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imported>Wassermaus (→Einheiten: wegen 1 Stokes = ... einheitlich auch 1 Poise = ...) |
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{{Infobox Physikalische Größe | {{Infobox Physikalische Größe | ||
| Name=dynamische Viskosität | | Name = dynamische Viskosität | ||
| Formelzeichen=<math>\eta</math>, <math>\mu</math> | | Formelzeichen = [[Eta|<math>\eta</math>]], [[My|<math>\mu</math>]] | ||
| SI=[[Pascal (Einheit)|Pa]]·[[Sekunde|s]]<br />=[[Newton (Einheit)|N]]·[[Sekunde|s]]·[[Meter|m]]<sup>−2</sup> | | Dim = | ||
| SI-Dimension=[[Masse (Physik)|M]]·[[Länge (Physik)|L]]<sup>−1</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | | AbgeleitetVon = | ||
| cgs=[[Poise|P]] | | SI = [[Pascal (Einheit)|Pa]]·[[Sekunde|s]]<br />= [[Newton (Einheit)|N]]·[[Sekunde|s]]·[[Meter|m]]<sup>−2</sup><br />= [[Kilogramm|kg]]·[[Meter|m]]<sup>−1</sup>·[[Sekunde|s]]<sup>−1</sup> | ||
| cgs-Dimension=[[Masse (Physik)|M]]·[[Länge (Physik)|L]]<sup>−1</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | | SI-Dimension = [[Masse (Physik)|M]]·[[Länge (Physik)|L]]<sup>−1</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | ||
| cgs = [[Poise|P]] | |||
| cgs-Dimension = [[Masse (Physik)|M]]·[[Länge (Physik)|L]]<sup>−1</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | |||
}} | }} | ||
{{Infobox Physikalische Größe | {{Infobox Physikalische Größe | ||
| Name=kinematische Viskosität | | Name= kinematische Viskosität | ||
| Formelzeichen=<math>\nu</math> | | Formelzeichen= [[Ny|<math>\nu</math>]] | ||
| SI=[[Meter|m]]<sup>2</sup>·[[Sekunde|s]]<sup>−1</sup> | | SI= [[Meter|m]]<sup>2</sup>·[[Sekunde|s]]<sup>−1</sup> | ||
| SI-Dimension=[[Länge (Physik)|L]]<sup>2</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | | SI-Dimension= [[Länge (Physik)|L]]<sup>2</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | ||
| cgs=[[Stokes (Einheit)|St]] | | cgs= [[Stokes (Einheit)|St]] | ||
| cgs-Dimension=[[Länge (Physik)|L]]<sup>2</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | | cgs-Dimension= [[Länge (Physik)|L]]<sup>2</sup>·[[Zeit|T]]<sup>−1</sup> | ||
}} | }} | ||
Die '''Viskosität''' bezeichnet die '''Zähflüssigkeit''' oder Zähigkeit von Flüssigkeiten und Gasen ([[Fluid]]en).<ref>{{Internetquelle |url=http://www.duden.de/rechtschreibung/Viskositaet |titel=Bedeutungsübersicht: Viskosität |hrsg=Duden online |abruf=2017-03-26}}</ref> Je höher die Viskosität ist, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es. | |||
Ohne weitere Angaben ist der Widerstand des Fluids gegenüber [[Scherung (Mechanik)|Scherung]] gemeint.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.spektrum.de/lexikon/physik/viskositaet/15282 |titel=Viskosität |werk=Lexikon der Physik |hrsg=Spektrum Akademischer Verlag |abruf=2017-11-16}}</ref> Sie wird daher als '''Scherviskosität''' bezeichnet, zur Abgrenzung gegenüber der [[Dehnviskosität]] bei Dehnung sowie der [[Volumenviskosität]] bei gleichmäßigem Druck. Des Weiteren wird zwischen der '''dynamischen Viskosität''' und der '''kinematischen Viskosität''' unterschieden. Die ''dynamische'' Viskosität ist das Verhältnis von Schubspannung und Geschwindigkeitsgradient. Der [[Kehrwert]] der dynamischen Viskosität ist die [[Fluidität]]. Die dynamische Viskosität <math>\eta</math> und die kinematische Viskosität <math>\nu</math> stehen über die [[Dichte]] <math>\rho</math> in direktem Zusammenhang, | |||
:<math>\eta = \nu \cdot \rho</math>. | |||
