Als Stern von Betlehem (auch: Dreikönigsstern, Weihnachtsstern oder Stern der Weisen) wird eine Himmelserscheinung bezeichnet, die nach dem Matthäusevangelium Sterndeuter oder Weise zum Geburtsort Jesu Christi geführt hat (Mt 2,1.9 EU):
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. … Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“
Christen feiern diese Episode beim Epiphaniasfest oder Dreikönigstag.
Seit der Spätantike bezogen astronomische und astrologische Theorien den „Stern von Betlehem“ auf verschiedene vor der Zeitenwende sichtbare Himmelsphänomene, um Jesu Geburt genauer zu datieren:
Aufgrund jeweils spezifischer Einwände ist keiner dieser Erklärungsversuche wissenschaftlich anerkannt.
Besondere Himmelsphänomene wurden in vielen Hochkulturen des Altertums auf wichtige historische Ereignisse bezogen. In den Großreichen Altägypten, Mesopotamien, Persien und Medien hatte die „Sternenkunde“ eine zentrale, staatserhaltende Tradition und Funktion. Dabei wurde noch nicht zwischen Sterndeutung (Astrologie) und Sternbeobachtung (Astronomie) unterschieden. Auch in der griechischen Philosophie war die Beobachtung des Sternhimmels wesentlich zur metaphysischen Erklärung der Welt (Kosmologie).
Das Judentum grenzte sich von antiker Sternenkunde ab und verbot die Anbetung von Gestirnen als Gottheiten (u.a. Dtn 4,19 EU).[1] Dennoch fassten auch Autoren der Bibel Himmelsphänomene als Hinweise auf besondere Geschichtsereignisse auf. Sie waren in der biblischen Prophetie jedoch meist Zeichen für kommendes Unheil. Zum Beispiel sollten im Zusammenhang des angekündigten Endgerichts Sterne „vom Himmel fallen“ (Mk 13,25 EU) oder „sich verfinstern“ (Joel 4,15 EU).
Nach Diodor von Sizilien (1. Jahrhundert v. Chr.) konnten schon die Babylonier oder Chaldäer Kometen beobachten und ihre Wiederkehr berechnen. Pythagoras von Samos, dessen Lehren von ägyptischem und persischem Wissen beeinflusst waren, lehrte nach einer Legende: Kometen seien Himmelskörper, die eine geschlossene Kreisbahn hätten, also in regelmäßigen Zeitintervallen wieder sichtbar würden. Dem römischen Autor Seneca zufolge war man in den antiken Großreichen enttäuscht, wenn Kometen nicht wiederkehrten, Vorhersagen darüber sich also als falsch erwiesen.
Die christliche Theologie des 2. Jahrhunderts, die vom Hellenismus und griechischer Metaphysik beeinflusst war, begann mit der Suche nach dem Stern von Betlehem. Origenes (185 bis ca. 253), Theologe aus der hellenistischen Schule von Alexandria (Ägypten) und Vorsteher der Theologenschule von Cäsarea, vertrat wohl als einer der ersten die Meinung, der Stern von Betlehem sei ein Komet im Sinne des Pythagoras gewesen.[2]
Seit Beginn des 14. Jahrhunderts stellen Künstler den Stern von Betlehem als Kometen dar: so als einer der ersten Giotto di Bondone aus Florenz, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen beobachtet hatte, von dem schon antike Quellen recht oft berichten. Beeindruckt davon malte er zwei Jahre später diesen auf dem Fresko „Anbetung der Könige“ in der Scrovegni-Kapelle in Padua als Stern von Betlehem.
