittleren Perioden aus dem Kuipergürtel stammt. Während man früher davon ausging, dass die Kometenkerne nahezu unverändert aus ihrer Bahn geworfene KBOs sind, geht man heute davon aus, dass es sich bei ihnen um Fragmente handelt, die aus Zusammenstößen von KBOs stammen.

Namensherkunft

Der Name Kuipergürtel wurde durch Scott Tremaine geprägt. Tremaine überprüfte und bestätigte 1988 mit einer Computersimulation eine Theorie von Julio Ángel Fernández aus dessen Veröffentlichung On the existence of a comet belt beyond Neptune aus dem Jahr 1980 und benannte die noch hypothetische Region Kuiper belt in Anlehnung an Fernández’ Veröffentlichung, die sich in der Einleitung auf einen vermuteten comet belt und entsprechende Theorien von Gerard Kuiper aus den Jahren 1951 und 1974 bezog.[1]

Die Bezeichnung ist zum Teil umstritten, da Kuipers Theorie weder die erste dieser Art war, noch als aktuell gilt. Daher ist manchmal auch vom Edgeworth Belt (nach dem irischen Astronomen Kenneth Edgeworth) oder Edgeworth-Kuiper Belt die Rede, da sowohl Edgeworth (1943 in Irland) als auch Kuiper (1951 in den USA) unabhängig voneinander die These aufgestellt hatten, dass sich hinter der Neptunbahn ein Bereich befinde, in dem sich aus planetarischem Material (Staub) Kometen bildeten.

Klassifizierung

Verteilung der bisher bekannten Objekte im Kuipergürtel. Die strahlenförmige Verteilung ist durch die bisherigen, punktuellen Suchprogramme verursacht.

Die bis jetzt (2015) circa 2000 bekannten Objekte dieser Region lassen sich aufgrund ihrer Bahnelemente in mehrere unterschiedliche Gruppen unterteilen:

  • Klassische KBOs (Classical Kuiper Belt Objects, CKBOs, oder Cubewanos) bewegen sich mit kleinen Exzentrizitäten auf nahezu kreisförmigen Bahnen zwischen 41 und 50 AE mit Bahnneigungen von bis zu 30°. Die Bezeichnung Cubewano leitet sich vom Asteroiden (15760) 1992 QB1 ab (sprich Q B One), der als erstes dieser Objekte entdeckt wurde. Etwa zwei Drittel der bekannten KBOs bewegen sich auf einer solchen kreisähnlichen Bahn um die Sonne.
  • Resonante KBOs (Resonant Kuiper Belt Object, RKBOs) sind Objekte, die sich auf resonanten Bahnen zu Neptun bewegen und dadurch in ihrer Bahn stabilisiert werden (z. B. Plutinos mit einer 3:2-Resonanz bei ungefähr 40 AE oder Twotinos mit einer 2:1-Resonanz bei etwa 48 AE). Ein Drittel der heute bekannten KBOs sind resonante KBOs.
  • Gestreute KBOs (Scattered Kuiper Belt Objects, SKBO, oder Scattered disk objects, SDO) bewegen sich mit großen Exzentrizitäten auf Bahnen mit Periheldistanzen nahe 35 AE und Apheldistanzen bis über 2000 AE. Bis jetzt sind erst wenige dieser gestreuten KBOs bekannt (z. B. (15874) 1996 TL66 mit einer stark elliptischen Bahn und einer Bahnneigung von 24°). Je nach Autor wird die Scattered Disk auch als separate Population betrachtet und nicht als Teil des Kuipergürtels.

Seit 1978 ist bekannt, dass Pluto mit Charon einen sehr großen Begleiter hat, man spricht deshalb auch vom Pluto-Charon-System. Zwischen 1997 und 2001 wurden unter den bis dahin bekannten etwa 500 KBOs weitere acht Zweifachsysteme gefunden, die sich auf alle drei KBO-Gruppen verteilen.

Teilregionen des Kuipergürtels (Entfernungen in AE):

Die Balken entsprechen dem Spielraum der mittleren Bahnradien der Objekte der jeweiligen Zonen. Die Gebiete der Objekte, die in Bahnresonanz zu Neptun stehen, sind rot dargestellt. Die Neptunbahn und die Neptun-Trojaner sind nur als Referenz dargestellt und gehören nicht zum Kuipergürtel.

Entstehung

Verteilung der bisher bekannten Objekte im Kuipergürtel senkrecht zur Ekliptik

Die KBOs sind während der Planetenbildung vermutlich nahe der Region entstanden, in der sie heute beobachtet werden. Während sich im dichteren inneren Bereich sehr schnell sehr viele Planetesimale bildeten und sehr bald zu Planeten heranwuchsen, vollzog sich dieser Vorgang in den dünneren äußeren Bereichen sehr viel langsamer. Die Überbleibsel bilden die heute beobachtbaren KBOs.

Die CKBOs bewegen sich nahezu kreisförmig, wie man es für in diesem Bereich entstandene Objekte erwartet. Die teilweise recht großen Bahnneigungen erfordern jedoch einen Mechanismus, der sie aus der Ekliptik ablenkt. Dieser Mechanismus ist noch nicht verstanden:

  • Eine Möglichkeit besteht darin, dass Neptun in den frühen Phasen der Planetenentwicklung massive Planetesimale (größer als die Erde) in den Kuipergürtel gestreut hat. Diese massiven Objekte könnten die großen Bahnneigungen erklären, aber sie hätten auch die resonanten KBOs stärker abgelenkt, als es den heutigen Beobachtungen entspricht.
  • Ein nahe vorbeiziehender Stern verursachte die Auslenkung aus der Ekliptik. Dieser Prozess würde die resonanten KBOs verschonen und auch den äußeren Rand des Kuipergürtels bei 50 AE erklären, aber der Stern hätte sich der Sonne auf einige hundert AE nähern müssen.

