Die Physik ist neben der Metaphysik und der Nikomachischen Ethik eines der Hauptwerke des Aristoteles. Sie entstand um 347 v. Chr. und befasst sich mit der Erklärung und Erläuterung (Definition) einiger grundlegender Begriffe, die bei der Beschreibung von Naturvorgängen im täglichen Leben gebraucht werden. Die wichtigsten davon sind: Raum, Zeit, Bewegung und Ursache. Es handelt sich nicht um eine mathematische Darlegung der Grundzüge der Natur in heutigem Sinne.
Aristoteles zufolge bezeichnen viele Worte zunächst „unbestimmt ein Ganzes“ (184 b). Die Zerlegung des Begriffs in seine Bestandteile bedeutet eine Erkenntnis, da es den Begriff auf seine Grundbausteine zurückführt (vgl. Physik I, 1). Bei der Definition der fraglichen Begriffe geht Aristoteles immer wieder gleich vor: Er betrachtet als erstes eine Reihe von Definitionsvorschlägen seiner Vorgänger (Platon und die Vorsokratiker). Er zeigt, dass diese nicht zufriedenstellen können, da sie eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen (Aporien) mit sich bringen. Dann schlägt er seine eigene Definition vor. Er weist nach, dass diese die Schwierigkeiten vermeidet und dass sie doch die wertvollen Intuitionen, die in den Definitionsversuchen der Vorgänger steckten, bewahrt. In Aristoteles’ eigenen Worten:
In Kapitel I 7 geht es in erster Linie um den Begriff der Veränderung. Dabei kann sich die Form (die Summe der Eigenschaften) an der Materie ändern oder die Materie selbst. Außerdem nimmt Aristoteles hier die Akt-Potenz-Lehre aus der Metaphysik vorweg.
Aristoteles versteht unter Bewegung (altgriechisch: κίνησις kínēsis) jegliche Art von Veränderung. Er fasst den Begriff also in einem weiteren Sinne auf als heute üblich. Die Bewegung in diesem Sinne kann als der fundamentale Begriff der Physik angesehen werden. Mit ihm beschäftigen sich die Kapitel III 1–3, V 1–2 und Buch VII. Aristoteles definiert Bewegung wie folgt: „Das endliche Zur-Wirklichkeit-Kommen eines bloß der Möglichkeit nach Vorhandenen, insofern es eben ein solches ist – das ist Bewegung“ (201 a). Nach Aristoteles’ Auffassung muss jede Veränderung bereits in den Möglichkeiten des sich verändernden Dings angelegt sein. Wird diese Anlage realisiert, dann ist dies eine Veränderung. Aristoteles selbst gibt folgendes Beispiel: „Wenn etwas, das gebaut werden kann, insofern wir ebendiese Eigenschaft von ihm aussagen, zu seiner endlichen Verwirklichung kommt, dann wird es eben gebaut und dies ist dann ‚Bauen‘“ (ebd.).
Aristoteles zufolge ist alles das „naturbeschaffen“, was „in sich selbst einen Anfang von Veränderung und Bestand hat“ (192 b). Demgegenüber stehen die hergestellten Dinge (Artefakte), die vom Menschen durch Kunst (τέχνη téchnē) erschaffen und erhalten werden, damit also keinen „Anfang in sich selbst“ haben.
In Kapitel II 3 entwickelt Aristoteles das berühmte Vier-Ursachen-Schema:
Nach heutigem Sprachgebrauch würden wir eigentlich nur die Wirkursache als Ursache bezeichnen. Die vier Ursachen des Aristoteles kann man als vier verschiedene Erklärungsmuster auffassen, die beantworten, warum ein bestimmtes Ding in seiner bestimmten Eigenart existiert.
Eine Darstellung der Vier-Ursachen-Lehre findet sich auch in Aristoteles' Metaphysik, in der er unter anderem seine Wissenschaftstheorie entfaltet. (Metaphysik, Buch A, 3. Kapitel, 983a)
Mit der Definition von Zufall und Fügung befasst sich Physik II 4–9. Aristoteles’ Definition von Zufall lautet: „Wenn im Bereich der Geschehnisse, die im strengen Sinn wegen etwas eintreten und deren Ursache außer ihnen liegt, etwas geschieht, das mit dem Ergebnis nicht in eine Deswegen-Beziehung zu bringen ist, dann nennen wir das ‚zufällig‘.“ (197 b). Sein Beispiel ist folgendes: Ein Pferd entgeht dadurch, dass es aus dem Stall herauskommt, einem Unglück, es ist aber nicht herausgekommen, weil es dem Unglück entgehen wollte (es wusste nichts von dem drohenden Unglück). In diesem Fall würde man sagen: „Das Pferd ist zufällig herausgekommen“. Die Ursache ist hier das Herauskommen, das Ergebnis ist, dass es dem Unglück entgeht, und zwischen beiden gibt es keine „Deswegen-Beziehung“ (das Pferd ist nicht herausgekommen, um dem Unglück zu entgehen), daher ist das ganze zufällig.
