Vis-Viva-Gleichung: Unterschied zwischen den Versionen

Vis-Viva-Gleichung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die [[Himmelsmechanik|himmelsmechanische]] '''Vis-Viva-Gleichung''' liefert die lokale [[Geschwindigkeit]] von Körpern auf [[Keplerbahn]]en um einen dominierenden Himmelskörper, der durch seine [[Gravitation]] die anderen Körper beeinflusst. Durch den dominierenden Himmelskörper kann das System näherungsweise je Körper einzeln als [[Zweikörperproblem]] beschrieben werden, wobei die Einflüsse der verschiedenen Körper untereinander vernachlässigt werden. Die Keplerbahnen sind [[Kegelschnitt]]e, also Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln, um den gemeinsamen [[Baryzentrum|Schwerpunkt]], die durch die beiden Parameter der [[Große Halbachse|großen Halbachse]] und der [[Exzentrizität (Astronomie)|Exzentrizität]] beschrieben werden.


Die [[Himmelsmechanik|himmelsmechanische]] '''Vis-Viva-Gleichung''' liefert die lokale [[Geschwindigkeit]] von Körpern auf [[Keplerbahn]]en um einen dominierenden Himmelskörper. Unter diesen Bedingungen ist die Summe aus der geschwindigkeitsabhängigen [[Kinetische Energie|kinetischen Energie]] – das ist die Hälfte der historischen [[Vis viva]] und der entfernungsabhängigen [[Gravitationspotential|Energie im Gravitationsfeld]] zeitlich konstant ([[Energieerhaltungssatz]]). Bei gegebenem [[Gravitationsparameter]] ergeben verschiedene Werte dieser Summe verschiedene Bahnformen. Von den [[Bahnparameter]]n geht lediglich die [[große Halbachse]] in die Gleichung ein.
Die Vis-Viva-Gleichung basiert auf dem [[Energieerhaltungssatz]] und dem [[Drehimpulserhaltungssatz]], nach denen die Summe aus der [[Kinetische Energie|kinetischen]] und [[Potentielle Energie|potentiellen Energie]] beziehungsweise der [[Drehimpuls]] im [[Gravitationspotential]] konstant ist. Die Erhaltungssätze folgen daraus, dass das Gravitationspotential zeitlich konstant ist und nur von der Entfernung vom Zentrum, nicht aber vom Winkel abhängt; die Vis-Viva-Gleichung selbst benötigt als Anforderung vom Potential nur noch, dass die radiale Abhängigkeit [[Antiproportionalität|umgekehrt proportional]] zum Radius ist.  


== Vis-Viva-Gleichung ==
Die kinetische Energie ist nur abhängig von der Geschwindigkeit des Körpers auf der Bahn und die potentielle Energie nur von der Entfernung. Dadurch ermöglicht die Vis-Viva-Gleichung eine Verknüpfung von Geschwindigkeit und momentaner Position des Körpers. Neben dem [[Gravitationsparameter]] des Systems geht als weiterer Parameter in die Gleichung nur die große Halbachse, nicht aber die Exzentrizität der Bahn des umlaufenden Objekts ein.
Die Vis-Viva-Gleichung für die Momentangeschwindigkeit eines Körpers, der sich auf einer elliptischen (der Kreis als Spezialfall der Ellipse miteinbegriffen), parabolischen oder hyperbolischen Umlaufbahn um ein [[Zentralgestirn]] befindet, lautet:


:(1)&nbsp;&nbsp; <math>v^2=\mu\left({{2 \over{r}} - {1 \over{a}}}\right) </math>
Etymologisch bezieht sich die Vis-Viva-Gleichung auf die ''[[vis viva]]'', zu deutsch ''lebendige Kraft'', in moderner Terminologie das Doppelte der kinetischen Energie.


Dabei ist <math>r</math> der Abstand des Körpers vom Gravitationszentrum, <math>v^2</math> das Quadrat seiner Geschwindigkeit, <math>a</math> die [[große Halbachse]] des [[Kegelschnitt]]umlaufs (<math>\ a=r</math> für einen Kreis, <math>r_P<a<r_A</math> für eine Ellipse, <math>a=\infty</math> für eine Parabel und <math>a<0</math> für eine Hyperbel) und <math>\mu</math> der Standardgravitationsparameter mit <math>G</math> als [[Gravitationskonstante]] und <math>M</math> als Masse des [[Zentralkörper]]s:
== Mathematische Formulierung ==
Die Vis-Viva-Gleichung für die Momentangeschwindigkeit eines Körpers, der sich auf einer Bahn um einen anderen Körper befindet, lautet:
:<math>v^2 = G (M+m) \left(\frac{2}{r} - \frac{1}{a}\right)</math>
Dabei ist <math>r</math> der Abstand der beiden Körper, <math>v^2</math> das Quadrat der Relativgeschwindigkeit zwischen den Körpern, <math>a</math> die [[große Halbachse]] der Bahn (<math>a > 0</math> für eine Ellipse, <math>a \to \infty</math> für eine Parabel und <math>a < 0</math> für eine Hyperbel), <math>G</math> die [[Gravitationskonstante]] und <math>m</math> sowie <math>M</math> die Massen der beiden Körper sind.