Eine chinesische und eine koreanische Quelle berichteten jeweils von einer Kometenerscheinung im Jahr 5 oder 4 v. Chr. Eventuell meinen beide Berichte dasselbe Ereignis, wobei der chinesische Bericht einen Datierungsfehler enthalten würde. Man nimmt an, dass es sich um eine Nova handelte.[3]
Gegen die Kometentheorie wird eingewandt:
Seit dem Sassanidenreich im 3. Jahrhundert sahen Astrologen in einer Konjunktion (Begegnung) der Planeten Jupiter und Saturn Vorzeichen wichtiger historischer Ereignisse, etwa eines neuen Zeitalters, einer neuen Dynastie, der Geburt eines Propheten oder eines gerechten Königs. Jüdische Gelehrte wie Māšā'allāh Ibn-Aṯarī, Abraham Ibn Esra und Levi ben Gershon folgten dieser Grundannahme. Manche ihrer Vorhersagen wurden im jüdischen Messianismus auf die Geburt des Messias bezogen.[6]
Der Astronom Johannes Kepler kannte solche Berechnungen. Er beobachtete im Dezember 1603 am Morgenhimmel im Sternbild Schlangenträger eine Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn. Im Herbst 1604 gesellte sich der Planet Mars am Abendhimmel zu den beiden Planeten. Ab 9. Oktober 1604 leuchtete in über 9 Grad Distanz dazu im gleichen Sternbild die Supernova 1604 auf. Kepler beobachtete sie ab dem 17. Oktober 1604 im „feurigen Dreieck“ der Tierkreiszeichen Widder, Löwe und Schütze, als sie eine scheinbare Helligkeit von −2,5m erreichte und damit der hellste Lichtpunkt am Abendhimmel wurde. Er konnte das Phänomen mit dem Wissen des 17. Jahrhunderts nicht erklären und vermutete daher, die vorangegangene dreifache Konjunktion habe einen „neuen Stern“ verursacht. Daraus folgerte er, auf eine damals schon bekannte Konjunktion von Jupiter, Saturn und Mars im Jahr 7/6 v. Chr. sei ebenfalls solch ein neuer Stern gefolgt. Um diesen mit dem Stern von Betlehem in Mt 2 gleichzusetzen und näher an Jesu Geburt zu rücken, datierte er die dreifache Konjunktion jedoch falsch auf das Jahr 5 v. Chr.; Jesu Geburt datierte er auf 4 v. Chr.[7]
Keine bekannte Chronik verzeichnet ein als Supernova interpretierbares Himmelsphänomen zeitnah nach jener Konjunktion.[8] Zudem weiß man heute, dass Planetenkonjunktionen und Supernovae kausal nicht verbunden sind. Insofern war Keplers Theorie ein Irrtum.[9]
Der Astronom und Astronomiehistoriker Konradin Ferrari d’Occhieppo wies seit 1964 in mehreren Publikationen auf die bereits von Kepler bemerkte und sehr seltene dreifache Jupiter-Saturn-Konjunktion im Zeichen der Fische hin.[10] Diese schien gut in den ungefähren Zeitraum der Geburt Jesu zu passen. Laut d'Occhieppo musste ein babylonischer Astronom eine solche Konjunktion als Hinweis auf ein Ereignis in Israel (Judäa) verstehen, weil Jupiter der Stern des babylonischen Gottes Marduk gewesen sei, während Saturn als Planet des jüdischen Volkes gegolten habe. Der westliche Teil des Fischezeichens habe unter anderem für Palästina gestanden. Daraus hätten babylonische Astronomen folgern können: Königstern (Jupiter) + Israelschützer (Saturn) = „Im Westen (Sternbild der Fische) ist ein mächtiger König geboren worden.“
Die drei Konjunktionen ereigneten sich im Abstand von Monaten, so dass genug Zeit für eine Reise von Babylon nach Judäa gewesen sei. Den Ausdruck „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen“ bezog d'Occhieppo auf das Beobachten des nahe beieinander stehenden Planetenpaares am dunkler werdenden Abendhimmel um den 15. September 7 v. Chr. herum. Damals seien die Sterndeuter nach Jerusalem aufgebrochen. Am 12. November 7 v. Chr., kurz nach Sonnenuntergang, hätten sie die Planeten Jupiter und Saturn in der Abenddämmerung direkt vor Augen gehabt, als sie von Jerusalem gen Süden auf das nur etwa zehn Kilometer entfernte Bethlehem zugeritten seien. Auf diesen konkreten Zeitpunkt beziehe sich Mt 2,10: „Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.“ Jupiter sei beim damaligen Abendaufgang 15-mal heller als Saturn gewesen und habe bei Sterndeutern besonderes Ansehen als Königsstern gehabt. Er sei der hier erwähnte Stern.[11]