Teilchen zäher Flüssigkeiten sind stärker aneinander gebunden und somit weniger beweglich; man spricht von der ''inneren Reibung''. Sie resultiert ''nicht nur'' aus den Anziehungskräften zwischen den Teilchen des Fluids ([[Kohäsion (Chemie)|Kohäsion]]). Bei dünnflüssigeren Fluiden resultiert die Viskosität aus einem Impulsfluss im Fluid. Die Viskosität von [[Feststoff]]en ist vergleichsweise hoch und damit schwer bestimmbar. Statt Viskosität werden Begriffe wie [[Verlustfaktor]], [[Komplexer Schubmodul|Speicher- und Verlustmodul]] verwendet. | |||
Das Wort Viskosität geht auf den typisch zähflüssigen Saft der Beeren in der [[Gattung (Biologie)|Pflanzengattung]] [[Misteln]] (''Viscum'') zurück. Aus solchen Misteln wurde [[Vogelleim]] gewonnen. „Viskos“ bedeutet „zäh wie Vogelleim“. | |||
[[Datei:Viscosities.gif|mini|Die blaugrüne Flüssigkeit links ist niederviskos wie Wasser, die orange rechts hochviskos wie Honig.]] | |||
Die Viskosität taucht in der Berechnung des [[Viskoser Spannungstensor|viskosen Spannungstensors]] auf. | |||
[[ | |||
== Definition == | |||
[[Datei:Definition Viskositaet.png|mini|hochkant=1.4|Abbildung 1: Definition der Viskosität: Das Fluid (blau) wird zwischen ruhender Platte (unten) und bewegter Platte (oben) geschert.]] | |||
Man stelle sich zwei im Abstand <math>d</math> parallel angeordnete Platten der Fläche <math>A</math> vor. Zwischen diesen Platten befindet sich eine Flüssigkeit, die an beiden Platten haftet. In unserer Vorstellung soll der Raum mit der Flüssigkeit in Schichten unterteilt sein. Wird nun die obere Platte mit der Geschwindigkeit <math>v</math> bewegt, so bewegt sich die Schicht in unmittelbarer Nachbarschaft auf Grund der Haftung ebenfalls mit der Geschwindigkeit <math>v</math>. Da die untere Platte ruht, ruht auch ihre Nachbarschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei. Die Geschwindigkeit nimmt von der ruhenden Platte zur bewegten zu. | Man stelle sich zwei im Abstand <math>d</math> parallel angeordnete Platten der Fläche <math>A</math> vor. Zwischen diesen Platten befindet sich eine Flüssigkeit, die an beiden Platten haftet. In unserer Vorstellung soll der Raum mit der Flüssigkeit in Schichten unterteilt sein. Wird nun die obere Platte mit der Geschwindigkeit <math>v</math> bewegt, so bewegt sich die Schicht in unmittelbarer Nachbarschaft auf Grund der Haftung ebenfalls mit der Geschwindigkeit <math>v</math>. Da die untere Platte ruht, ruht auch ihre Nachbarschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei. Die Geschwindigkeit nimmt von der ruhenden Platte zur bewegten zu. | ||
Von der obersten, an der Platte haftenden Schicht geht eine Tangentialkraft auf die darunterliegende Schicht aus. Diese bewegt sich folglich mit der Geschwindigkeit <math>v_1</math> | Von der obersten, an der Platte haftenden Schicht geht eine Tangentialkraft auf die darunterliegende Schicht aus. Diese bewegt sich folglich mit der Geschwindigkeit <math>v_1.</math> Diese Schicht wirkt wiederum auf die darunterliegende Schicht und bewegt sie mit der Geschwindigkeit <math>v_2.</math> | ||
Im Experiment lässt sich zeigen, dass im Idealfall die Kraft <math>F</math>, die nötig ist, um die obere Platte zu bewegen, [[Proportionalität|proportional]] zur Fläche <math>A</math>, dem Geschwindigkeitsunterschied <math>\Delta v</math> und antiproportional zum Abstand der Platten <math>\Delta y</math> ist: | Im Experiment lässt sich zeigen, dass im Idealfall die Kraft <math>F</math>, die nötig ist, um die obere Platte zu bewegen, [[Proportionalität|proportional]] zur Fläche <math>A</math>, dem Geschwindigkeitsunterschied <math>\Delta v</math> und antiproportional zum Abstand der Platten <math>\Delta y</math> ist: | ||