:<math>\mu = GM </math>
=== Herleitung ===
Die Herleitung der Vis-Viva-Gleichung folgt dem Energie- und Drehimpulserhaltungssatz. Im Gravitationspotential zweier Körper ist die Gesamtenergie durch
:<math>E = \frac{1}{2} (m + M) v_s^2 + \frac{1}{2} \mu v^2 - G \frac{m M}{r}</math>
gegeben, wobei <math>v_s</math> die Geschwindigkeit des Schwerpunkts beschreibt und <math> \mu</math> die [[reduzierte Masse]] des Systems ist, definiert durch
:<math>\mu = \frac{m M}{m + M}</math>.
Ist einer der beiden Körper deutlich schwerer als der andere, gilt also <math> M \gg m</math>, dann ist <math>\mu \approx m</math>.


Zieht man die Quadratwurzel aus obigem Ausdruck für <math>\ v^2</math>, ergibt sich als Geschwindigkeit des umlaufenden Körpers:
Aufgrund der Drehimpulserhaltung kann die Gesamtenergie mit dem Betrag des Drehimpulses <math>L</math> und dem Satz des Pythagoras zu
:<math> E = \frac{1}{2}(m + M) v_s^2 + \frac{1}{2} \mu \dot r^2 + \frac{L^2}{2mr^2} - G \frac{m M}{r}</math>
umgeformt werden, wobei <math>\dot r</math> die Geschwindigkeit in radialer Richtung zum Schwerpunkt bezeichnet.


:<math>v=\sqrt { \mu \left({{2 \over{r}} - {1 \over{a}}}\right) } </math>
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt für zwei beliebige Abstände <math>r_1</math> und <math>r_2</math>
:<math> \mu \dot r_1^2 + \frac{\mu L^2}{2m^2 r_1^2} - G \frac{mM}{r_1} = \mu \dot r_2^2 + \frac{\mu L^2}{2m^2 r_2^2} - G\frac{mM}{r_2}</math>,
wobei der Beitrag der Energie durch die Bewegung des Schwerpunkts sich gegenseitig aufhebt. An den beiden Punkten, die auf einer Keplerbahn dem Zentralkörper am nächsten und entferntesten sind, der [[Periapsis]] <math>r_P</math> und der [[Apoapsis]] <math>r_A</math>, verschwindet die radiale Komponente der Geschwindigkeit und es gilt somit
:<math> \frac{\mu L^2}{2m^2 r^2_P} - G \frac{mM}{r_P} = \frac{\mu L^2}{2m^2r^2_A} - G\frac{mM}{r_A}</math>
Daraus ergibt sich das Quadrat des Drehimpulses zu
:<math>L^2 = 2 G \frac{M m^3}{\mu} \left(\frac{r_A r_P}{r_A + r_P}\right)</math>


Für eine Kreisbahn erhält man durch Einsetzen von <math>\ a=r</math> die folgende vereinfachte Beziehung, die man auch durch Gleichsetzen der [[Gravitation|Gravitations-]] und [[Zentripetalkraft]] erhalten kann:
und die Energie zu
:<math> E = - G \frac{Mm}{r_A + r_P}</math>
Aus der Geometrie der Kegelschnitte folgt mit <math>\textstyle a = \frac{r_P + r_A}{2}</math>
:<math> E = - G \frac{Mm}{2a}</math>.
Aus dieser Gleichung folgt mit der Definition der Gesamtenergie
:<math> v^2 = \frac{2 E}{\mu} +2 G \frac{Mm}{\mu r} = G(m+M) \left(\frac{2}{r} - \frac{1}{a}\right)</math>


:<math>v_1 = \sqrt{\frac{ \mu }{r}}</math>
=== Kosmische Geschwindigkeiten ===
Ist <math>a = r</math> für alle <math>r</math>, entartet die Kepler-Bahn zu einer Kreisbahn; der Körper besitzt überall den gleichen Abstand <math>r</math> vom Schwerpunkt und entsprechend überall dieselbe Geschwindigkeit
:<math>v_1 = \sqrt{\frac{ G(m+M) }{r}}</math>,
die ''Kreisbahngeschwindigkeit'' oder [[erste kosmische Geschwindigkeit]].


Diese besondere Geschwindigkeit nennt man auch ''minimale Kreisbahngeschwindigkeit'' oder [[erste kosmische Geschwindigkeit]]: Bewegt sich ein umlaufender Körper mit dieser Geschwindigkeit um den Zentralkörper, so ist seine Umlaufbahn ein Kreis. Wird die Umlaufgeschwindigkeit dagegen (bei konstantem Abstand <math>r</math>) kleiner oder größer als <math>v_1</math>, entsteht als Umlaufbahn eine Ellipse.
Damit ein Körper den Einfluss des Zentralgestirns überwinden kann, muss die große Halbachse unendlich groß werden, es gilt also mit <math>a \to \infty</math>:
 
:<math>v_2=\sqrt {\frac {2G(m+M)}{r}} = v_1 \cdot \sqrt 2</math>
Wird deren große Halbachse unendlich groß, entsteht als „entartete“ Ellipse mit zweitem Brennpunkt im Unendlichen eine Parabel. Für solche Parabelbahnen erhält man dementsprechend durch Einsetzen von <math>a=\infty</math> als vereinfachte Form die Gleichung:
Diese Geschwindigkeit heißt ''Fluchtgeschwindigkeit'' oder [[zweite kosmische Geschwindigkeit]]. Die Umlaufbahn des Körpers ist dann nicht mehr geschlossen, sondern offen. Ist die Umlaufgeschwindigkeit des Körpers dabei genau gleich <math>v_2</math>, ist die Umlaufbahn eine Parabel, bei größeren Umlaufgeschwindigkeiten dagegen (bei ansonsten gleichbleibendem Abstand <math>r</math>) eine Hyperbel und die große Halbachse <math>a </math> wird (formell) negativ.
 
