Als Persönliche Gleichung wird bei Sternbeobachtungen in der Astronomie und Geodäsie die durchschnittliche Reaktionszeit des Beobachters bezeichnet. Sie beträgt je nach Messmethode und Erfahrung des Beobachters zwischen einigen Hundertstel- und Zehntelsekunden.
Anders als die zufälligen Zeitfehler, die sich bei der Mittelung vieler Messungen großteils herausheben, wirkt die persönliche Gleichung als systematischer Fehler immer in dieselbe Richtung. Sie beeinflusst daher die Messergebnisse merklich, sodass man sie durch Referenzmessungen oder spezielle Experimente (z. B. künstlicher Stern) bestimmen und rechnerisch berücksichtigen muss.
Auch bei automatisierten Messungen (durch optoelektronische Sensoren oder Ähnliches) gibt es kleine systematische Effekte, die analog instrumentelle Gleichung genannt werden. Für eine Messgenauigkeit von beispielsweise 0,1″ muss die Zeit bei Teleskopen auf der Erdoberfläche auf die Hundertstelsekunde (0,01 s) gemessen werden, weil sich die Sterne zufolge der Erdrotation um etwa 5 bis 15″ pro Sekunde bewegen.
Die Persönliche Gleichung hat – wie der Name andeutet – für jeden Beobachter einen charakteristischen Wert, der meist über Zeiträume von vielen Monaten recht stabil ist. Er ändert sich auch nur relativ wenig durch Müdigkeit oder äußere Umstände. Deshalb kann dieser Wert sehr verlässlich durch Referenzmessungen (bei denen das Soll-Ergebnis bekannt ist) bestimmt werden und von den gemessenen Zeiten abgezogen werden. Außerdem hängt die Persönliche Gleichung von der Erfahrung des Beobachters ab. In der Fachliteratur werden folgende typische Werte angegeben:
So kurze Reaktionszeiten mögen dem Laien unglaubwürdig erscheinen, liegen sie doch weit unter der sogenannten Schrecksekunde. Ein Sterndurchgang ist jedoch nicht überraschend, sondern genau vorhersehbar.
Ist ein Ereignis hingegen wirklich unerwartet – zum Beispiel eine Sternschnuppe – so muss auch ein erfahrener Astronom mit einer größeren Verzögerung rechnen, die bis zu 1 Sekunde betragen kann. Bis zu einem gewissen Grad kann man sie im Nachhinein (in der Vorstellung, am besten bei geschlossenen Augen) abschätzen.
Zahlreiche Verfahren der Astrometrie und Astrogeodäsie beruhen auf der Messung von Sterndurchgängen durch ein Fadenkreuz oder Fadennetz eines geeigneten Fernrohrs. Zu erwähnen sind unter anderem die genaue Bestimmung der Sternzeit und der Sternörter (Rektaszension, Deklination), der geografischen Koordinaten (exakter: astronomische Breite und Länge) – insbesondere für Lotabweichung und Geoidbestimmung – sowie für die Richtungsbestimmung (Azimut) und die Größe von Himmelskörpern.
Bei der Messung eines Sterndurchgangs im Gesichtsfeld eines Theodolits oder Durchgangsinstruments registriert der Beobachter den Zeitpunkt, zu dem sich der Stern genau hinter dem Faden befindet oder von ihm „biseziert“ wird. Dies kann mittels digitaler Stoppuhr, mit Handtaster und Chronograf oder mit Auge-Ohr-Methode erfolgen. Über die Nachführung am beweglichen Faden siehe unten.
Die vom Beobachter erreichbare, mittlere Genauigkeit wird Durchgangsfehler genannt. Abgesehen von Fehlern im Zeitsystem (z. B. Uhrenfehler, Zeitzeichen) und bei der Einrichtung des Instruments kommt es beim Sterndurchgang – oder einer ganzen Serie von „Fadenantritten“ – zur Überlagerung zweier persönlicher Einflüsse:
Der erste Einfluss ist unvermeidlich, aber auf etwa 0,03 s konstant. Der zweite kann durch ruhige Aufmerksamkeit beziehungsweise mit zunehmender Erfahrung minimiert werden und lässt sich durch spezielle Messanordnungen eliminieren, zum Beispiel durch ein Umkehrprisma oder die Beobachtung symmetrischer Sternpaare.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfand der Instrumentenbauer Johann Adolf Repsold das nach ihm benannte Registriermikrometer. Ein im Fadennetz beweglich angeordneter Faden lässt sich dem Stern nachführen und ist mit einer Messspindel verbunden, die in genau definierten Abständen elektrische Kontakte schließt. Bildet man das Mittel der so registrierten Zeiten, entspricht dies dem Sterndurchgang am Mittelfaden des Gesichtsfeldes.
Das Repsold’sche Mikrometer wird auch unpersönliches Mikrometer genannt, obwohl es die Persönliche Gleichung nicht völlig eliminiert. Es verringert jedoch die systematischen Messfehler erheblich. Sie lassen sich – analog zu oben – in zwei Anteile zerlegen, den Bisektions- und den Nachführfehler.
Um den Beobachter vom konzentriert-gleichmäßigen Drehen des Registriermikrometers zu entlasten, hat man für einige größere Instrumente (Meridiankreis, Danjon-Astrolabium, Zirkumzenital) eine motorgetriebene Nachführung konstruiert, die nur noch geringfügig der Sterngeschwindigkeit anzupassen ist. Sie verringert die Persönliche Gleichung abermals, wobei die Restbeträge sehr konstant und durch Messung an Referenzstationen gut bestimmbar sind. Beim Danjon-Astrolab muss der Beobachter zwei entgegengesetzt laufende Sternbilder mit einem Handrad auf gleicher Höhe halten, was auf circa 0,01 s gelingt.
Gänzlich kann die Persönliche Gleichung nur durch automatische Beobachtungsmethoden vermieden werden:
Jedoch erkauft man sich dies mit instrumentellen Fehlern, die teilweise nur schwer mathematisch zu modellieren sind.
Als man in den 1970er-Jahren in den Genauigkeitsbereich der Millisekunden vordringen wollte, waren diese kleinen Restfehler ein nur schwer zu überwindendes Hindernis. Daher wurden die geschilderten Messverfahren nach und nach durch andere, voll automatisierbare Messprinzipien ersetzt:
Nach wie vor sind jedoch Methoden im Einsatz, bei denen die Persönliche Gleichung eine zwar geringe, aber doch noch eine Rolle spielt, so etwa bei der genauen Bestimmung astronomischer Längendifferenzen (so genannter Längenausgleich über kontinentale Vermessungsnetze), für Referenzstationen der absoluten Lotabweichung, für ein kontinentales „Zentimetergeoid“ (insbesondere mit dem Ni2-Astrolab im Hochgebirge) und für einige Sonderzwecke.
Da sich die Persönliche Gleichung eines visuellen Beobachters in fast allen Fällen rechnerisch beseitigen lässt (Restfehler je nach Methode und Aufwand unter 0,01 bis 0,03 s), bleibt die Frage nach weiteren Automatisierungsmethoden eine solche nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Für das Monitoring zum Beispiel der Erdrotation und der Polbewegung ging sie um 1980 an die modernen Satelliten- und Quasar-Methoden (siehe Kosmische Geodäsie und IERS), während für Expeditionen und einige Geoid-Projekte weiterhin die Astrogeodäsie geeignete Methoden anbietet.
Als Entdecker der Persönlichen Gleichung gilt der Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel, der 1821 über systematische Versuche berichtete, die er mit seinem Assistenten Walbeck hierzu durchgeführt hatte.[1]