Nach dem Eintritt der astronomischen Dämmerung hätten die Sterndeuter an diesem 12. November das Planetenpaar an der Spitze des Zodiakallichtkegels stehen sehen. Es habe ausgesehen, als gehe das Licht von diesem Planetenpaar aus. Die Achse des Lichtkegels habe während der folgenden Stunden beständig auf das vor ihnen liegende Bethlehem gezeigt, dessen Häuser sich, wie bei einem Scherenschnitt, gegen das Zodiakallicht abzeichneten. Dadurch hätten sie den Eindruck gehabt, dass die Planeten, trotz der weiterlaufenden Drehung des Sternhimmels, über der Stelle stehenblieben, wo das Kind war.[12] Demnach sei anzunehmen, dass sie Jesu Geburtsort an diesem Datum auffanden. Es komme gar nicht so sehr auf die drei Konjunktionen der beiden Planeten an, sondern dass jene sehr dicht beieinander erstmals seit 854 Jahren im Sternbild der Fische stillstanden und damit auf ein ungewöhnliches Ereignis hinwiesen.[13]
D’Occhieppo betrachtet Mt 2,1–12 also wegen der inhaltlichen Details als schriftlichen Augenzeugenbericht der Weisen oder eines ihrer Begleiter. Er habe Matthäus vorgelegen, dieser habe ihn abgeschrieben. Demzufolge übersetzt er den oben zitierten Text wie folgt:
„Als nun Jesus geboren worden war in Betlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da gelangten Sterndeuter von den Aufgängen (von Osten: griechisch: magoi apo anatolón, απο ανατολων) nach Jerusalem. Sie fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern in dem Aufgang (griechisch: εν τη ανατολη) gesehen und sind gekommen, um ihm demütig zu huldigen. […] Und siehe, der Stern, den sie in dem Aufgang gesehen hatten, zog ihnen voran, bis er im Gehen stehenblieb oben darüber, wo das Kind war. Als sie nun den Stern erblickten, wurden sie froh in großer Freude gar sehr.“
Diese Konjunktionstheorie unterstützen andere Astronomen, etwa Theodor Schmidt-Kaler, der die Magier-Perikope wortstatistisch untersuchte.[14] Ihre Popularität zeigt sich darin, dass sie jährlich zur Weihnachtszeit zum Standardprogramm von Planetarien gehört.
Als Einwände werden genannt:
Aufgrund der Einwände gegen d’Occhieppos Theorie forschten einige Astronomen nach anderen Konjunktionen um die Zeitenwende und fanden weitere sehr enge Konjunktionen bzw. Bedeckungen, diesmal von Jupiter und Venus.[19]
Am 12. August 3 v. Chr. passierte Venus den Jupiter im Sternbild des Löwen mit einem Abstand von 0°4'. Bei dieser Konjunktion schienen die Planeten mit bloßem Auge betrachtet fast miteinander zu verschmelzen. So waren sie als gemeinsamer Morgenstern in der Dämmerung zu sehen. Nach diesem Treffen mit Venus führte der „königliche“ Planet Jupiter seine Oppositionsschleife direkt oberhalb des Königsterns Regulus aus, wobei er dreimal in enge Konjunktion mit dem Hauptstern des Löwen kam.
Am 17. Juni 2 v. Chr. passierte die Venus erneut den Planeten Jupiter, mit einem minimalen Abstand von nur 26". Diese Konjunktion war ebenfalls im ganzen Nahen und Mittleren Osten sichtbar, dieses Mal am Westhimmel in der Abenddämmerung, während über dem entgegengesetzten Osthorizont der Vollmond stand. Zur Zeit des geringsten Abstands erschienen die beiden Planeten für das bloße Auge zu einem Punkt verschmolzen. Die Annäherung war zuvor über mehrere Wochen am nächtlichen Westhimmel zu verfolgen und daher gut als Wegweiser von Babylon oder Persien her geeignet.