:<math>v_2=\sqrt {\frac {2 \mu}{r}} = v_1 \cdot \sqrt 2</math>
 
Diese besondere Geschwindigkeit nennt man auch ''Fluchtgeschwindigkeit'' oder [[zweite kosmische Geschwindigkeit]]: Bewegt sich ein umlaufender Körper mit dieser oder einer höheren Geschwindigkeit, kann er damit die gravitative Bindung an den Zentralkörper überwinden und seine Umlaufbahn ist dann nicht mehr geschlossen, sondern offen. Ist die Umlaufgeschwindigkeit des Körpers dabei genau gleich <math>v_2</math>, ist die Umlaufbahn eine Parabel, bei größeren Umlaufgeschwindigkeiten dagegen (bei ansonsten gleichbleibendem Abstand <math>r</math>) eine Hyperbel.
 
Ist die Masse <math>m</math> des umlaufenden Körpers im Verhältnis zu der Masse <math>M</math> des Zentralkörpers nicht vernachlässigbar, so kann man nicht mehr davon ausgehen, dass das Gravitationszentrum ([[Baryzentrum]]) des Systems in der Mitte des Zentralkörpers liegt. Die Masse des Umlaufenden Körpers (der damit eben kein „Probekörper“ mehr ist) muss dann berücksichtigt werden, wodurch sich die Vis-Viva-Gleichung folgendermaßen ändert:
 
:(2)&nbsp;&nbsp; <math>v^2 = G(M\!+\!m) \left({{ 2 \over{r}} - {1 \over{a}}}\right)</math>
 
Die damit beschriebene Umlaufgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich der jeweilige Körper auf seiner Umlaufbahn für einen außenstehenden Beobachter bzw. im Bezug auf einen gegebenen Fixpunkt (beispielsweise dem Baryzentrum) bewegt.
 
Die relative Geschwindigkeit der beiden Körper im Bezug zueinander ist dann die Umlaufgeschwindigkeit des entsprechenden Probekörpers um den Zentralkörper, die mit der herkömmlichen Vis-Viva-Gleichung (1) beschrieben wird.
 
==Herleitung==
 
Für die Herleitung der Vis-Viva-Gleichung gibt es verschiedene Ansätze bzw. Herangehensweisen. Im Folgenden sind drei Möglichkeiten dargestellt, die sich speziell auf Ellipsenbahnen beziehen und daher im entscheidenden Schritt auf die Beziehungen <math> \ 2a = r_P + r_A</math> bzw. <math> \ r_P = 2a-r_A</math> sowie die sich aus dem [[Keplersche Gesetze|2. Keplerschen Gesetz]] ergebende Gleichung <math> \ r_P v_P = r_A v_A</math> zurückgreifen, in denen <math>a</math> die große Halbachse der Ellipsenbahn, <math>r_P</math> und <math>r_A</math> deren Peri- und [[Apoapsis]]distanz sowie <math>v_P</math> und <math>v_A</math> die zugehörigen Bahngeschwindigkeiten sind.
 
Die Herleitungen sind unter der Annahme durchgeführt, dass die Masse des umlaufenden Körpers im Verhältnis zum Zentralkörper vernachlässigbar ist (1). Soll die Masse des umlaufenden Körpers berücksichtigt werden (2), so muss bei der kinetischen Energie anstelle der normalen Körpermasse <math>m</math> die [[reduzierte Masse]] <math>m_\text{red}</math> eingesetzt werden:
 
:<math>m_\text{red} = \frac{ M m }{M\!+\!m} \Rightarrow E_\mathrm{kin} = \frac{v^2}{2} \cdot \frac{ M m }{M\!+\!m}</math>
 
Dies ist ein Resultat dessen, dass die gesamte kinetische Energie der beiden beteiligten Körper die Summe der einzelnen kinetischen Energien ist:
 
:<math>E_\mathrm{kin} = \frac{M (v_M)^2 }{2} + \frac{m (v_m)^2}{2}</math>
 
<math>v_{M}\,\!</math> ist dabei die Geschwindigkeit des Zentralkörpers relativ zum [[Inertialsystem]] des Baryzentrums, <math>v_{m}\,\!</math> die entsprechende Relativgeschwindigkeit des umlaufenden Körpers und <math>v</math> die Relativgeschwindigkeit der beiden Körper zueinander.
 
===Erste Möglichkeit===
 
Im Schwerkraftfeld einer Zentralmasse ist laut dem Energieerhaltungssatz die Summe der potentiellen Energie <math>E_\mathrm{pot}</math> und kinetischen Energie <math>E_\mathrm{kin}</math> eines Körpers der Masse <math>m</math> konstant.
 