Eine interessante Stelle findet sich in 198 b: Aristoteles scheint hier Empedokles viele Jahrhunderte vor Charles Darwin eine erste Evolutionstheorie zuzuschreiben, welche die Elemente der Mutation und der Selektion enthält („[...] da erhielten sich diese Gebilde, die rein zufällig in geeigneter Weise zusammengetreten seien. Wo es sich nicht so ergab, da gingen sie unter [...]“). Diese Theorie wird aber von Aristoteles abgelehnt.
Mit diesem Begriff befassen sich die Kapitel III 4–8. Aristoteles unterscheidet zwischen einer Unendlichkeit in Bezug auf Teilung (Division) und auf „Hinzusetzung“ (Addition). Er erläutert den Begriff wie folgt: „Es ergibt sich so, dass ‚unbegrenzt‘ das Gegenteil von dem bedeutet, was man dafür erklärt: Nicht, ‚was nichts außerhalb seiner hat‘, sondern ‚wozu es immer ein Äußeres gibt‘, das ist unbegrenzt.“ (207 a). Mit seiner Definition wendet Aristoteles sich gegen die Vorstellung einer sog. aktualen Unendlichkeit, d. h. gegen die Vorstellung, es existiere etwas unendlich großes, das als ganzes vorliegt. Ihm zufolge gibt es nur sog. potentielle Unendlichkeiten, d. h. Mengen, zu denen immer wieder ein weiteres Element hinzugefügt werden kann. Diese sind jedoch niemals vollständig vorhanden.
Aristoteles behandelt nicht den Raum im modernen Sinne, sondern erörtert in IV 1–5 den Ort. Seine Definition des Ortsbegriffs lautet: „Die unmittelbare, unbewegliche Grenze des Umfassenden – das ist Ort“ (212 a). Die Idee dabei ist, dass der Ort einen Körper – z. B. einen Tisch – „unmittelbar umfasst“, so wie ein sehr passgenauer Handschuh die Hand. Im Gegensatz zum Handschuh ist der Ort aber „unbeweglich“, d. h. wird der Tisch fort getragen, so wird sein Ort nicht mitbewegt, sondern der Tisch kommt an einen anderen Ort.
Mit dem Begriff der Leere befassen sich die Kapitel IV 6–9. Aristoteles argumentiert hier dafür, dass es keine Leere geben kann (vgl. Horror vacui), wobei er als „leer“ einen Ort bezeichnet, „an dem nichts ist“ (213 b). Diese Argumentation wurde 1647 von Blaise Pascal mit dem Experiment Leere in der Leere scheinbar widerlegt. Die moderne Physik favorisiert Aristoteles’ Auffassung teilweise. Aus quantenmechanischer Sicht gibt es überall Vakuumfluktuationen.
Aristoteles’ Ausführungen zur Zeit finden sich in IV 10–14. Er definiert Zeit als „die Zahl der Bewegung hinsichtlich des ‚davor‘ und ‚danach‘“ (219 b), und zwar Zahl im Sinn einer teilbaren Größe. Dahinter steht die Überlegung, dass wir Veränderungen (z. B. das Wachstum einer Pflanze) anhand von anderen Veränderungen quantitativ messen. Bei diesen zweiten Veränderungen handelt es sich um gleichförmige Ortsveränderungen (heute die Bewegung von Uhrzeigern, früher die scheinbare Bewegung der Sonne). Insofern können wir dort ein Davor und ein Danach ausmachen, dies wird dann auf zeitliche Abläufe übertragen.
Zu beachten ist hier, dass Aristoteles den Begriff der Veränderung als grundlegend ansieht und den Begriff der Zeit anhand von bestimmten Veränderungen, nämlich gleichförmigen Ortsveränderungen, konstruiert. Nach moderner Auffassung ist umgekehrt der Begriff der Zeit fundamental und der Begriff der Bewegung davon abgeleitet.
In Kapitel V 3 und in Buch VI erläutert Aristoteles Begriffe wie zusammenhängend (Dinge, „deren Ränder eine Einheit bilden“; 231 b), in Berührung („deren Ränder beisammen sind“, ebd.), in Reihenfolge („bei denen sich nichts Gleichartiges zwischen ihnen findet“, ebd.) und weitere in diesen Zusammenhang gehörigen Ausdrücke. Diese Begriffsbestimmungen dienen ihm zur Auseinandersetzung mit dem Atomismus (Demokrit) und atomistischer Vorstellungen der Zeit. Beide Theorien lehnt Aristoteles ab. Er befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit einer Widerlegung der Paradoxien des Zenon von Elea.
Im letzten Buch der Physik (Buch VIII) und im Vorfeld seiner Theologie (Buch XII der Metaphysik) argumentiert Aristoteles für die Notwendigkeit eines „unbewegten Bewegers“, d. h. einer Kraft, die alle Bewegung auf der Welt verursacht. Diese Theorie inspiriert Thomas von Aquin später zu seinem so genannten kosmologischen Gottesbeweis.