Die symbolische Ausdeutung dieser astronomischen Ereignisse wird besonders mit Gen 49,9-10 EU begründet:[20][21]
„Ein junger Löwe ist Juda. Vom Raub, mein Sohn, wurdest du groß. Er kauert, liegt da wie ein Löwe, wie eine Löwin. Wer wagt, sie zu scheuchen?
Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt.“
Diese Theorie verlangt jedoch, das Todesjahr des Herodes auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, als dies zumeist angenommen wird.[20]
Der Altorientalist Werner Papke nimmt an, der Stern von Betlehem sei eine Supernova gewesen, die im Sternbild Haar der Berenike aufgeleuchtet sei.[22] Außerbiblische Erwähnungen einer solchen Supernova oder Überreste davon in diesem Sternbild sind nicht bekannt oder verloren. In Babylon habe man in dieser Gegend des Sternenhimmels die Gestalt einer Jungfrau gesehen, die den Namen „Erua“ trug. Die Keilschriftzeichen dieses Namens übersetzt Papke mit „diejenige, welche den in Eden verheißenen Samen gebären wird“, worin er eine Anspielung auf die Paradieserzählung in Gen 3,15 EU sieht, und darin wiederum die Ankündigung der Geburt eines Erlösers. Papke folgert:
„Das Sternbild der Jungfrau Erua ist demnach spätestens seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. das himmlische Zeichen einer Jungfrau gewesen, die einen Sohn, einen männlichen Samen, gebären sollte, der bereits in Eden verheißen wurde.“
Die in Mt 2 genannten Sterndeuter seien Anhänger der Lehre Zarathustras gewesen und hätten seine Voraussage gekannt, ein „neuer Stern“ werde am Himmel die Geburt eines wunderbaren Knaben anzeigen, den sie anbeten sollten. Sie hätten auch Jes 7,14 EU gekannt:
„Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.“
Diese Prophezeiungen hätten die Sterndeuter auf den Weg ins jüdische Land gebracht, nachdem die Supernova mitten im Sternbild Erua aufgeleuchtet habe. Papke datiert dieses Aufleuchten auf den Abend des 30. August 2 v. Chr. Dabei beruft er sich auf Offb 12 EU: In diesem Kapitel sei eine Konstellation des Mondes im Sternbild Erua beschrieben, die in dem in Frage kommenden Zeitraum nur am Abend dieses 30. Augusts möglich gewesen sei.
In Jerusalem angekommen hätten die Sterndeuter als endgültiges Ziel Bethlehem genannt bekommen. Von Jerusalem aus habe sie die Supernova – jetzt hoch am Himmel stehend und langsam westwärts ziehend – am Morgen des 28. November 2 v. Chr. nach Bethlehem geleitet. Dort angekommen habe die Supernova über einem ganz bestimmten Haus genau im Zenit gestanden, während sie im heller werdenden Morgenhimmel verblasst sei.