Die durch die Masse <math>M</math> des Zentralkörpers verursachte [[Gravitationskraft]] <math>F_\mathrm{G}</math>, die auf einen Körper der Masse <math>m</math> wirkt, ist dabei gemäß nachfolgender Formel abhängig von der Entfernung <math>x</math> des Körpers vom Gravitationszentrum des Zentralkörpers, im Falle einer homogenen Kugel also von ihrem Mittelpunkt:
 
:<math>F_\mathrm{G}(x) = G \frac{M m}{x^2}</math>
 
Die potentielle Energie, die der Körper gewinnt, wenn er von der Oberfläche des Zentralkörpers bis zu einer Position im Abstand <math>r</math> vom Gravitationszentrum gebracht wird, ergibt sich dementsprechend aus der [[Integralrechnung|Integration]] der auf ihn wirkenden Gravitationskraft entlang des von ihm dabei zurückgelegten Weges, wobei, da die Gravitationskraft radial wirkt, die Zunahme der potentiellen Energie allein vom überwundenen Höhenunterschied abhängt, eventuelle Seitwärtsbewegungen hier also keinerlei Rolle spielen:
 
: <math>E_\mathrm{pot}=\int_{r_0}^r F_\mathrm{G}(x)\,\mathrm dx=\int_{r_0}^r G \frac{M m}{x^2}\,\mathrm dx</math>
 
Dabei ist <math>r_0</math> der [[Radius|Ausgangsradius]],  <math>x</math> die momentane Entfernung des Körpers vom Gravitationszentrum, über die integriert wird, und <math>r</math> die am Ende erreichte Entfernung des Körpers vom Gravitationszentrum.
 
Wenn wir zur Vereinfachung der Schreibweise anstelle des Produkts <math>GM</math> fortan den Gravitationsparameter <math>\mu</math> benutzen wollen, liefert die obige Integration als Ergebnis schließlich folgenden Ausdruck:
 
: <math>E_\mathrm{pot}= \mu m\left({{1 \over{r_0}} - {1 \over{r}}}\right)</math>
 
Die kinetische Energie des Körpers ist bekannterweise:
 
:<math>E_\mathrm{kin} = \frac{1}{2} m v^2</math>
 
Der Energieerhaltungssatz für einen sich im Gravitationsfeld einer Zentralmasse bewegenden Körper sagt aus, dass die Summe seiner potentiellen und kinetischen Energie entlang der Flugbahn konstant bleibt, die Gesamtenergie <math>E</math> des Körpers also ganz allgemein wie folgt formuliert werden kann:
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v^2 + \mu m\left({{1 \over{r_0}} - {1 \over{r}}}\right)</math>
 
Jetzt betrachten wir die Gesamtenergie an den beiden beliebigen Punkten <math>P_1</math> und <math>P_2</math> mit <math>E_1 = {E_2}</math>:
 
:<math>\frac{1}{2} m v_1^2+ \mu m\left({{1 \over{r_0}} - {1 \over{r_1}}}\right) = \frac{1}{2} m v_2^2+ \mu m\left({{1 \over{r_0}} - {1 \over{r_2}}}\right)</math>
 
Division durch <math>m/2</math> und Subtraktion von <math>2\mu/r_0</math> auf beiden Gleichungsseiten liefert:
 
:<math>{v_1^2}-{2\mu\over{r_1}}={v_2^2}-{2\mu\over{r_2}}  </math>
 
Umgestellt nach <math>v_1^2</math> ergibt sich dann:
 
:<math>v_1^2=v_2^2+2\mu\left({{1 \over{r_1}} - {1 \over{r_2}}}\right)</math>
 
Wenn wir nun diese zunächst einmal für zwei beliebige Punkte im Raum geltende Gleichung auf eine Ellipse übertragen, können wir für <math>v_1</math> und <math>v_2</math> sowie <math>r_1</math> und <math>r_2</math> auch beispielsweise die Geschwindigkeiten <math>v_A</math> und <math>v_P</math> im [[Apozentrum]] und [[Perizentrum]] sowie die Apoapsis- und Periapsis-Distanz <math>r_A</math>  und <math>r_P</math> einsetzen:
 
:<math>v_A^2=v_P^2+2\mu\left({{1 \over{r_A}} - {1 \over{r_P}}}\right)</math>
 
Unter Zuhilfenahme der Beziehungen <math> \ 2a = r_P + r_A</math> bzw. <math> \ r_P = 2a-r_A</math> sowie der sich aus dem [[Keplersche Gesetze|2. Keplerschen Gesetz]] und der [[Drehimpulserhaltung]] ergebenden Gleichung <math> \ r_P v_P = r_A v_A</math> kann man die eben erhaltene Formel für <math>v_A^2</math> noch einmal wie folgt vereinfachen:
 
:<math>v_A^2=\mu\left({{2 \over{r_A}} - {1 \over{a}}}\right)</math>
 
Ersetzen wir nun in der Gleichung für <math>v_1^2</math> den Punkt <math>P_1</math> durch den „wirklich“ beliebigen Ellipsenpunkt <math>P</math> ohne alle Indizes und die Parameter des zweiten Punktes <math>P_2</math> durch die des Apozentrums, erhalten wir damit die folgende Gleichung, die sich problemlos zu der gesuchten Vis-Viva-Gleichung vereinfachen lässt:
 
:<math>v^2 = \mu\left({{2 \over{r_A}} - {1 \over{a}}}\right) + 2\mu\left({{1 \over{r}} - {1 \over{r_A}}}\right) \Leftrightarrow\ v^2=\mu\left({{2 \over{r}} - {1 \over{a}}}\right)</math>.
 
