Eine schiefe, schräge oder geneigte Ebene (kurz respektive umgangssprachlich: Hang, Schiefe, Schräge bzw. Neigung) ist in der Mechanik eine ebene Fläche, die gegen die Horizontale geneigt ist. Sie wird verwendet, um den Kraftaufwand zur Höhenveränderung einer Masse zu verringern – der Arbeitsaufwand bleibt jedoch unverändert, da sich die Wegstrecke entsprechend verlängert (ähnlich wie beim Hebel oder dem Flaschenzug). Die schiefe Ebene gehört seit dem Altertum zu den elementarsten sogenannten einfachen Maschinen. Auf ihr beruhen zahlreiche mechanische Wirkweisen, sie bildet beispielsweise die Basis anderer einfacher Maschinen wie Keil oder Schraube.
Schiefe Ebenen finden sich in Form von Rampen z. B. als Laderampen, Fahrrad-, Rollstuhlrampen oder Auffahrrampen bei Autotransportern. Sie dienen dazu, Höhenunterschiede für Fahrzeuge zu überwinden oder schwere Lasten leichter Auf- oder Abzuladen. Im Altertum wurden sie zum Transport von Steinen und beim Bau großer Bauwerke verwendet. Aber auch bei Serpentinen im Gebirge wird ausgenutzt, dass ein Höhenunterschied leichter überwunden werden kann, wenn der Anstieg auf eine größere Strecke verteilt wird.
Schrauben lassen sich als Zylinder mit einer aufgewickelten schiefen Ebene betrachten. Diese bewegt sich relativ zum Körper, der sich nicht mitdreht. Der Keil nutzt dasselbe Prinzip, um große Kräfte senkrecht zur schiefen Ebene zu erzeugen.
Die schiefe Ebene gehört zu den ältesten Hilfsmitteln der Menschheit. Die Errichtung von Megalithgräbern in der Jungsteinzeit ist ohne schiefe Ebenen nicht denkbar. Die Verwendung von Rampen beim Bau der ägyptischen Pyramiden ist nicht endgültig geklärt, wobei es dazu verschiedene Theorien gibt. Reste einer Erdrampe, die bei der Belagerung von Masada etwa 70 n. Chr. von den Römern errichtet wurde, sind bis heute erhalten.
Durch Experimente mit einer Fallrinne widerlegte Galileo Galilei die Bewegungslehre des Aristoteles. Er entdeckte, dass die Fallgeschwindigkeit proportional zur verstrichenen Zeit zunimmt. Die schiefe Ebene diente dazu, die Bewegung im Vergleich zum freien Fall zu verlangsamen und so einer genaueren Beobachtung zugänglich zu machen.[1][2] Simon Stevin bewies mit seinem Gedankenexperiment mit einer Kette, dass der Hangabtrieb auf zwei gegeneinander geneigten Ebenen bei gleichem Höhenunterschied im umgekehrten Verhältnis zu deren Längen steht.
Als historisches Arbeitsgerät diente die Schrotleiter dazu, schwere Fässer zu Heben oder Herabzulassen.
Zur Berechnung der Kräfte auf der schiefen Ebene werden folgende Bezeichnungen verwendet:
Stellt man einen Körper auf eine schiefe Ebene, so muss im statischen Gleichgewicht der Hangabtrieb durch eine äußere Kraft kompensiert werden. Diese Kraft kann durch eine Haltevorrichtung oder durch Haftreibung erzeugt werden. Beim letzteren Fall darf die Hangabtriebskraft die Haftreibungskaft nicht übersteigen. Ist der Winkel der schiefen Ebene zu groß oder die Reibung zu gering, beginnt der Körper zu rutschen – dies geschieht beispielsweise bei einem Auto, das bei Glatteis an einer Steigung geparkt werden soll und abrutscht.
Die Gewichtskraft
An der Kontaktfläche zwischen Körper und schiefer Ebene wirken eine Normalkraft
Wenn der Körper in Ruhe sein soll, muss die Reibungskraft
Entsprechend gilt auch für das Gleichgewicht senkrecht zur schiefen Ebene:
Mit dem Reibungsgesetz:
ergibt sich als notwendige Bedingung:
Wenn der Neigungswinkel
Bei kleinen Winkeln wie sie im Straßenverkehr üblich sind gilt:
Bei Körpern die auf der festen schiefen Ebene abrollen, ohne dass eine merkliche Gleitgeschwindigkeit am Berührpunkt auftritt, gilt der Energieerhaltungssatz. Die verrichtete Arbeit ist unabhängig vom Weg. Dieser Fall tritt auf griffiger Fahrbahn bei Fahrzeugen oder beim Be- und Entladen von Fässern auf. Für die Arbeit bei einem Anstieg um die Höhe
Die Arbeit entlang der schiefen Ebene:
Der Zusammenhang
„Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen“
Hangabtrieb und Gewicht stehen im Verhältnis:
Der Hangabtrieb wird bei Fahrzeugen durch Kräfte an den Rädern kompensiert. Da diese durch Kraftschluss übertragen werden, muss die Neigung deutlich geringer als 45° sein. Die Baldwin Street, die als steilste Straße der Welt gilt, erfordert bei einer Neigung von 19,3° einen Reibwert von
Wenn die Gleichgewichtsbedingung nicht erfüllt ist, erfährt der Körper eine gleichmäßige Beschleunigung.
Da dies langfristig zu einer immer größeren Geschwindigkeit führen würde, können diese Bedingungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten bleiben. Beim Skifahren z. B. durch eine Route nicht direkt in der Falllinie, oder bei Radrennfahrern durch den Luftwiderstand.
