Als Sonnenscheibe bezeichnet die Umgangssprache die Kreisform der Sonne, wie sie von der Erde aus erscheint. Im Gegensatz zum Mond hat das menschliche Auge vom Zentralgestirn des Planetensystems keinen plastisch-räumlichen Eindruck, weil es zu hell ist und (außer in Horizontnähe) immer kreisförmig erscheint.
Erst im Fernrohr und mit einem geeigneten Sonnenfilter wird die Randverdunkelung sichtbar, die uns den Eindruck einer glühenden Kugel vermittelt. Auch die Sonnenflecken tragen dazu bei, wenn sie in der Nähe des Sonnenrandes längliche Gestalt annehmen und in großen Teleskopen sogar etwas vertieft aussehen.
Die Sonne erscheint uns freiäugig ebenso groß wie der Vollmond – nämlich etwas über ein halbes Grad. In den Jahrzehnten nach 1610, als einige Fernrohrtypen erfunden waren, konnten die Wissenschaftler jedoch messtechnisch nachweisen, dass die scheinbare Sonnengröße zwischen 31'28" (Anfang Juli) und 32'32" (Anfang Januar) variiert. Schon in der Antike hat dies mancher Astronom vermutet, weil die etwas ungleichförmige Bewegung der Sonne am Sternhimmel schon lange bekannt ist – trotz der Schwierigkeit, sie wegen ihrer Helligkeit zu messen. Das von Sonnenuhren her altbekannte Faktum der Zeitgleichung war ein wichtiger Hinweis darauf, und die ersten zwei Kepler-Gesetze lieferten 1609 die theoretische Erklärung einige Jahre im Voraus. Denn wenn die Exzentrizität der Erdbahn rund 1,7 Prozent beträgt, muss sich dies auch in der Bahngeschwindigkeit der Erde (und scheinbar der Sonnenscheibe) widerspiegeln.
Dem Umstand, dass der Mond unter einem ähnlichen Winkel (29'10" - 33'30") wie die Sonne erscheint, verdankt die Menschheit übrigens die seltenen, aber umso beeindruckenderen Erscheinungen von totalen Sonnenfinsternissen.
Theoretisch muss der Radius des Sonnenäquators etwas länger sein als jener zu ihren Polen, weil unser Tagesgestirn langsam rotiert. Diese Abplattung ist aber äußerst gering und wegen der untertags hohen Temperaturstörungen der Atmosphäre messtechnisch nur schwierig feststellbar. Sie konnte erst in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen werden, obwohl dafür schon im 19. Jahrhundert mit dem Heliometer ein spezielles Messinstrument entwickelt wurde. Man setzte es dann überwiegend zur Messung sehr kleiner astronomischer Winkeldifferenzen ein.
Bei hohem Sonnenstand kann man die Sonnenscheibe nur unter Gefahr für die Augen erkennen. Wer es trotzdem versuchen will und kein Filter zur Hand hat, kann mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger eine winzige 3-eckige Blende bilden und so eng machen, bis die Sonnenscheibe zwischen den Härchen der Fingerkuppen diffus erkennbar wird.
Fast jede(r) kennt hingegen den Anblick der Sonnenscheibe, wenn sie zur Zeit des Sonnenauf- oder -untergangs als rötliches Oval den Horizont durchwandert. Diese deutliche Abweichung von der Kreisform geht auf die Krümmung der Lichtstrahlen in der Erdatmosphäre zurück (siehe Astronomische Refraktion). Sie bewirkt verschiedenes:
Weil die Sonnenscheibe im Laufe der Jahreszeiten durch die Elliptizität der Erdbahn etwas größer und kleiner wird, dauert auch ihr Überschreiten des Horizonts verschieden lange. Viel größer ist allerdings der Einfluss, den die geografische Breite B und die Deklination δ (Abstand der Sonne vom Himmelsäquator) besitzt.
In der Nähe des Erdäquators laufen die Sonnenuntergänge viel rascher als in Mitteleuropa ab, auch die Dämmerung ist wesentlich kürzer. Beides hängt mit dem steilen Winkel zusammen, unter dem der Tagbogen der Sonne (und die scheinbare Bahn aller anderen Gestirne) den Horizont schneidet. Am Erdäquator ist dieser Winkel genau 90°, am Wendekreis (B = 23,4°) 90°-23,4° = 66,6°, während er in Mitteleuropa (z. B. am 50°-Breitengrad) nur etwa 40° beträgt.
Die Untergangsdauer berechnet sich nun aus 1 / (Sinus dieses Schnittwinkel mal Durchmesser der Sonnenscheibe). Wäre die Sonnenscheibe genau 0,5° groß, ginge sie im äquatorialen Afrika oder in Brasilien in genau 2 Minuten unter, in der Sahara in 2¼ Minuten und in Mitteleuropa in 3-4 Minuten. Zusätzlich kommt ein Einfluss von δ hinzu (-23,4° bis +23,4°), der insbesondere im Sommer wirkt und es bereits in Norddeutschland nicht mehr völlig finster werden lässt.
Die historische Astronomie kennt verschiedene vorgeschichtliche Messmethoden und Bauwerke, bei denen die Größe der Sonnenscheibe eine Rolle spielte. Auch die optimale Dicke des Schattenstabes (Gnomon) einer guten Sonnenuhr hängt mit der scheinbaren Sonnengröße zusammen: ist der Stab 1 m lang, sollte er mindestens 2 cm dick sein, um einen klaren Schatten zu werfen.
Ebenso deutet die Genauigkeit, mit der die Menhire von Stonehenge nach besonderen Horizontpunkten ausgerichtet wurden, auf eine sorgfältige Berücksichtigung der Sonnengröße hin. Ob die Himmelsscheibe von Nebra ähnliche Funktionen hatte, ist noch nicht endgültig erforscht.
