Das orthorhombische Kristallsystem gehört zu den sieben Kristallsystemen in der Kristallographie. Es umfasst alle Punktgruppen mit drei senkrecht aufeinander stehenden zweizähligen Dreh- oder Drehinversionsachsen. Das orthorhombische Kristallsystem wird auch rhombisches Kristallsystem genannt. Der Begriff rhombisch darf allerdings nicht mit rhomboedrisch verwechselt werden.
Das orthorhombische Kristallsystem umfasst die Punktgruppen $ \ 222,\,mm2 $ und $ \ mmm $. Sie bilden die orthorhombische Kristallfamilie und können mit dem orthorhombischen Gittersystem beschrieben werden.
Das orthorhombische Gittersystem hat die Holoedrie $ \ mmm $.
Im orthorhombischen Gittersystem liegen Gitterachsen in Richtung der 3 senkrecht aufeinander stehenden Symmetrieachsen. Für die Länge der Gitterachsen erhält man keine weiteren Bedingungen. Somit ergibt sich:
Für die Festlegung, welche Achse a, b oder c ist, gibt es nur die Bedingung, dass ein rechtshändiges Koordinatensystem entstehen soll. In der Regel werden die Achsen so gewählt, dass das Hermann-Mauguin-Symbol dem Standard der International Tables for Crystallography entspricht. Mit den Hermann-Mauguin-Symbolen lassen sich die Raumgruppen allerdings bezüglich jeder möglichen Achsenwahl beschreiben. Da dies auch häufiger vorkommt, gibt es in den International Tables eine tabellarische Übersicht über alle Möglichkeiten, eine Raumgruppe mit einer beliebigen Achsenwahl zu beschreiben. Grundsätzlich empfiehlt es sich daher bei der Angabe der Raumgruppe, die Raumgruppennummer mitzuverwenden, da sie damit leichter zu finden ist.
Im orthorhombischen Kristallsystem gibt es vier Bravaisgitter. In der Standardaufstellung kommt das b-zentrierte Gitter nicht und das a-zentrierte Gitter nur in der Punktgruppe $ \ mm2 $ vor. Dies ist dadurch begründet, dass in dieser Punktgruppe das Gittersystem grundsätzlich so aufgestellt wird, dass die zweizählige Achse in Richtung der c-Gitterachse liegt. Daher gelingt es nicht in allen Fällen die Gitterachsen so zu legen, dass ausschließlich das c-zentrierte Gitter verwendet wird. Das orthorhombische Gittersystem wird mit o abgekürzt.
Zur Beschreibung der orthorhombischen Kristallklassen in Hermann-Mauguin-Symbolik werden die Symmetrieoperationen bezüglich drei vorgegebener Richtungen (Blickrichtungen) im Gittersystem angegeben. Wie im monoklinen entsprechen die 3 Blickrichtungen der a (<100>), b (<010>) und c Gitterachse (<001>). Da hier alle drei Gitterrichtungen Symmetrierichtungen sind, besteht allerdings auch das Hermann-Mauguin-Kurzsymbol aus drei Angaben.
Charakteristisch für die orthorhombischen Raumgruppen ist, dass im Hermann-Mauguin-Kurzsymbol keine 3, 4 oder 6 vorkommt.
Punktgruppe (Kristallklasse) | Physikalische Eigenschaften[Anm. 1] | Beispiele | ||||||||||
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Nr. | Kristallsystem | Name | Schoenflies-Symbol | Internationales Symbol (Hermann-Mauguin) |
Laueklasse | Zugehörige Raumgruppen (Nr.) |
Enantiomorphie | Optische Aktivität | Pyroelektrizität | Piezoelektrizität; SHG-Effekt | ||
Voll | Kurz | |||||||||||
6 | orthorhombisch | orthorhombisch-disphenoidisch | D2 (V) | 222 | 222 | mmm | 16–24 | + | + | – | + | Austinit Epsomit |
7 | orthorhombisch-pyramidal | C2v | mm2 | mm2 | 25–46 | – | + | + [001] | + | Hemimorphit Struvit | ||
8 | orthorhombisch-dipyramidal | D2h (Vh) | 2/m2/m2/m | mmm | 47–74 | – | – | – | – | Topas Anhydrit | ||
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