===Zweite Möglichkeit===
 
Die Schwer- oder [[Gravitationskraft]] <math>F_\mathrm{G}(x)</math> einer Masse <math>m</math>, deren Mittelpunkt sich im Abstand <math>x</math> vom Mittelpunkt einer zweiten Masse <math>M</math> befindet, kann mithilfe des [[Gravitationsgesetz]]es wie folgt berechnet werden:
 
:<math>F_\mathrm{G}(x) = m g = G \frac{M m}{x^2}</math>
 
Betrachtet man einen Körper, dessen Masse <math>m</math> im Verhältnis zu der Masse <math>M</math> des Zentralgestirns vernachlässigbar klein ist, so stellt die potentielle Energie des Körpers diejenige [[Arbeit (Physik)|Arbeit]] dar, welche gegen die [[Gravitationskraft]] <math>F_\mathrm{G}(x)</math> geleistet wird, wenn dieser Körper von einem Punkt im Abstand <math>r</math> vom Zentralkörper bis ins [[Unendlichkeit|Unendliche]] verschoben wird.
 
Damit berechnet sich seine potentielle Energie mit:
 
: <math>E_\mathrm{pot}=-\int_r^\infty m g \,\mathrm dx = -\int_r^\infty \frac{GMm}{x^2}  \,\mathrm dx</math>
 
Wird dabei der Faktor <math>GM</math> durch den Gravitationsparameter <math>\mu</math> ersetzt, liefert die Integration den Ausdruck:
 
: <math>E_\mathrm{pot}=-\frac{\mu m}{r}</math>
 
Die kinetische Energie des Körpers ist bekannterweise:
 
:<math>E_\mathrm{kin} = \frac{1}{2} m v^2</math>
 
Der Energieerhaltungssatz für einen sich im Gravitationsfeld einer Zentralmasse bewegenden Körper sagt aus, dass die Summe seiner potentiellen und kinetischen Energie entlang der Flugbahn konstant bleibt, die Gesamtenergie <math>E</math> des Körpers also ganz allgemein wie folgt formuliert werden kann:
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v^2-\frac{\mu m}{r}</math>
 
Wenn wir diese Gleichung nun auf eine Ellipse übertragen und für <math>v</math> und <math>r</math> zum Beispiel die Geschwindigkeit im Apozentrum <math>v_A</math> sowie die Apoapsis-Distanz <math>r_A</math> einsetzen, erhalten wir folgende Beziehung:
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v_A^2-\frac{\mu m}{r_A}</math>
 
Analog dazu erhalten wir für das Perizentrum die beiden einander gleichwertigen Gleichungen:
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v_P^2-\frac{\mu m}{r_P} \Leftrightarrow\ v_P^2 = \frac{2E}{m} + \frac{2 \mu}{r_P}</math>
 
Unter Zuhilfenahme der sich aus dem [[Keplersche Gesetze|2. Keplerschen Gesetz]] und der [[Drehimpulserhaltung]] ergebenden Gleichung <math> \ r_P v_P = r_A v_A</math> kann man die eben erhaltene Formel für <math>v_P^2</math> in eine für <math>v_A^2</math> umformen und den gewonnenen Ausdruck anschließend in die obige Energiegleichung des Apozentrums einsetzen, die sich durch Umstellen nach <math>E</math> und Zuhilfenahme der Beziehungen <math> \ 2a = r_P + r_A</math> bzw. <math> \ r_P = 2a-r_A</math> noch einmal vereinfachen lässt:
 
:<math>E = E \frac{r_P^2}{r_A^2} + \mu m \left(\frac{r_P - r_A}{r_A^2}\right) \Leftrightarrow\ E = -\frac{\mu m}{2 a}</math>
 
Einsetzen des erhaltenen Ausdrucks für <math>E</math> in die allgemeine Gleichung der Gesamtenergie
 
:<math>-\frac{\mu m}{2 a} = \frac{1}{2} m v^2-\frac{\mu m}{r}</math>
 
und Umstellen nach <math>v</math> liefert auch in diesem Fall zu guter Letzt die Vis-Viva-Gleichung:
 
:<math>v^2=\mu\left(\frac{2}{r} - \frac{1}{a}\right)</math>
 
===Dritte Möglichkeit===
 
Die dritte Möglichkeit geht wieder von den beiden Formeln für die Gesamtenergie im Apo- bzw. Perizentrum aus, multipliziert diese aber anschließend mit dem Quadrat der jeweiligen Distanz <math>r_A</math> bzw. <math>r_P</math>:
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v_A^2-\frac{\mu m}{r_A} \Leftrightarrow\ E \cdot r_A^2 = \frac{1}{2} m v_A^2r_A^2 - \mu m r_A</math>
 
:<math>E = \frac{1}{2} m v_P^2-\frac{\mu m}{r_P} \Leftrightarrow\ E \cdot r_P^2 = \frac{1}{2} m v_P^2r_P^2 - \mu m r_P</math>
 
Abermals unter Zuhilfenahme der schon erwähnten Gleichung <math> \ r_P v_P = r_A v_A</math> kann man nun in der zweiten der beiden neu erhaltenen Gleichungen den Ausdruck <math>v_P^2r_P^2</math> durch <math>v_A^2r_A^2</math> ersetzen und anschließend die Differenz der beiden Gleichungen bilden:
 
:<math>E \cdot r_A^2 - E \cdot r_P^2 = - \mu m r_A + \mu m r_P  = - \mu m(r_A - r_P)</math>
 
Division durch <math>\ r_A^2-r_P^2</math> und Ersetzen des erhaltenen Nenners <math>\ r_A + r_P</math> durch <math>\ 2a</math> liefert für die Gesamtenergie
 
:<math>E = -\frac{\mu m}{2 a}</math>
 
und daraus über die allgemeine Gleichung der Gesamtenergie
 
:<math>-\frac{\mu m}{2 a} = \frac{1}{2} m v^2-\frac{\mu m}{r}</math>
 
die gesuchte Vis-Viva-Gleichung:
 