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:<math>\tau=\eta\cdot\dot\gamma</math> | :<math>\tau=\eta\cdot\dot\gamma</math> | ||
==== Newtonsche Fluide | == Einheiten == | ||
Im [[SI-Einheitensystem]] gilt: Ein Stoff, der sich zwischen zwei Platten befindet, hat die dynamische Viskosität 1 [[Newton (Einheit)|N]][[Sekunde|s]]/[[Meter|m]]², wenn bei einer Größe der Platten von 1 m² und einem Plattenabstand von 1 m eine Kraft von 1 N benötigt wird, um die Platten mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s gegeneinander zu verschieben. Für die physikalische Einheit der dynamischen Viskosität gilt also: | |||
:<math>\mathrm{1\,N = [\eta] \cdot \left(\frac{m^2 \cdot m}{m \cdot s}\right) \Rightarrow [\eta] = \frac{N \cdot s}{m^2} = \frac{kg}{m \cdot s} = 1\,Pa \cdot s}</math> | |||
Für die SI-Einheit der kinematischen Viskosität gilt: | |||
:<math>[\nu] = \mathrm{\frac{m^2}{s}}</math> | |||
In der Praxis wird für die dynamische Viskosität neben der Pa·s (Pascalsekunde) außerdem der tausendste Teil der SI-Einheit mPa·s (Millipascalsekunde) für Medien niedriger Viskosität verwendet. | |||
Im [[CGS-Einheitensystem|CGS-System]] wird die dynamische Viskosität in ''[[Poise]]'' (P) gemessen, wobei {{nowrap|1=1 P = 1 [[Dyn (Einheit)|dyn]]·s/cm<sup>2</sup>}} = {{nowrap|1=0,1 N·s/m<sup>2</sup>}} = {{nowrap|1=1 dPa·s}} (Dezipascalsekunde), und die kinematische Viskosität in [[Stokes (Einheit)|Stokes]] (St) mit {{nowrap|1=1 St}} = {{nowrap|1=1 cm<sup>2</sup>/s}} = {{nowrap|1=10<sup>−4</sup> m<sup>2</sup>/s.}} | |||
Das [[Engler-Grad]] ist eine [[Veraltete Maßeinheiten|veraltete Einheit]] für die Viskosität. Diese Einheit gibt die Viskosität im Vergleich zu Wasser an. | |||
== Viskosität von Flüssigkeiten == | |||
[[Datei:Viskosität von Flüssigkeiten svg.svg|mini|hochkant=1.4|Abbildung 2: Modellvorstellung zur Viskosität: Links eine Veranschaulichung zum Geschwindigkeitsgradient (2), sowie die Form des Gradienten für den Betrag der Geschwindigkeit (gestrichelt). Für den genauen Verlauf siehe [[Korkenzieherströmung]]. Rechts eine Veranschaulichung für die ''verzahnten'' [[Molekül]]schichten (1).]] | |||
Den Effekt ''innerer [[Reibung]]'' kann man sich vereinfacht durch die Bewegung zweier übereinander liegender, ''verzahnter'' [[Molekül]]schichten vorstellen (siehe Abb. 2, Punkt 1). Beim Fließen gleiten die Moleküle aneinander vorbei, und um die ''Verzahnung'' zu überwinden, benötigt man eine gewisse Kraft. Den Zusammenhang zwischen dieser Kraft und den Eigenschaften des vorliegenden Fluids definiert die Viskosität. Erkennbar wird dieser Zusammenhang besonders gut an der homologen Reihe der [[Alkane]] (kettenförmige Kohlenwasserstoffe), hier steigt die Viskosität mit der Kettenlänge und damit den zunehmenden intermolekular wirkenden [[Van-der-Waals-Kräfte]]n kontinuierlich an. Bei den mittleren Alkanen (ab [[Nonan]], neun C-Atome) hat sie bereits einen Wert ähnlich dem von Wasser. | |||
Sehr gut veranschaulichen kann man sich die Viskosität auch an folgendem Beispiel: gleitet Wind über das Wasser eines Ozeans, erzeugt dies eine Bewegung der Wasserschicht an der Oberfläche. Je tiefer man nun taucht, desto ruhiger wird das Wasser, bis man einen Punkt erreicht, wo keine Strömung herrscht. Die einzelnen Flüssigkeitsschichten bewegen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit <math>v</math>, es entsteht ein Geschwindigkeitsgradient (siehe Abb. 2, Punkt 2). | |||
=== Newtonsche Fluide === | |||
