Die Neutronenreflektometrie ist eine analytische Methode zur Untersuchung von Grenzflächen und dünnen Schichten. Dazu werden Neutronen auf eine Grenzfläche gestrahlt und dort gestreut. Die gestreuten Neutronen werden detektiert und ausgewertet. Das Grundprinzip ist daher vergleichbar mit anderen reflektometrischen Methoden wie der Röntgenreflektometrie oder der Ellipsometrie, die jedoch auf der Reflexion von elektromagnetischer Strahlung basieren.
Die Methode eignet sich für die Gewinnung von Ober- und Grenzflächeninformationen einer Festkörperschicht oder -schichtsystems bis zu einer Tiefe von 150 nm. Besonders Materialien mit magnetischen Eigenschaften lassen sich gut untersuchen.[1] Durch Tiefenabhängigkeit der mittleren Neutronen-Streulängendichte ergibt sich ein hohes Auflösungsvermögen von etwa einem Nanometer, so dass sich unter anderem Interdiffusion zwischen benachbarten Schichten unterschiedlicher Isotope nachweisen lassen.[2] Diese „Isotopensensitivität“ gründet sich darauf, dass Neutronen bevorzugt mit Atomkernen und nicht wie elektromagnetische Strahlung mit der Atomhülle wechselwirken.[3]
Zur Messung wird ein kollimierter Neutronenstrahl mit einer kinetischen Energie von einigen hundertstel Elektronenvolt auf eine (sehr glatte) Grenzfläche gestrahlt und die Intensität der reflektierten Neutronen über den Reflexionswinkel gemessen (gerichtete Reflexion, Reflexionswinkel entspricht dem Einfallswinkel). Dazu ist eine entsprechende Neutronenquelle, beispielsweise Spallationsquelle, und Neutronenleiter notwendig. Der Form des Intensitätsprofils liefert verschiedene Informationen über die gemessene Oberfläche, wie die Schichtdicke, Dichte oder Grenzflächenrauhigkeit.
Gemäß der Theorie von Louis de Broglie können mikroskopische Teilchen wie Neutronen als Materiewelle beschrieben und ihnen eine charakteristische Wellenlänge zugeordnet werden. Diese Wellenlänge hängt vom Impuls $ p $ der Neutronen ab:
wobei $ h $ das plancksche Wirkungsquantum ist. Für Neutronen mit einer kinetischen Energie von einigen hundertstel Elektronenvolt beträgt die De-Broglie-Wellenlänge und somit das theoretische Auflösungsvermögen einige Zehntel Nanometer.
Mathematisch gesehen, kann unter anderem durch diese Zusammenhänge die Reflexion von Neutronen ähnlich der Reflexion von elektromagnetischer Strahlung beschrieben werden.[3] Das heißt, man definiert für das Material einen komplexen Brechungsindex $ n=1-\delta +i\beta $ und nutzt die aus der Optik bekannten Gesetzmäßigkeiten (vgl. Brechungsgesetz, fresnelsche Gleichungen, Abelès-Matrixformalismus[4] und Parratt-Rekusionsformel[5]). Die Form der Darstellung bietet sich an, da wie im Röntgenbereich der Realteil des Brechungsindexes sehr nahe bei 1 liegt. In der Literatur findet man daher oft nur die sogenannte Dispersion $ \delta $ angegeben. Sie liegt in der Regel in der Größenordnung von 10−6. Der Absorptionskoeffizient kann in vielen Fällen vernachlässigt werden, da er außer für stark absorbierende Isotope wie z. B. Bor oder Lithium in der Größenordnung von 10−12 liegt.[3]
Ähnlich wie bei Röntgenstrahlung tritt aufgrund des minimal geringeren Realteil des Brechungsindexes als bei Luft/Vakuum auch bei Neutronen externe Totalreflexion auf, wenn die Neutronen sehr flach, das heißt bei Einfallswinkeln nahe 90° (vom Lot), auf die glatte Probe einfallen, sogenannter streifender Einfall. Dieser Messaufbau bietet sich an, da andernfalls die Intensität der reflektierten Neutronen zu gering bzw. die Verluste zu hoch für eine Auswertung wäre.
Neben der gerichteten Reflexion gibt es noch zwei weitere Probentechniken unter streifenden Einfall:
Die Methoden unterscheiden sich nicht nur in der Art und Weise wie das Neutronenspektrum aufgenommen wird und welche Streumechanismen wirken, sondern auch in der Informationstiefe. wie oben erwähnt liegt die Informationstiefe bei der gerichteten Reflexion im Bereich von 3 nm bis 100 nm (manchmal auch 150 nm). Bei der Streuung senkrecht zur Einfallsebene liefert die Neutronenreflektrometrie ähnliche Tiefeninformationen (3 nm bis 100 nm). Anders jedoch die Off-specular-scattering-Technik, die liefert Informationen aus dem Bereich 600 nm bis 60 µm Tiefe.[6]
Im Unterschied zur „optischen“ Reflektometrie erfolgt die Darstellung der Messergebnisse normalerweise nicht in Form der Reflexions-, Absorptions- oder Transmissionsgrads in Abhängigkeit vom Winkel oder der Wellenlänge, sondern es wird der Reflexionsgrad (Reflektivität) als Funktion des Impulsübertrags $ q_{z} $ (in z-Richtung, senkrecht zur Grenzfläche) dargestellt. Der Impulsübertragungsvektor beschreibt die Änderung des Neutronenimpulses bei der Reflexion an dem Material und lässt sich wie folgt mathematisch erfassen.
Hierbei ist $ \lambda $ die De-Broglie-Wellenlänge und $ \theta $ der Einfallswinkel der Neutronen.