Der US-Astronom Michael R. Molnar veröffentlichte 1999 eine neue Theorie zum Stern von Betlehem: Er nimmt an, die magoi von Mt 2 seien Astrologen aus dem Zweistromland (damals „Chaldäer“ genannt) gewesen, die sich an Horoskopen orientiert hätten. Sie seien nicht wegen eines Kometen, einer Konjunktion oder Nova nach Judäa gereist, sondern wegen einer bestimmten, geometrisch berechneten Relation zwischen Planeten und Sternbildern, die sie als Vorhersage der Geburt eines mächtigen Königs in Judäa deuteten. Er zog dazu griechische und römische Horoskope heran, die mit damaligen Königsgeburten in Verbindung gebracht wurden. Das Tetrabiblos des Ptolemäus, eine Zusammenstellung damaliger astrologischer Theorien, ordnete die von den Herodianern beherrschten Gebiete, darunter Judäa, dem Sternbild Widder zu. Demnach hätten damalige Astrologen eine Königsgeburt unter dem Zeichen des Widders in Judäa lokalisiert. Daraufhin suchte Molnar eine Planetenkonstellation, die für sie eine besonders bedeutende Königsgeburt in Judäa vorhergesagt haben könne:
Am 17. April des Jahres 6 v. Chr. habe Jupiter seinen heliakischen Aufgang im Sternbild Widder gehabt, und die Sonne sei darin ebenso wie die Venus „exaltiert“ gewesen. Dies hätten damalige Astrologen als Zeichen besonderer Macht gedeutet. Die „Regenten der Widderdreiheit“ seien alle in diesem Sternbild versammelt gewesen, Sonne und Mond hätten ihre planetarischen „Diener“ nahebei gehabt. Zudem sei noch am selben Tag eine Jupiterbedeckung durch den Mond erfolgt. Dieses außergewöhnliche Zusammentreffen könne die Astrologen tatsächlich zur Reise nach Judäa veranlasst haben. Deshalb seien sie nach Westen gezogen, obwohl die von Mt 2 überlieferte Aussage „wir haben seinen Stern hervorkommen gesehen“ für sie den heliakischen Aufgang – also im Osten – bedeutete. Auch dass sie zuerst nach Jerusalem zogen, der Haupt- und Königsstadt Judäas, sei so erklärlich. Dort könnten sie nach Details aus den Prophezeiungen gefragt haben, um mehr über den möglichen Geburtsort Jesu zu erfahren. Das damalige Desinteresse der Judäer an Astrologie erkläre, dass keine damalige jüdische Quelle eine Himmelserscheinung vermerkte.[24] Eine weitere Konjunktion ereignete sich am 19. Dezember -6.
Molnars Theorie gilt manchen Autoren als Lösungsangebot für einige Schwächen der Kometen-, Konjunktions- und Nova-Theorien.[25] Unbelegt ist, dass Planetenkonstellationen um die Zeitenwende im Zweistromland tatsächlich so gedeutet wurden, wie es das Tetrabiblos aus dem 2. Jahrhundert nahelegt. Dieses Werk gilt als Kompendium der Astrologie des gesamten Hellenismus, da es an der Bibliothek von Alexandria erstellt wurde und Ptolemaios beanspruchte, darin eine Epoche von 1000 Jahren zu umfassen.[26] Auch dann bleibt offen, wie der Jupiteraufgang im Osten die Sterndeuter genau an den Geburtsort Jesu leitete, wie ihr Bericht davon zu einem Evangelisten gelangte und warum damalige jüdische Quellen davon schweigen.
Historiker und Neutestamentler, die historisch-kritische Methoden auf antike Texte anwenden, untersuchen zuerst Textgattungen, Überlieferungs- und Redaktionsprozesse des NT. Sie ordnen die Geburtsgeschichten des Matthäus- und Lukasevangeliums als später entstandene Legenden mit theologischen Aussageabsichten ein. Sie bestreiten, dass sich legendarische Motive darin auf damalige reale Vorgänge beziehen und für Datierungen heranziehen lassen. Sie deuten den Stern in Mt 2,1.9 in der Regel als mythologisches oder symbolisches Verkündigungsmotiv. Damit weisen sie astronomisch-astrologische Theorien dazu als unwissenschaftliche Spekulationen zurück.[27]
