Die Mikrowellenspektroskopie bzw. (reine) Rotationsspektroskopie ist eine zur Gruppe der Molekülspektroskopie gehörende Untersuchungsmethode, welche Informationen über Rotationen von Molekülen liefert. Daraus lassen sich Moleküle identifizieren und weitere grundlegender Eigenschaften, wie z. B. die Bindungsstärke gewinnen. Sie dient vorzugsweise der Untersuchung von Gasen und Flüssigkeiten. Grundlage der Methode ist die Absorption von elektromagnetischen Wellen im Wellenlängenbereich von ca. 1 cm – 100 µm (Frequenzbereich von ca. 0,5–100 GHz) durch die Anregung von Molekülrotationen und damit einhergehende Übergänge zwischen den Niveaus der Hyperfeinstruktur. Im Gegensatz zur elektronischer und Schwingungsspektroskopie, welche auch Rotationsaufspaltung enthalten können, ist die störende Dopplerverbreitung bei den geringen Frequenzen der Mikrowellen kleiner.[1]
Theoretisch kann das Rotationsspektrum durch das Modell des starren Rotators in der Regel gut beschrieben werden. Hierbei werden Moleküle nach Ihrem Aufbau und Symmetrie in linearer-, sphärischer-, symmetrischer- und asymmetrischer Rotator unterteilt.
Die Rotation eines Moleküls, bei dem Trägheitsmomente um alle drei Hauptträgheitsachsen überein stimmen (sphärischer Rotator, z. B. CH4, CCl4) oder bei dem der Drehimpuls bezüglich der Hauptachse null wird (linearer Rotator, z. B. CO2, HCl, C2H2) kann durch einen starren Rotator mit seiner Rotationsenergie
Der symmetrische Rotator (z. B. CH3Cl, NH3, C6H6) lässt sich bezüglich seiner Trägheitsmomente in zwei Komponenten aufteilen: zwei identische
Das nebenstehende Bild zeigt den Zusammenhang zwischen den energetischen Rotationsniveaus
Die Intensität der einzelnen Peaks resultiert aus der Population des Rotationsniveaus aus dem der Übergang erfolgt. Da Moleküle stets eine gewisse Temperatur
Als Messverfahren kann zum einen bei verschiedenen Frequenzen die Absorption gemessen werden, oder man bedient sich der Fouriertransformation und wertet eine zeitabhängige Absorption nach den darin enthaltenen Frequenzen aus (analog zur NMR-Spektroskopie). Weil die spontane Übergangswahrscheinlichkeit für Emission wegen der geringen Übergangsfrequenz extrem klein ist, wird die Rotationsspektroskopie meist in Absorption gemessen.[4]
Allgemein eignen sich nur Moleküle zur Mikrowellenspektroskopie, die ein Dipolmoment besitzen. Mikrowellenspektren von Gasen zeichnen sich durch scharfe Absorptionslinien aus, da eine freie Rotation der Moleküle möglich ist. Um exakte bzw. möglichst eindeutig zuzuordnende Absorptionsspektren zu erhalten, muss die Wechselwirkung der Moleküle (siehe Druckverbreiterung) untereinander minimiert werden. Meistens wird deswegen mit geringen Mengen gasförmiger Spezies in großen Messbehältern unter geringem Druck gearbeitet.[4]
Die Mikrowellenspektroskopie kann auch zur Aufklärung von Struktur und Dynamik von Flüssigkeiten genutzt werden. Die Spektren von Flüssigkeiten zeichnen sich gegenüber anderen durch sehr breite Absorptionsbanden aus, die durch mehrere Frequenzbereiche gehen. Im Mikrowellenspektrum liefern Moleküle einen Beitrag, die ein Dipolmoment aufweisen. Die Stärke des Dipolmoments geht vorzugsweise in die Stärke der Absorption ein, wogegen die Geschwindigkeit der Molekülbewegung (Taumelrotation) die Lage der Absorptionsbande auf der Frequenzskala bestimmt. Man findet im Allgemeinen einen Zusammenhang zwischen der Viskosität einer Flüssigkeit und der Bewegungsgeschwindigkeit der Dipole.
Rauscharme Mikrowellen im Bereich von 1 bis 100 GHz können durch ein Reflex-Klystron erzeugt werden. Hierbei ist die spektrale Variation schwierig, was hingegen Carcinotrons und Magnetrons erlauben. Auch Mikrowellengeneratoren aus Halbleitern wie GaAs (Gunndiode) oder InP (Avalanche-Diode) werden verwendet. Die Detektion des Signals erfolgt meist mit einer Mikrowellendiode. Zur weiteren Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnis kann die zu untersuchende Probe einem elektrisches Wechselfeld ausgesetzt werden. Die Energieniveaus der Moleküle werden folglich durch den Stark-Effekt verschoben. Das erhaltene Messsignal wird durch die bekannte Frequenz der Feldmodulation korrigiert und mit einem Versuch ohne elektrisches Wechselfeld verglichen.[4]
Durch Anwenden das für die entsprechende Molekülsymmetrie passende Modell (sphärisch, linear, symmetrisch etc.) lassen sich die gesuchten Molekülgrößen bestimmen. Üblicherweise lassen sich Mikrowellenspektren mathematisch mit einer Überlagerung von Debye-Funktionen (benannt nach Peter Debye) beschreiben, wobei jeder einzelnen Debye-Funktion ein Bewegungsvorgang zugeordnet wird.
Mit Hilfe der Mikrowellenspektroskopie von Gasen können Informationen gewonnen werden, wie z. B.:
Die Mikrowellenspektroskopie wird hauptsächlich in der Physikalischen Chemie zur Erforschung von Moleküleigenschaften eingesetzt, die über andere Methoden gar nicht oder nur schwer zu erlangen sind. Dies ist beispielsweise in Astrophysik und Radioastronomie der Fall, um Moleküle im Weltall zu identifizieren oder die Temperatur von Materie im All zu bestimmen. In heutiger Forschung wurde die Mikrowellenspektroskopie zunehmend zugunsten von elektronischer oder Schwingungsspektroskopie mit Rotationsauflösung verdrängt.
Etwa ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung und dem Verständnis der Mikrowellenstrahlung durch Michael Faraday, James Clerk Maxwell und Heinrich Hertz, wurde die Mikrowellenspektroskopie 1946 erstmals angewandt.[5]
1963 wurde mit einem Radioteleskop OH- als erstes Molekül im Weltall detektiert. In den folgenden Jahren wurde eine Reihe von Emissionen von unbekannten Übergängen gemessen. Während die Moleküle OH− und NH3 Schwingungsübergänge zeigten, waren alle anderen gemessenen Übergänge der Moleküle mit permanenten Dipolmoment reine Rotationsübergänge. Die Zuordnung gelang mittels Vergleich mit Laborversuchen. Da die Moleküle im Weltall eine gewisse Geschwindigkeit gegenüber dem Radioteleskop besitzen, mussten die Spektren um den Doppler-Effekt korrigiert werden. Es wurden so lineare und zyklische Moleküle mit einer Atomzahl von 2 bis 13 gefunden. Im Nebel Sagittarius B2, der sich mit einer Geschwindigkeit von 60 km/s bewegt, wurde somit z. B. Cyanoacetylen detektiert.[6]