Der Laplace-Runge-Lenz-Vektor (auch Runge-Lenz-Vektor, Lenzscher Vektor etc., nach Pierre-Simon Laplace, Carl Runge und Wilhelm Lenz) ist eine Erhaltungsgröße der Bewegung in einem 1/r-Potential (z. B. Coulomb-Potential, Gravitationspotential), d. h. er ist auf jedem Punkt der Bahn gleich. Er zeigt vom Brennpunkt der Bahn (Kraftzentrum) zum nächstgelegenen Bahnpunkt (Perihel bei der Erdbahn) und hat somit eine Richtung parallel zur großen Bahnachse. Sein Betrag ist mit der Exzentrizität der Bahn verknüpft. Der Laplace-Runge-Lenz-Vektor ermöglicht daher die elegante Herleitung der Bahnkurve
In der klassischen Mechanik wird der Vektor hauptsächlich benutzt, um die Form und Orientierung der Umlaufbahn eines astronomischen Körpers um einen anderen zu beschreiben, etwa die Bahn eines Planeten um seinen Stern.
Auch in der Quantenmechanik des Wasserstoffatoms spielt der Vektor als Laplace-Runge-Lenz- oder Laplace-Runge-Lenz-Pauli-Operator eine Rolle.
Sei
ein radialsymmetrisches anziehendes Potential, das mit einer Proportionalitätskonstante
wobei
bezeichnet.
Der dimensionslose Vektor
heißt Exzentrizitätsvektor.[1] Speziell im Keplerproblem mit
Dabei ist
In einem System mit -1/r-Potential gilt Isotropie. Daher gilt Drehimpulserhaltung mit der Konsequenz, dass die Bewegung in einer Ebene senkrecht zum Drehimpuls stattfindet und es eine einfache Beziehung zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit gibt:
Die Winkelgeschwindigkeit bestimmt die Zeitableitung des zweiten Terms von
Die Kraft ist nach dem 2. Newtonschen Gesetz die Änderungsrate des Impulses (und wirkt Richtung Zentrum):
Für den ersten Term von
Durch Subtrahieren folgt nun die Konstanz des Runge-Lenz-Vektors:
Aus
mit
Nun wird
Obwohl sich in der Literatur teilweise die Aussage findet, es existiere zum Laplace-Runge-Lenz-Vektor keine zugehörige Symmetrietransformation der Lagrangefunktion,[2] kann diese offenbar angegeben werden[3].
(Dabei ist zu beachten, welche Formulierung des Noether-Theorems zugrunde liegt. [3] verwendet eine allgemeinere Formulierung, die insbesondere geschwindigkeitsabhängige Transformationen zulässt, während sich die Betrachtungen in [2] auf eine Formulierung beschränken, die nur orts- und zeitabhängige Transformationen zulässt.)
Die Lagrangefunktion eines attraktiven
Die der Erhaltung des Laplace-Rung-Lenz-Vektors zugrunde liegende Symmetrie zeigt sich unter der Variablentransformation
mit drei infinitesimalen Parametern
identifiziert werden. Durch Einsetzen in die Lagrangefunktion und Taylor-Entwicklung bis zur Ordnung
verhält, wobei der zusätzliche Term eine totale Zeitableitung ist und daher die Wirkung des Systems invariant lässt. Aus dem Noether-Theorem folgt, dass die drei Komponenten des Vektors
erhalten sind.
Mit der Hamilton-Funktion des Systems
folgt für die partiellen Ableitungen der Hamilton-Funktion und des Laplace-Runge-Lenz-Vektors nach den Koordinaten und Impulsen
und nach den Hamiltonschen Bewegungsgleichungen
Hierfür ist normalerweise, d. h., wenn man das Arbeiten mit der Energie als Erhaltungsgröße vorzieht, eine aufwändige Integration mit mehreren Substitutionen nötig. Dagegen folgt aus der Multiplikation des Runge-Lenz-Vektors mit
Hierbei wurden die Zyklizität des Spatproduktes und die Drehimpulsdefinition genutzt.
Durch Umschreiben entsteht eine Kegelschnittgleichung in Polarkoordinaten:
wobei der Term
Weiterhin ist ebenfalls die Herleitung des Hodographen der Keplerbahn mithilfe des Laplace-Runge-Lenz-Vektors möglich. Da der Drehimpulsvektor senkrecht auf der Bewegungsebene steht,
mit der Lagrange-Identität und einer zyklischen Permutation des Spatprodukts
Bei einer Wahl des Koordinatensystems, sodass der der Drehimpuls in
Der Hodograph ist somit ein Kreis mit Radius
Sie sind somit unabhängig vom Drehimpuls und vom Laplace-Runge-Lenz-Vektor.
Durch den Runge-Lenz-Vektor ist damit aus den Positions- und Geschwindigkeitvektoren eines beobachteten Objekts die vollständige Form und Orientierung seiner Bahn festgelegt, die in einer Ebene senkrecht zum Dreimpulsvektor liegt.
Die Erhaltung des Runge-Lenz-Vektors impliziert, dass die Ellipsen der Planetenbewegung im Kepler-Potential eine feststehende Orientierung im Raum haben.
Bei kleinen Abweichungen vom 1/r-Potential, z. B. durch Anwesenheit anderer Planeten im Sonnensystem oder infolge der Einsteinschen Relativitätstheorien, kommt es zu einer langsamen Drehung der Bahnachse (Periheldrehung). Wenn eine Abweichung so klein ist, dass ihr Quadrat vernachlässigt werden kann, so ist die Störung der Kepler-Bahn mit Hilfe des Runge-Lenz-Vektors elementar berechenbar.[5] Es sei
Die z-Richtung steht dabei senkrecht zur Bahnebene. Offenbar ist die Bewegung des Runge-Lenz-Vektors nicht zu jedem Zeitpunkt eine Drehung. Eine Drehung ergibt sich aber, wenn infinitesimale Änderungen über einen Umlauf integriert werden. Dafür findet man zunächst
Da quadratische Effekte von
Bei der Kepler-Ellipse ist
wobei
Bei der Störung einer Planetenbahn durch die Anwesenheit anderer Planeten ist das Störpotential nicht unmittelbar von der Form
In der Quantenmechanik kann im Wasserstoffproblem als Analogon zum Laplace-Runge-Lenz-Vektor der hermitesche Operator
definiert werden, wobei
Insbesondere ist in der Quantenmechanik
und aus der Definition des Drehimpulsoperators folgt die Kommutatorrelation
für alle Komponenten des Laplace-Runge-Lenz-Operators. Da dieser selbst nicht zeitabhängig ist, folgt aus den Heisenbergschen Bewegungsgleichungen für quantenmechanische Operatoren
Aus der Vertauschbarkeit des Hamilton-Operators und des Laplace-Runge-Lenz-Operators folgt, dass beide einen Satz gemeinsamer Eigenzustände besitzen und insbesondere ebenfalls der Hamilton-Operator und das Quadrat des Laplace-Runge-Lenz-Operators.
Die Kommutatorrelationen für die einzelnen Komponenten des Laplace-Runge-Lenz-Operators lauten
und für den Kommutator der Komponenten des Laplace-Runge-Lenz-Operator und des Drehimpulsoperators
mit dem Levi-Civita-Symbol
also existiert ein Satz gemeinsamer Eigenzustände zu beiden Sätzen der Operatoren