Der Philologe Franz Boll erklärte die Stern-Episode 1917 als Wundergeschichte, die sich an den damaligen Volksglauben angelehnt habe: Mit der Geburt eines Menschen entstehe ein Stern, der mit seinem Tod wieder erlösche; er sei umso größer und heller, je bedeutender dieser Mensch in seinem Leben werde. Auf diesen Volksglauben verweise die Formulierung „Wir haben seinen Stern gesehen“. Das hier verwendete Wort ἀστήρ bedeute in damaliger Literatur ausschließlich „Stern“; eine „Sternkonstellation“ oder ein „Sternbild“ sei damals ἄστρον genannt worden. ἀστήρ verhalte sich zu ἄστρον wie „Stern“ zu „Gestirn“, das sowohl einen Einzelstern als auch einen Sternenhaufen bezeichnen könne (beispielsweise Siebengestirn).[28]
Diese Erklärung des Sternmotivs vertritt heute auch Hans-Josef Klauck. Er verweist zudem auf biblische Bezüge in dieser Episode: Das Überbringen von kostbaren Geschenken erinnere an Jes 60,6 und Ps 72,10, wo von Gaben ausländischer Könige für Israels Herrscher die Rede ist. Der aufgehende Stern könne auf Num 24,17ff EU anspielen („Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen…“).[29] Die Stelle kündigt einen Herrscher an, der Israels Feinde ringsum endgültig vernichten werde. Da erst König David um 1000 v. Chr. solche nachhaltigen Siege gelangen, fassen einige Alttestamentler diesen Bileamspruch als Vaticinium ex eventu auf und datieren ihn frühestens in die Davidszeit.[30]
Die Erwartung eines Davidnachfolgers, der Israel aus der Hand seiner übermächtigen Feinde befreien und diese vernichten werde, war auch zur Zeit Jesu in Israel verbreitet. Schon die Logienquelle grenzte das Jesusbild dagegen ab.[31] Für Ulrich Luz enthält die Sterndeuter-Episode jedoch keine direkten Sprachanalogien zur Bileamperikope. Der aufgehende Stern sei hier nur Wegweiser zum, nicht Sinnbild des Messias.[32] Die Geburtslegende steht in Kontrast zum kriegerischen Messiasbild: Der Messias kommt nicht, um Israels Feinde zu vernichten, sondern wird von deren Weisen gesucht und als ihr König angebetet. Im Gegensatz dazu versucht der damalige König der Juden, Herodes, der sich als Nachfolger Davids legitimierte, den Messias zu töten. Erst die „Heiden“ aus dem Ausland erinnern ihn an die Grenzen seiner Macht und daran, dass schon Mi 5,1 EU nicht die Hauptstadt Jerusalem, sondern das unscheinbare Dorf Bethlehem als Geburtsort des Messias angekündigt hatte (Mt 2,3–20 EU).[33]
Besonderes Augenmerk richten Exegeten auf den Ausdruck magoi (wörtlich „Magier“). Er bezeichnete bei damaligen Juden ursprünglich angesehene Weise und Gelehrte, Traumdeuter und Astrologen und erhielt erst später negative Nebenbedeutungen (Betrüger, Scharlatane). Im antiken Großreich Persien gehörten sie zu einer Priesterkaste, den Magern, deren Rat und Naturdeutung persische Könige auch zur Nachfolgeregelung einholten. Der Partherkönig Trdat I. etwa reiste 66 n. Chr. mit solchen magoi nach Rom, um Nero mit Gaben zu dessen Thronbesteigung zu ehren; er fiel vor ihm nieder und nahm einen anderen Rückweg. Albrecht Dieterich nahm 1902 einen Einfluss dieser damals weithin bekannten Episode auf Mt 2 an.[34] Viele neuere Exegeten folgten dieser These.[35]
Manche Neutestamentler haben astronomische Theorien zum Stern von Betlehem übernommen. Theodor Zahn (1922) hielt die Magier in Mt 2,1–9 für historisch und nahm an, sie hätten eine reguläre Himmelserscheinung gesehen. Das Wort für Stern in Mt 2 (aster) sei damals oft nicht von dem Wort für Gestirn(e) (astron) unterschieden worden.[36] August Strobel (1996) bezog den Stern auf die von Ferrari de’Occhieppo beschriebene Jupiter-Saturn-Konjunktion 7/6 v. Chr.: Herodes habe den Stern auch gesehen und nur „den Zeitraum, während dessen der Stern schien“, erfragt.[37] Rainer Riesner (1999) empfahl d’Occhieppos Theorie in Begleittexten zu seinem Buch.[38] Peter Stuhlmacher (2005) folgte d'Occhieppo und Strobel: Eine Konjunktion im Jahr 7/6 v. Chr. könne die im Zweistromland angesehenen Magier veranlasst haben, nach Jerusalem zu ziehen; aber erst auf die Auskunft von Juden zur biblischen Messiasweissagung hätten sie Bethlehem gefunden.[39]
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