:<math>v^2=\mu\left({{2 \over{r}} - {1 \over{a}}}\right)</math>


== Beispiel: Bahngeschwindigkeiten im Sonnensystem ==
== Beispiel: Bahngeschwindigkeiten im Sonnensystem ==
Im [[Sonnensystem]] ist die Sonne der dominierende Zentralkörper. Die Masse der Erde beträgt z.&nbsp;B. nur 1/330.000 der Sonnenmasse und kann bei der Anwendung der Vis-Viva-Gleichung vernachlässigt werden – der Fehler ist kleiner als die Vernachlässigung von [[Bahnstörung]]en durch Jupiter. Mit vernachlässigtem ''m'' ist <math>\mu</math> konstant, und es liegt nahe, diese Konstante bis auf eine Längeneinheit aus der Wurzel herauszuziehen und als Vorfaktor auszurechnen.
Im [[Sonnensystem]] ist die Sonne der dominierende Zentralkörper. Die Masse der Erde beträgt z.&nbsp;B. nur 1/330.000 der Sonnenmasse und kann bei der Anwendung der Vis-Viva-Gleichung vernachlässigt werden – der Fehler ist kleiner als die Vernachlässigung von [[Bahnstörung]]en durch Jupiter. Mit vernachlässigtem <math>m</math> ist <math>GM</math> für das jeweilige Zentralgestirn eine Konstante, und es liegt nahe, diese Konstante bis auf eine Längeneinheit aus der Wurzel herauszuziehen und als Vorfaktor auszurechnen.
 
Entfernungen im Sonnensystem liegen oft in [[Astronomische Einheit|Astronomischen Einheiten]] vor. Wir ziehen also <math>GM_\text{Sonne}/1\,\textrm{AE}</math> aus der Wurzel heraus. Der Vorfaktor hat dann nicht zufällig (siehe [[Gaußsche Gravitationskonstante]]) den Wert
:<math>\sqrt{GM/1\,\textrm{AE}} = 2\pi\,\text{AE pro Jahr} \approx 0{,}01720\,\text{AE pro Tag} \approx 29{,}785\,\textrm{km/s} \,</math>,
die mittlere Bahngeschwindigkeit der Erde um die Sonne.


Wir wollen zunächst die Geschwindigkeit der Erde auch im Perihel und im Aphel berechnen. Die Entfernungen zur Sonne in diesen beiden Punkten der Bahn betragen 0,983 AE bzw. 1,017 AE und ''a'' ist per Definition 1 AE. Also
Entfernungen im Sonnensystem liegen oft in [[Astronomische Einheit|Astronomischen Einheiten]] vor. Der Vorfaktor hat dann den Wert
:<math>v_\text{Perihel} = 29{,}785 \textrm{km/s} \sqrt {\frac{2}{0{,}983} - \frac{1}{1}} = 30{,}296 \textrm{km/s}</math>
:<math>\sqrt{GM/1\,\text{AE}} = 2\pi\,\text{AE pro Jahr} \approx 0{,}01720\,\text{AE pro Tag} \approx 29{,}785\,\text{km/s} \,</math>,
:<math>v_\text{Aphel} = 29{,}785 \textrm{km/s} \sqrt {\frac{2}{1{,}017} - 1} = 29{,}284 \textrm{km/s}</math>
die mittlere Bahngeschwindigkeit der Erde um die Sonne, der auch [[Gaußsche Gravitationskonstante]] genannt wird.


Nun noch die Geschwindigkeiten des gerade von der Raumsonde [[Rosetta (Sonde)|Rosetta]] besuchten Kometen [[Tschurjumow-Gerassimenko]] im Perihel, im Aphel und in 3&nbsp;AE Entfernung. ''a'' beträgt 3,503&nbsp;AE.
Für die Geschwindigkeiten der Erde im Perihel und im Aphel gilt mit einer Entfernung <math>r_\mathrm P = 0{,}983\,\text{AE}</math> bzw. <math>r_\mathrm A = 1{,}017\,\text{AE}</math> und der großen Halbachse <math>a = 1 \,\text{AE}</math>  
:<math>v_\text{Perihel} = 29{,}785\,\textrm{km/s} \sqrt {\frac{2}{1{,}289} - \frac{1}{3{,}503}} = 33{,}51\,\textrm{km/s}</math>
:<math>v_\text{P} = 29{,}785 \,\text{km/s} \sqrt {\frac{2}{0{,}983} - \frac{1}{1}} = 30{,}296 \,\text{km/s}</math>
:<math>v_\text{Aphel} = 29{,}785\,\textrm{km/s} \sqrt {\frac{2}{5{,}717} - \frac{1}{3{,}503}} = 7{,}56\,\textrm{km/s}</math>
:<math>v_\text{A} = 29{,}785 \,\text{km/s} \sqrt {\frac{2}{1{,}017} - 1} = 29{,}284 \,\text{km/s}</math>
:<math>v_\text{3 AE} = 29{,}785\,\textrm{km/s} \sqrt {\frac{2}{3} - \frac{1}{3{,}503}} = 18{,}39\,\textrm{km/s}</math>