Die Ägyptische Mythologie kennt die beiden Löwen namens Akeru (auch Sef und Tuau, bzw. Xerefu), welche in der „Überwelt“ die Tore zwischen dem Sonnenuntergang und dem Sonnenaufgang bewachen. Sie werden als Sphinx mit zwei abgewandten Köpfen dargestellt, die durch eine symbolische Sonnenscheibe verbunden sind.
Ähnliche Vorstellungen eines geozentrischen Weltbildes, wie die Sonne in der Nacht vom Westen in den Osten gelangt, finden sich auch im mythologischen Sonnenwagen der griechischen Antike – siehe hierzu Phaeton (Mythologie). In schroffem Gegensatz zu diesen religiös geprägten Vorstellungen stehen die Ansichten von Materialisten wie Xenophanes – der die Sonne als eine feurige Wolke ansah – oder von Anaxagoras, der sie sogar als glühenden Stein bezeichnete. Diese von der Umgebung stark angefeindeten Überlegungen könnte man als vorsichtige Anfänge der Astrophysik ansehen, wenngleich sich im Hellenismus bald wieder mythische Erklärungen der Sonnengestalt durchsetzten.
Zu diesen ist auch der altägyptische Sonnengott Aton sowie der Krokodilgott Sobek zu zählen, der Herrscher über das Wasser. Die Ägypter verehrten die Krokodile als heilige Tiere und vergötterten sie in der Gestalt des krokodilköpfigen Gottes Sobek (Souchos). Diese Gottheit war ein Symbol eines ewigen Fortbestandes – siehe auch die alljährlich pünktliche Überschwemmung des Nil – und zählte um 2400 v. Chr. zu den wichtigsten Göttern im ägyptischen Pantheon. Die Darstellung als Mensch mit Krokodilkopf änderte sich im folgenden Jahrtausend des Neuen Reiches: um 1400 v. Chr. trägt er nämlich einen Kopfschmuck mit eingearbeiteter Sonnenscheibe und galt als eine Verkörperung der Sonnengottes Ra (auch Sobek-Ra). Wie wichtig der ägyptischen Hochkultur die Anbetung der Sonne war, ist auch aus Königsnamen wie Nofrusobek oder Sobekhotep und aus speziellen Hieroglyphen zu ersehen. Auch im mächtigen Mesopotamien wurde der Sonnengott Schamasch verehrt.
Die goldene Sonnenscheibe von Moordorf wurde im März des Jahres 1910 von Vitus Dirks beim Torfgraben gefunden. Er verkannte ihren Wert und gab sie seinen Kindern zum Spielen, ein Händler erwarb sie einige Jahre später als Altmaterial und verkaufte sie weiter. Erst im Jahre 1926 gelang es dem Landesmuseum in Hannover, die Scheibe zu erwerben, nachdem bereits die Gefahr bestand, dass sie ins Ausland verkauft werden würde.
Die Scheibe hat einen Durchmesser von 14,5 Zentimetern und ein Gewicht von 36,17 Gramm. In der Mitte besitzt sie einen ursprünglich vorgewölbten Buckel, an dessen Rand acht kleine nagelkopfartige Vorwölbungen bestehen. Es folgen nach außen eine aus Radiärstrahlen gebildeter Kreis, ein Kreis von abermals acht kleinen Buckeln, ein weiterer Strahlenkreis und schließlich ein Kreis, der mit 32 schraffierten Dreiecken gefüllt ist. Zwei einander gegenüber liegende Lappen lassen vermuten, dass die Scheibe ursprünglich auf einer Unterlage aufgeheftet war. Es besteht die überwiegende Auffassung, dass es sich um ein Symbol der Sonne handelt, die in der Vorzeit als Lebensspenderin verehrt wurde.
Die Frage nach der Funktion dieser Scheibe führt nach Dänemark zum Sonnenwagen von Trundholm. Seine diskusartig gerundete Goldscheibe ist auf einer bronzenen Scheibe angebracht, die von einem Pferd gezogen wird. Das Tier zieht nur die Scheibe, während beide durch die Räder bewegt werden können. In der Religion der älteren Bronzezeit zieht also das Pferd die Sonne über das Firmament. Eine Herstellungstechnik wie bei der Scheibe von Moordorf ist in Niedersachsen fremd. Sie ist auf kaltem Wege vermutlich ohne ein Modell von der Rückseite her getrieben worden. Die meisten Scheiben dieser Art stammen aus Westeuropa, besonders aus Irland. So gibt diese Scheibe also nicht nur Auskunft über Ästhetik, Kunstschaffen, Metallverarbeitungstechniken und Religion in der Bronzezeit, sondern ist auch ein Beispiel für die weitgespannten Beziehungen in dieser Zeit.
Bei Kelten und Germanen bezeugen Sonnenkreuz, Scheibenrad und von Pferden gezogene Bronzewagen mit goldener Sonnenscheibe (Funde von Trundholm, Moordorf) von einer ausgedehnten Sonnenverehrung. Im germanischen Rechtswesen durfte Gericht nur „bei scheinender Sonne“ gehalten werden. Die Sonne war in der Weltanschauung des gesamten Nordens die Erzeugerin des Lichts, der Wärme und des Lebens, der Fruchtbarkeit und vor allem auch die Reglerin und Teilerin der Zeit. Ihr Jahreslauf wurde von Festen begleitet. Sie wurde darum zur persönlichen Gottheit.
Die Sonnenscheibe von Banc Ty'nddôl wurde 2002 entdeckt.