Physikalische Kennzahl | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Name | Nußelt-Zahl | ||||||
Formelzeichen | |||||||
Dimension | dimensionslos | ||||||
Definition | |||||||
| |||||||
Benannt nach | Wilhelm Nußelt | ||||||
Anwendungsbereich | Wärmeübergang |
Die Nußelt-Zahl
Die Nußelt-Zahl ist definiert als[1]
Dabei gehen ein:
Zwei physikalische Systeme sind „geometrisch ähnlich“, wenn alle ihre korrespondierenden Abmessungen in demselben Zahlenverhältnis zueinander stehen[2] (z. B. ein Originalsystem und ein um einen bestimmten Faktor verkleinertes Modellsystem). Sie sind darüber hinaus auch „physikalisch ähnlich“, wenn ihre korrespondierenden physikalischen Größen in jeweils konstanten Verhältnissen zueinander stehen (wenn also z. B. alle Kräfte, alle Geschwindigkeiten usw. im Modellsystem um einen jeweils bestimmten Faktor kleiner oder größer sind als die entsprechenden Kräfte und Geschwindigkeiten im Originalsystem).[2] Die Ähnlichkeitstheorie besagt, dass zwei geometrisch ähnliche Systeme auch physikalisch ähnlich sind, wenn die dimensionslosen Kennzahlen, welche die beiden Systeme beschreiben, in beiden Fällen dieselben Zahlenwerte haben.[2][3]
Die Nußelt-Zahl ist eine dieser dimensionslosen Kennzahlen. Sie hat im Modellsystem und im Originalsystem denselben Zahlenwert, wenn das Modell dem Original geometrisch ähnlich ist und geeignet gewählten Bedingungen ausgesetzt ist, so dass es dem Original auch physikalisch ähnlich ist. Wird die Nußelt-Zahl am Modell bestimmt, ist sie auch für das Original bekannt. Sie kann dann beispielsweise dazu verwendet werden, den Wärmeübergangskoeffizienten
Die Möglichkeit, an einem Modellsystem gewonnene Messwerte auf das Originalsystem zu übertragen, wenn die Nußelt-Zahlen beider Systeme aufeinander abgestimmt sind, wurde bereits angesprochen.
In einfachen Geometrien ist in der Regel offensichtlich, welche Abmessung dabei als charakteristische Länge zu wählen ist. Stehen mehrere Abmessungen zur Wahl (im Fall des durchströmten Rohres kann beispielsweise der Radius oder der Durchmesser des Rohres gewählt werden), dann kann die Wahl beliebig getroffen werden, muss aber in allen zu vergleichenden Systemen dieselbe sein. Der Zahlenwert der ermittelten Nußelt-Zahl hängt zwar von der Wahl ab, die Gleichheit der Nußelt-Zahlen physikalisch ähnlicher Modelle bleibt aber bei Verwendung der jeweils korrespondierenden Abmessungen erhalten. Sollen die Zahlenwerte der Nußelt-Zahlen eines Systems tabelliert werden, so ist im Zweifel anzugeben, welche Abmessung verwendet wurde.
Für häufig benötigte Systeme können Messungen auch geeignet zusammengefasst und tabelliert werden. Es ist zu erwarten, dass die Nußelt-Zahl von den Eigenschaften der verwendeten Fluide[Anm. 1] abhängt, wie deren Geschwindigkeit, Dichte, Viskosität, Wärmekapazität usw. Wie eine Analyse der Transportgleichungen zeigt, können diese Eigenschaften ebenfalls zu dimensionslosen Zahlengruppen zusammengefasst werden, nämlich der Prandtl-Zahl
oder im Falle freier Konvektion
Betrachtet man stattdessen die über das System gemittelte Nußelt-Zahl
und im Falle freier Konvektion
Der funktionale Zusammenhang
mit geeigneten Konstanten
Die mittlere Nußelt-Zahl einer vertikalen Fläche der Höhe
Bei der Wärmeübertragung einer horizontal liegenden Flächen müssen folgende zwei Fälle unterschieden werden:
In beiden Fällen ist die charakteristische Länge
Ist Wärmeabgabe nach oben oder Wärmeaufnahme von unten so kann die mittlere Nußelt-Zahl durch folgende Beziehung dargestellt werden[11]
Ist Wärmeabgabe nach unten oder Wärmeaufnahme von oben so gilt[12]
Die mittlere Nußelt-Zahl auf einer parallel angeströmten Platte der Länge
woraus für zahlreiche Fluide und Strömungsgeschwindigkeiten der mittlere Wärmeübergangskoeffizient
Wind ströme eine Hausfassade der Breite
Als repräsentativ für die Temperatur der Grenzschicht zwischen Fluid und Oberfläche wird in der Regel der Mittelwert von Fluidtemperatur und Oberflächentemperatur angesetzt. Die Eigenschaften der Luft werden also für 20 °C ausgewertet. Es sind[14]
charakteristische Länge | : | 4 | m, | Dichte | : | 1,188 | kg/m³ | |||
Strömungsgeschwindigkeit | : | 2 | m/s, | Wärmeleitfähigkeit | : | 0,02569 | W/(m K) | |||
spezifische Wärmekapazität | : | 1007 | J/(kg K), | kinematische Viskosität | : | 153,5·10−7 | m²/s |
Damit ergibt sich für die Reynolds-Zahl
und für die Prandtl-Zahl
Die Aufgabenstellung beschreibt eine parallel angeströmte Fläche, die im vorigen Abschnitt vorgestellte Korrelation kann also benutzt werden. Aus ihr folgt die mittlere Nußelt-Zahl
und daraus der mittlere Wärmeübergangskoeffizient
Für eine breitere Fläche oder eine höhere Windgeschwindigkeit überschreitet die Reynoldszahl allerdings zunehmend den kritischen Wert
Trotz der unanschaulichen Definition der Nußelt-Zahl als dimensionslose Zahlengruppe, die in der Ähnlichkeitstheorie als System-Kennzahl auftritt, sind für manche Systeme anschauliche Interpretationen möglich.