== Siehe auch ==
und für den Kometen [[Tschurjumow-Gerassimenko]] im Perihel mit <math>r_\mathrm P = 1{,}289\,\text{AE}</math>, im Aphel mit <math>r_\mathrm A = 5{,}717\,\text{AE}</math> bei einer großen Halbachse von <math>a = 3{,}503\,\text{AE}</math>:
* [[Spezifische Bahnenergie]], relativ einfache Herleitung der Vis-Viva-Gleichung ausgehend von der Energieerhaltung
:<math>v_\text{P} = 29{,}785\,\text{km/s} \sqrt {\frac{2}{1{,}289} - \frac{1}{3{,}503}} = 33{,}51\,\text{km/s}</math>
:<math>v_\text{A} = 29{,}785\,\text{km/s} \sqrt {\frac{2}{5{,}717} - \frac{1}{3{,}503}} = 7{,}56\,\text{km/s}</math>


== Literatur ==
== Literatur ==

Aktuelle Version vom 14. Februar 2021, 10:40 Uhr

Die himmelsmechanische Vis-Viva-Gleichung liefert die lokale Geschwindigkeit von Körpern auf Keplerbahnen um einen dominierenden Himmelskörper, der durch seine Gravitation die anderen Körper beeinflusst. Durch den dominierenden Himmelskörper kann das System näherungsweise je Körper einzeln als Zweikörperproblem beschrieben werden, wobei die Einflüsse der verschiedenen Körper untereinander vernachlässigt werden. Die Keplerbahnen sind Kegelschnitte, also Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln, um den gemeinsamen Schwerpunkt, die durch die beiden Parameter der großen Halbachse und der Exzentrizität beschrieben werden.

Die Vis-Viva-Gleichung basiert auf dem Energieerhaltungssatz und dem Drehimpulserhaltungssatz, nach denen die Summe aus der kinetischen und potentiellen Energie beziehungsweise der Drehimpuls im Gravitationspotential konstant ist. Die Erhaltungssätze folgen daraus, dass das Gravitationspotential zeitlich konstant ist und nur von der Entfernung vom Zentrum, nicht aber vom Winkel abhängt; die Vis-Viva-Gleichung selbst benötigt als Anforderung vom Potential nur noch, dass die radiale Abhängigkeit umgekehrt proportional zum Radius ist.

Die kinetische Energie ist nur abhängig von der Geschwindigkeit des Körpers auf der Bahn und die potentielle Energie nur von der Entfernung. Dadurch ermöglicht die Vis-Viva-Gleichung eine Verknüpfung von Geschwindigkeit und momentaner Position des Körpers. Neben dem Gravitationsparameter des Systems geht als weiterer Parameter in die Gleichung nur die große Halbachse, nicht aber die Exzentrizität der Bahn des umlaufenden Objekts ein.

Etymologisch bezieht sich die Vis-Viva-Gleichung auf die vis viva, zu deutsch lebendige Kraft, in moderner Terminologie das Doppelte der kinetischen Energie.

Mathematische Formulierung

Die Vis-Viva-Gleichung für die Momentangeschwindigkeit eines Körpers, der sich auf einer Bahn um einen anderen Körper befindet, lautet:

$ v^{2}=G(M+m)\left({\frac {2}{r}}-{\frac {1}{a}}\right) $

Dabei ist $ r $ der Abstand der beiden Körper, $ v^{2} $ das Quadrat der Relativgeschwindigkeit zwischen den Körpern, $ a $ die große Halbachse der Bahn ($ a>0 $ für eine Ellipse, $ a\to \infty $ für eine Parabel und $ a<0 $ für eine Hyperbel), $ G $ die Gravitationskonstante und $ m $ sowie $ M $ die Massen der beiden Körper sind.

Herleitung

Die Herleitung der Vis-Viva-Gleichung folgt dem Energie- und Drehimpulserhaltungssatz. Im Gravitationspotential zweier Körper ist die Gesamtenergie durch

$ E={\frac {1}{2}}(m+M)v_{s}^{2}+{\frac {1}{2}}\mu v^{2}-G{\frac {mM}{r}} $

gegeben, wobei $ v_{s} $ die Geschwindigkeit des Schwerpunkts beschreibt und $ \mu $ die reduzierte Masse des Systems ist, definiert durch

$ \mu ={\frac {mM}{m+M}} $.

Ist einer der beiden Körper deutlich schwerer als der andere, gilt also $ M\gg m $, dann ist $ \mu \approx m $.

Aufgrund der Drehimpulserhaltung kann die Gesamtenergie mit dem Betrag des Drehimpulses $ L $ und dem Satz des Pythagoras zu

$ E={\frac {1}{2}}(m+M)v_{s}^{2}+{\frac {1}{2}}\mu {\dot {r}}^{2}+{\frac {L^{2}}{2mr^{2}}}-G{\frac {mM}{r}} $

umgeformt werden, wobei $ {\dot {r}} $ die Geschwindigkeit in radialer Richtung zum Schwerpunkt bezeichnet.