Handelt es sich um sehr dünne Fluidschichten,<ref>{{Literatur |Autor=Valentin Schröder |Titel=Prüfungstrainer Strömungsmechanik |Verlag=Vieweg & Teubner |Datum=2011 |Seiten=1 |DOI=10.1007/978-3-8348-8274-5_1}}</ref> so ist der Geschwindigkeitsverlauf linear, wie in obiger Herleitung. Dieser Zusammenhang wurde bereits 1687 von [[Isaac Newton]] unterstellt: | Handelt es sich um sehr dünne Fluidschichten,<ref>{{Literatur |Autor=Valentin Schröder |Titel=Prüfungstrainer Strömungsmechanik |Verlag=Vieweg & Teubner |Datum=2011 |Seiten=1 |DOI=10.1007/978-3-8348-8274-5_1}}</ref> so ist der Geschwindigkeitsverlauf linear, wie in obiger Herleitung. Dieser Zusammenhang wurde bereits 1687 von [[Isaac Newton]] unterstellt: | ||
{{Zitat | {{Zitat | ||
|Text=The resistance which arises from the lack of slipperiness originating in a fluid – other things being equal – is proportional to the velocity by which the parts of the fluid are being separated from each other. | |||
|Sprache=en | |||
|Autor=Isaac Newton | |||
|Quelle=''[[Philosophiae Naturalis Principia Mathematica]]'' | |||
|Übersetzung=Der Widerstand, der durch den Mangel an Gleitfähigkeit innerhalb einer Flüssigkeit entsteht, ist – vorausgesetzt, dass alle anderen Bedingungen gleich bleiben – proportional zu der Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkeitsteilchen voneinander getrennt werden. | |||
|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Deepak Doraiswamy |Hrsg=The Society of Rheology |Titel=The Origins of Rheology: A Short Historical Excursion |Sammelwerk=Rheology Bulletin |Band=71 |Nummer=2 |Datum=2002-01 |Seiten=2 |Sprache=en |Online=http://www.rheology.org/sor/publications/Rheology_B/Jan02/Origin_of_Rheology.pdf |Format=PDF}}</ref>}} | |||
[[Datei:Viskositaet1.svg|mini|Abbildung 3: Schubspannungs-Schergeschwindigkeits-Diagramm:<br />''1:'' dilatantes Fluid<br />''2:'' Newtonsches Fluid<br />''3:'' Scherverdünnendes (pseudoplastisches) Fluid<br />''4:'' Bingham-plastisches Fluid<br />''5:'' Casson-plastisches Fluid | [[Datei:Viskositaet1.svg|mini|Abbildung 3: Schubspannungs-Schergeschwindigkeits-Diagramm:<br />''1:'' Scherverzähendes ([[Dilatanz (Fluid)|dilatantes]]) Fluid<br />''2:'' [[Newtonsches Fluid]]<br />''3:'' [[Strukturviskosität|Scherverdünnendes]] (pseudoplastisches) Fluid<br />''4:'' [[Bingham-Fluid|Bingham-plastisches Fluid]]<br />''5:'' Casson-plastisches Fluid<br />Nach rechts ist die Schergeschwindigkeit und nach oben die daraus resultierende [[Schubspannung]] angetragen.]] | ||
Flüssigkeiten, die diesem linearen Zusammenhang folgen, werden deswegen als [[Newtonsches Fluid|Newtonsche Fluide]] bezeichnet. Ist <math>\eta</math> von <math>v</math> abhängig, so bezeichnet man die Flüssigkeit als ''nicht-newtonsch'' oder ''nichtnewtonsch''. Beim Newtonschen Viskositätsgesetz wird stets [[laminare Strömung]] sowie Temperatur- und Druckunabhängigkeit der Flüssigkeitseigenschaften angenommen. Für diese Stoffe stellt sich das im Schubspannungs-Schergeschwindigkeits-Diagramm gezeigte, lineare Geschwindigkeitsprofil ein (Abb. 3, Kurve 2: Newtonsches Fluid). | |||
In den [[Rheologisches Modell|rheologischen Modellen]] wird das Newtonsche Verhalten durch das ''Newton''-Element, einem Dämpfungszylinder ähnlich einem [[Stoßdämpfer]], dargestellt. | |||
=== Nicht-Newtonsche Fluide === | |||
Viele Substanzen folgen diesem Gesetz jedoch nicht, sondern zeigen ein zeit- oder [[schergeschwindigkeit]]sabhängiges Verhalten. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Abweichung: | Viele Substanzen folgen diesem Gesetz jedoch nicht, sondern zeigen ein zeit- oder [[schergeschwindigkeit]]sabhängiges Verhalten. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Abweichung: | ||