Im ungestörten Bereich der Fluidströmung geschieht der Wärmetransport sowohl durch Wärmeleitung innerhalb des Fluids als auch durch Konvektion im Fluid. Die Temperatur des Fluids kann in diesem Bereich als räumlich und zeitlich konstant angesehen werden. In der Nähe der Wand nimmt die Geschwindigkeit des strömenden Fluids jedoch reibungsbedingt ab und geht unmittelbar an der Wand auf Null zurück (Haftbedingung). In dem Bereich, in dem die Strömungsgeschwindigkeit allmählich vom ungestörten Wert bis auf Null abnimmt, nimmt auch der Beitrag der Konvektion zum Wärmetransport ab, bis unmittelbar an der Wand nur die Wärmeleitung als einziger Transportmechanismus übrigbleibt. Der Bereich, in dem die Temperatur von der Temperatur der ungestörten Strömung allmählich in die Wandtemperatur übergeht,[Anm. 2] ist eine Grenzschicht, die für den Wärmeübergang zwischen Wand und Fluid wegen des verringerten Wärmetransports einen Widerstand darstellt. Der Wärmeübergangskoeffizient
Obwohl an dieser Wärmestromdichte in der Regel sowohl (eingeschränkte) Konvektion wie auch Wärmeleitung als Transportmechanismen beteiligt sind, bezeichnet man sie üblicherweise kurz und pauschal als „konvektiv“.
Die Nußelt-Zahl lässt sich auffassen als das Verhältnis der realen durch die Grenzschicht fließenden konvektiven Wärmestromdichte
ist nämlich
Mit anderen Worten: Die Nußelt-Zahl drückt aus, um welchen Faktor die Wärmeübertragung aufgrund der Konvektion stärker ist als wenn reine Wärmeleitung wirken würde.
Diese Betrachtungsweise ist besonders anschaulich, wenn der Wärmefluss durch eine Luftschicht betrachtet und die Dicke dieser Luftschicht als charakteristische Länge
Man denke sich die Grenzschicht, in der verschiedene Strömungsgeschwindigkeiten vorhanden sind, ersetzt durch eine vollständig ruhende Fluidschicht der Dicke
Soll durch die Ersatzschicht derselbe Wärmestrom fließen wie durch die reale Grenzschicht,
so muss für
und die Nußelt-Zahl lässt sich schreiben als
Sie lässt sich also auch auffassen als das Verhältnis der charakteristischen Länge
Der durch die Grenzschicht fließende konvektive Wärmestrom ist gegeben durch
wenn
Andererseits ist wegen der Haftbedingung das Fluid in unmittelbarer Nähe der Wand völlig ruhend, so dass der Übergang der Wärme von der Wand in den an die Wand angrenzenden Fluidbereich durch reine Wärmeleitung geschieht. In diesem Grenz-Fluidbereich wird der Wärmestrom allein durch den unmittelbar an der Wand
Die beiden Formeln müssen denselben Wert für die Wärmestromdichte liefern.[Anm. 3] Gleichsetzen und beidseitige Multiplikation mit einer charakteristischen Länge
und weiter
so dass die Nußeltzahl sich schreiben lässt als
mit der dimensionslosen Temperatur
Die Nußelt-Zahl lässt sich daher auffassen als der negative dimensionslose fluidseitige Temperaturgradient an der Wand.[19]
Umschreiben
zeigt, dass die Nußelt-Zahl außerdem angibt, wievielmal das aus dem konvektiven Wärmeübergang resultierende Temperaturprofil steiler ist als ein aus reiner Wärmeleitung im Fluid resultierendes Profil.[16]
Die Biot-Zahl wird formal ähnlich der Nußelt-Zahl gebildet. Anders als bei der Nußelt-Zahl beziehen sich Wärmeleitfähigkeit und charakteristische Länge aber nicht auf das Fluid, sondern auf den festen Körper.