Versuche mit einer Fallrinne[3] ermöglichten es Galilei, seine Hypothese zum Bewegungsablauf beim freien Fall zu überprüfen. Mit einer schiefen Ebene kann der Vorgang so verlangsamt werden, dass der zeitliche Verlauf auch mit den ungenauen Mitteln seiner Zeit beobachtbar wurde. Im Folgenden wird die Bewegungsgleichung für einen Körper hergeleitet, der eine schiefe Ebene herunterrollt. Die Rollreibung ist im Vergleich zur Gleitreibung wesentlich geringer und wird vernachlässigt.
Für die Geschwindigkeit im Schwerpunkt eines Körpers wie Fass, Zylinder oder Kugel, der ohne zu gleiten auf der schiefen Ebene abrollt, gilt:
Im Schwerpunkt soll parallel zur schiefen Ebene außer der Hangabtriebskraft keine weitere Kraft angreifen. Die Winkelbeschleunigung ergibt sich aus den Momenten um den Berührpunkt:
Mit dem Trägheitsradius
Damit errechnet sich die Beschleunigung zu:
Mit der Abkürzung
Die Beschleunigung ist proportional zur Erdbeschleunigung, wird aber durch das Verhältnis der Höhe zur Länge der schiefen Ebene reduziert (
und dem Weg-Zeit-Gesetz:
Die Zeit die benötigt wird um die Strecke
Durch seine Messungen stellte Galilei fest, dass das Verhältnis unterschiedlicher Rollwege im Verhältnis zu den Quadraten der benötigten Zeit steht.[4]
Wie er in seinem Buch „Discorsi e di-mostrazione mathematiche“ beschrieb, bestätigte das seine Hypothese dass die Geschwindigkeit linear mit der Zeit zunimmt. Die Wegstrecke kann dann auch aus der mittleren Geschwindigkeit
Das Trägheitsmoment ist von der Massenverteilung abhängig und kann durch den Trägheitsradius
Die Geschwindigkeit am Ende der schiefen Ebene ergibt sich zu:
Sie unterscheidet sich von der des freien Falls lediglich um den formabhängigen Faktor
Im Folgenden soll die Luftwiderstandskraft
Die Konstante
Hierbei ist:
Auf den Körper wirken parallel zur schiefen Ebene der Hangabtrieb, sowie die Reibungskraft und der Luftwiderstand. Die Newtonsche Bewegungsgleichung lautet:
oder:
Es wird von dem Fall:
Ansatz:
Durch Einsetzen in die Differenzialgleichung erhält man unter Berücksichtigung von:
und durch Koeffizientenvergleich:
Als Lösung ergibt sich:
Bei einer Neigung einer Skischanze von 37° und einem Reibwert von 0,03[7] ergibt sich mit einem cw·A-Wert von 0,224 (A geschätzt 0,32 m², cw geschätzt 0,7, g*=5,67 m/s2, k=0,134, m=70 kg) würde man auf 196 km/h kommen. Die Sprungtürme von Skischanzen sind also nicht darauf ausgelegt diese Geschwindigkeiten zu erreichen. Eine realistischere Abschätzung der Anlaufgeschwindigkeit auf Basis der Energieerhaltung findet sich auf LEIFIphysik.[8]
Im Folgenden wird ein Fahrzeug mit der Gesamtmasse
Wenn man vereinfachend annimmt, dass alle Räder gleich schwer sind und das gleiche Trägheitsmoment besitzen, so ergibt sich für die erforderliche Kraft für die Summe aller Räder:
Eingesetzt in die Newtonsche Bewegungsgleichung:
Diese Gleichung entspricht formal der Gleichung die für den Fall Gleiten hergeleitet wurde. Sie hat also auch den gleichen Lösungsansatz. Die Endgeschwindigkeit ergibt sich zu:
Für einen Fahrer auf einem Rennrad mit der Gesamtmasse von 80 kg das ein Gefälle von 10 % herabrollt ergibt sich eine Endgeschwindigkeit von 82 km/h. Für cW·A wird mit Rennfahrerhaltung ein Wert von 0,25 m² angenommen. Bei einem cW·A Wert von 0,36 m² bei normaler Körperhaltung würde man eine Geschwindigkeit von 68 km/h erzielen.[9]
Der im Alltag häufigste Anwendungsfall der schiefen Ebene ist die Schraube. Die Schraube kann als schiefe Ebene betrachtet werden, die um einen Zylinder gewickelt wird. Im Grenzfall einer reibungsfreien Schraube kann der Energieerhaltungssatz angewandt werden. Die Arbeit aus Drehmoment
Die Steigung
Für die Arbeit gilt:
und damit ergibt sich für die Zugkraft:
Zwischen Schraube und Mutter wirkt an der Kontaktfläche der Gewindegänge eine Normalkraft. Diese kann in eine Tangentialkomponente und eine Komponente in Längsrichtung der Schraube zerlegt werden. Die Tangentialkomponente sorgt für das Momentengleichgewicht um die Achse der Schraube. Die Zugkraft spannt die Verbindung. Durch die Steigung der Schraube wird so eine geringere Kraft in tangentialer Richtung in eine größere Kraft in Längsrichtung gewandelt.
Große Kräfte können daher bei gleichem Drehmoment mit Schrauben geringer Steigung erzielt werden. Für die Selbsthemmung der Verbindung ist Reibung erforderlich. Dies kann im Wirkungsgrad