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Im allgemeinen Fall muss das Schergefälle <math>\dot\gamma</math> aus dem [[Scherung (Mechanik)|Scherwinkel]] in der Flüssigkeit berechnet werden und nicht über den Geschwindigkeitsgradienten. Das Verhältnis <math>\frac{\tau}{\dot\gamma}</math> wird in diesem Fall auch ''scheinbare Viskosität'' genannt.<ref>Alexander Y. Malkin, Avraam I. Isayev: ''Rheology. Concepts, Methods and Application.'' 2. Auflage. Toronto 2012.</ref> | Im allgemeinen Fall muss das Schergefälle <math>\dot\gamma</math> aus dem [[Scherung (Mechanik)|Scherwinkel]] in der Flüssigkeit berechnet werden und nicht über den Geschwindigkeitsgradienten. Das Verhältnis <math>\frac{\tau}{\dot\gamma}</math> wird in diesem Fall auch ''scheinbare Viskosität'' genannt.<ref>Alexander Y. Malkin, Avraam I. Isayev: ''Rheology. Concepts, Methods and Application.'' 2. Auflage. Toronto 2012.</ref> | ||
[[Viskoelastizität|Viskoelastische]] Materialien können mit der [[Komplexe Viskosität|komplexen Viskosität]], bei der von einer [[ | [[Viskoelastizität|Viskoelastische]] Materialien können mit der [[Komplexe Viskosität|komplexen Viskosität]], bei der von einer [[sinus]]förmigen Scherung ausgegangen wird, beschrieben werden. | ||
Typische | Typische Nicht-Newtonsche Fluide sind zusammengesetzte Substanzen wie [[Blut]] und [[Ketchup]]. Da Blut sowohl aus den festen Substanzen des [[Hämatokrit]]s als auch des [[Blutplasma]]s besteht, das Mischungsverhältnis jedoch stark variiert, verändert sich auch die Viskosität. Bei hohem Anteil der festen Substanzen ist z. B. die Leistungsfähigkeit in [[Ausdauer]]-Sportarten deutlich erhöht, bei zu hohen durch [[Doping]] kann dies zum Tod führen.<ref>[[Arnd Krüger]]: 50 Prozent Hämatokrit – eine willkürliche Grenze (NZZ, 11. Juni 1999), in: LimmatsharksZürich. {{Webarchiv |url=http://www.svl.ch/cms2/index.php/doping-archiv/178-50-prozent-haematokrit-eine-willkuerliche-grenze-juni-99 |text=''online'' |wayback=20141006112330}}</ref> | ||
=== Temperaturabhängigkeit === | === Temperaturabhängigkeit === | ||
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mit | mit | ||
* <math>\eta_0</math> eine [[Materialkonstante]] | * <math>\eta_0</math> eine [[Materialkonstante]] | ||
*<math>E_\mathrm A</math> die [[Aktivierungsenergie]] (auch Platzwechselenergie) | * <math>E_\mathrm A</math> die [[Aktivierungsenergie]] (auch Platzwechselenergie) | ||
* <math>R</math> die allgemeine [[Gaskonstante]] | * <math>R</math> die allgemeine [[Gaskonstante]] | ||
* <math>T</math> die [[absolute Temperatur]]. | * <math>T</math> die [[absolute Temperatur]]. | ||
Bei Flüssigkeiten in der Nähe (d. h. bis ca. 100 [[Kelvin|K]] über) der [[Glasübergangstemperatur]] gilt meist die [[Williams-Landel-Ferry-Gleichung|WLF-Beziehung]]. Hier dominiert nämlich das sehr geringe freie Volumen, das in der Nähe der Glasübergangstemperatur viel stärker von der Temperatur abhängt als die Kettenbeweglichkeit, die hinter der Arrhenius-Andrade-Beziehung steht. | Bei Flüssigkeiten in der Nähe (d. h. bis ca. 100 [[Kelvin|K]] über) der [[Glasübergangstemperatur]] gilt meist die [[Williams-Landel-Ferry-Gleichung|WLF-Beziehung]]. Hier dominiert nämlich das sehr geringe freie Volumen, das in der Nähe der Glasübergangstemperatur viel stärker von der Temperatur abhängt als die Kettenbeweglichkeit, die hinter der Arrhenius-Andrade-Beziehung steht. | ||
Die Abhängigkeit der ''kinematischen Viskosität'' von der Temperatur wird bei [[ | Die Abhängigkeit der ''kinematischen Viskosität'' von der Temperatur wird bei [[Öle]]n durch den [[Viskositätsindex]] beschrieben. | ||