Die SKBOs wurden vermutlich während der Entstehung des Planetensystems von den großen Planeten nach außen gestreut. Ein Teil wurde von Neptun auf Bahnen nahe 35 AE Periheldistanz eingefangen, der Rest wurde weiter hinaus gestreut und hat sogar teilweise das Sonnensystem verlassen.

Die Bildungsprozesse der Zweifachsysteme sind bisher reine Spekulation. Das Hauptproblem der meisten Vorschläge ist dabei die große Anzahl dieser Systeme aus großen KBOs.

Große Kuiper Belt Objects (KBOs)

Schematische Darstellung der Verteilung der Objekte des Kuipergürtels; die Entfernung in astronomischen Einheiten (waagerechte Achse) ist gegen die Bahnneigung (senkrechte Achse) abgetragen (rot: resonante KBOs, blau: CKBOs, grau: SKBOs).

Mit Stand 2016 sind acht KBOs bekannt, deren Durchmesser (bei Unsicherheiten von 10–15 %) um 1000 km oder mehr liegt:

Entdeckungsgeschichte

  • 1930 wird mit Pluto das erste Objekt der später als Kuipergürtel bekannten Region des Sonnensystems entdeckt, jedoch noch nicht als solches erkannt, sondern als Planet eingestuft.
  • 1943 stellte Kenneth Edgeworth die Theorie auf über eine Ansammlung kosmischer Objekte jenseits der bekannten Planetenbahnen.
  • 1951 veröffentlicht Gerard Kuiper eine Theorie über Objekte jenseits des Pluto.
  • 1978 wird der Pluto-Trabant Charon entdeckt.
  • 1992 wird mit (15760) 1992 QB1 das erste Objekt jenseits der Plutobahn entdeckt.
  • 1993 werden die ersten Plutinos (nach Pluto) entdeckt, die auch eine Diskussion über den Planetenstatus des Pluto auslösen.
  • 1996 wird mit (15874) 1996 TL66 das erste gestreute KBO entdeckt.
  • 1998 wird mit 1998 WW31 das zweite Zweifachsystem (nach Pluto) entdeckt.
  • 2001 wird mit (20000) Varuna das zweite TNO (nach Pluto/Charon) mit einer Größe von (damals geschätzten) etwa 1000 km entdeckt.
  • 2002 wird (50000) Quaoar entdeckt.
  • 2003 wird mit (90377) Sedna (vorheriger Name 2003 VB12) ein TNO entdeckt, das bisher in kein Schema passt. Es scheint nicht mehr zum Kuipergürtel zu gehören, aber auch noch nicht zur Oortschen Wolke.
  • 2005 wird mit (136199) Eris ein TNO entdeckt, dessen Größe die von Pluto nach ersten Schätzungen übersteigt.
  • 2006 wurden Pluto und Eris von der Internationalen Astronomischen Union offiziell als Zwergplaneten deklariert.

Extrasolare Gürtel

Kuipergürtelähnliche Staubwolke um Fomalhaut

Kuipergürtelähnliche Strukturen scheinen sich auch in anderen Sternensystemen gebildet zu haben. Ein Beispiel ist Fomalhaut, wo ein massereicher Begleiter gefunden wurde, dessen Umlaufbahn innerhalb des Staubgürtels verläuft.

Vergleichbare Planeten sind in unserem Sonnensystem nicht zu erwarten; ihre Existenz würde sich durch eine Verschiebung des Gesamtschwerpunkts relativ zur Sonne bemerkbar machen.

Zooniverse-Projekt IceHunters

Im Rahmen des Citizen-Science-Projekts IceHunters suchten Freiwillige nach Objekten im Kuiper-Gürtel, um ein Nachfolgeziel für die Raumsonde New Horizons zu finden. Hierzu werteten sie Bilder aus, die aus der Subtraktion von in zeitlichen Abständen aufgenommenen astronomischen Aufnahmen gewonnen wurden. Astronomische Kenntnisse waren für diese Tätigkeit nicht notwendig.[2]

Siehe auch

Literatur

  • John K. Davies: The first decadal review of the Edgeworth-Kuiper belt. Kluwer, Dordrecht 2004, ISBN 1-4020-1781-2.
  • Brett Gladman: The Kuiper Belt and the Solar System’s Comet Disk. In: Science. Band 307, Nr. 5706, 7. Januar 2005. doi:10.1126/science.1100553. S. 71–75
  • Christian Vitense et al.: The Edgeworth-Kuiper debris disk. In: Astronomy and Astrophysics. Volume 520, id. A32, 2010. doi:10.1051/0004-6361/201014208

Einzelnachweise

  1. John Davies: Beyond Pluto: Exploring the outer limits of the solar system. Cambridge University Press. xii. Cambridge 2001, S. 191, ISBN 978-0-521-80019-8.
  2. Beschreibung auf Centauri Dreams

Weblinks

Commons: Kuipergürtel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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