Aus dem Energieerhaltungssatz folgt für zwei beliebige Abstände $ r_{1} $ und $ r_{2} $

$ \mu {\dot {r}}_{1}^{2}+{\frac {\mu L^{2}}{2m^{2}r_{1}^{2}}}-G{\frac {mM}{r_{1}}}=\mu {\dot {r}}_{2}^{2}+{\frac {\mu L^{2}}{2m^{2}r_{2}^{2}}}-G{\frac {mM}{r_{2}}} $,

wobei der Beitrag der Energie durch die Bewegung des Schwerpunkts sich gegenseitig aufhebt. An den beiden Punkten, die auf einer Keplerbahn dem Zentralkörper am nächsten und entferntesten sind, der Periapsis $ r_{P} $ und der Apoapsis $ r_{A} $, verschwindet die radiale Komponente der Geschwindigkeit und es gilt somit

$ {\frac {\mu L^{2}}{2m^{2}r_{P}^{2}}}-G{\frac {mM}{r_{P}}}={\frac {\mu L^{2}}{2m^{2}r_{A}^{2}}}-G{\frac {mM}{r_{A}}} $

Daraus ergibt sich das Quadrat des Drehimpulses zu

$ L^{2}=2G{\frac {Mm^{3}}{\mu }}\left({\frac {r_{A}r_{P}}{r_{A}+r_{P}}}\right) $

und die Energie zu

$ E=-G{\frac {Mm}{r_{A}+r_{P}}} $

Aus der Geometrie der Kegelschnitte folgt mit $ \textstyle a={\frac {r_{P}+r_{A}}{2}} $

$ E=-G{\frac {Mm}{2a}} $.

Aus dieser Gleichung folgt mit der Definition der Gesamtenergie

$ v^{2}={\frac {2E}{\mu }}+2G{\frac {Mm}{\mu r}}=G(m+M)\left({\frac {2}{r}}-{\frac {1}{a}}\right) $

Kosmische Geschwindigkeiten

Ist $ a=r $ für alle $ r $, entartet die Kepler-Bahn zu einer Kreisbahn; der Körper besitzt überall den gleichen Abstand $ r $ vom Schwerpunkt und entsprechend überall dieselbe Geschwindigkeit

$ v_{1}={\sqrt {\frac {G(m+M)}{r}}} $,

die Kreisbahngeschwindigkeit oder erste kosmische Geschwindigkeit.

Damit ein Körper den Einfluss des Zentralgestirns überwinden kann, muss die große Halbachse unendlich groß werden, es gilt also mit $ a\to \infty $:

$ v_{2}={\sqrt {\frac {2G(m+M)}{r}}}=v_{1}\cdot {\sqrt {2}} $

Diese Geschwindigkeit heißt Fluchtgeschwindigkeit oder zweite kosmische Geschwindigkeit. Die Umlaufbahn des Körpers ist dann nicht mehr geschlossen, sondern offen. Ist die Umlaufgeschwindigkeit des Körpers dabei genau gleich $ v_{2} $, ist die Umlaufbahn eine Parabel, bei größeren Umlaufgeschwindigkeiten dagegen (bei ansonsten gleichbleibendem Abstand $ r $) eine Hyperbel und die große Halbachse $ a $ wird (formell) negativ.

Beispiel: Bahngeschwindigkeiten im Sonnensystem

Im Sonnensystem ist die Sonne der dominierende Zentralkörper. Die Masse der Erde beträgt z. B. nur 1/330.000 der Sonnenmasse und kann bei der Anwendung der Vis-Viva-Gleichung vernachlässigt werden – der Fehler ist kleiner als die Vernachlässigung von Bahnstörungen durch Jupiter. Mit vernachlässigtem $ m $ ist $ GM $ für das jeweilige Zentralgestirn eine Konstante, und es liegt nahe, diese Konstante bis auf eine Längeneinheit aus der Wurzel herauszuziehen und als Vorfaktor auszurechnen.

Entfernungen im Sonnensystem liegen oft in Astronomischen Einheiten vor. Der Vorfaktor hat dann den Wert

$ {\sqrt {GM/1\,{\text{AE}}}}=2\pi \,{\text{AE pro Jahr}}\approx 0{,}01720\,{\text{AE pro Tag}}\approx 29{,}785\,{\text{km/s}}\, $,

die mittlere Bahngeschwindigkeit der Erde um die Sonne, der auch Gaußsche Gravitationskonstante genannt wird.

Für die Geschwindigkeiten der Erde im Perihel und im Aphel gilt mit einer Entfernung $ r_{\mathrm {P} }=0{,}983\,{\text{AE}} $ bzw. $ r_{\mathrm {A} }=1{,}017\,{\text{AE}} $ und der großen Halbachse $ a=1\,{\text{AE}} $

$ v_{\text{P}}=29{,}785\,{\text{km/s}}{\sqrt {{\frac {2}{0{,}983}}-{\frac {1}{1}}}}=30{,}296\,{\text{km/s}} $
$ v_{\text{A}}=29{,}785\,{\text{km/s}}{\sqrt {{\frac {2}{1{,}017}}-1}}=29{,}284\,{\text{km/s}} $

und für den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko im Perihel mit $ r_{\mathrm {P} }=1{,}289\,{\text{AE}} $, im Aphel mit $ r_{\mathrm {A} }=5{,}717\,{\text{AE}} $ bei einer großen Halbachse von $ a=3{,}503\,{\text{AE}} $:

$ v_{\text{P}}=29{,}785\,{\text{km/s}}{\sqrt {{\frac {2}{1{,}289}}-{\frac {1}{3{,}503}}}}=33{,}51\,{\text{km/s}} $
$ v_{\text{A}}=29{,}785\,{\text{km/s}}{\sqrt {{\frac {2}{5{,}717}}-{\frac {1}{3{,}503}}}}=7{,}56\,{\text{km/s}} $

Literatur

  • Ernst Messerschmid, Stefanos Fasoulas: Raumfahrtsysteme. Eine Einführung mit Übungen und Lösungen. 2., aktualisierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-21037-7, S. 71–86.