Speziell für Wasser lässt sich die Viskosität im Temperaturbereich zwischen 0 °C und 100 °C mit nachfolgend angegebener Gebrauchsformel ermitteln<ref>{{Internetquelle |autor=tec-science |url=https://www.tec-science.com/de/mechanik/gase-und-fluessigkeiten/viskositat-von-flussigkeiten-und-gasen/ |titel=Viskosität von Flüssigkeiten und Gasen |werk=tec-science |datum=2020-03-25 |sprache=de-DE |abruf=2020-05-07}}</ref>. Dabei ist die Temperatur in der Einheit Kelvin einzusetzen. Der damit berechnete Wert entspricht der dynamischen Viskosität in der Einheit Pa·s. | |||
:<math>\eta_\text{Wasser} = \frac{1}{0{,}1 \cdot T^2 - 34{,}335 \cdot T + 2472}</math> | |||
=== Messung === | === Messung === | ||
[[Datei:Couette rotational rheometer - Plate plate and cone plate systems2.svg|mini|Messanordnungen von links nach rechts: koaxiale Zylinder, Platte-Platte, Kegel-Platte; bewegter Teil in Orange, unbewegter Teil in | [[Datei:Couette rotational rheometer - Plate plate and cone plate systems2.svg|mini|Messanordnungen von links nach rechts: koaxiale Zylinder, Platte-Platte, Kegel-Platte; bewegter Teil in Orange, unbewegter Teil in blassem Violett, Fluid in Hellblau]] | ||
Die Viskosität von Flüssigkeiten kann mit einem [[Viskosimeter]] z. B. gemäß EN ISO 3219 gemessen werden. Ein [[Rheometrie|Rheometer]] ermöglicht es, darüber hinaus noch weitere rheologische Eigenschaften, auch von Festkörpern, zu bestimmen. Bei beiden Gerätetypen wird entsprechend der Viskositätsdefinition die zu messende Probe im Spalt zwischen zwei Körpern (z. B. zwei [[koaxial]]en Zylindern oder zwei parallelen Platten) eingebracht. Ein Teil der Anordnung [[Rotation (Physik)|rotiert]] oder [[Schwingung|oszilliert]] mit definierter Geschwindigkeit, während der andere ruht. Aus der Geometrie der Messanordnung und der Geschwindigkeit des bewegten Teiles ergibt sich die Schergeschwindigkeit. Das zur Aufrechterhaltung der Bewegung notwendige [[Drehmoment]] wird gemessen, woraus sich dann die Schubspannung und damit die Viskosität ermitteln lässt. | Die Viskosität von Flüssigkeiten kann mit einem [[Viskosimeter]] z. B. gemäß EN ISO 3219 gemessen werden. Ein [[Rheometrie|Rheometer]] ermöglicht es, darüber hinaus noch weitere rheologische Eigenschaften, auch von Festkörpern, zu bestimmen. Bei beiden Gerätetypen wird entsprechend der Viskositätsdefinition die zu messende Probe im Spalt zwischen zwei Körpern (z. B. zwei [[koaxial]]en Zylindern oder zwei parallelen Platten) eingebracht. Ein Teil der Anordnung [[Rotation (Physik)|rotiert]] oder [[Schwingung|oszilliert]] mit definierter Geschwindigkeit, während der andere ruht. Aus der Geometrie der Messanordnung und der Geschwindigkeit des bewegten Teiles ergibt sich die Schergeschwindigkeit. Das zur Aufrechterhaltung der Bewegung notwendige [[Drehmoment]] wird gemessen, woraus sich dann die Schubspannung und damit die Viskosität ermitteln lässt. | ||
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[[Datei:Viscosity of liquids de.svg|mini|Viskosität verschiedener Flüssigkeiten in Abhängigkeit von der Temperatur]] | [[Datei:Viscosity of liquids de.svg|mini|Viskosität verschiedener Flüssigkeiten in Abhängigkeit von der Temperatur]] | ||
[[Datei:Viscosity of glycerol solutions de.svg|mini|Viskosität der Lösungen von Glycerin oder Saccharose (Rohrzucker) in Wasser, in Abhängigkeit vom Massenanteil, für die Glycerinlösungen auch bei unterschiedlichen Temperaturen]] | [[Datei:Viscosity of glycerol solutions de.svg|mini|Viskosität der Lösungen von Glycerin oder Saccharose (Rohrzucker) in Wasser, in Abhängigkeit vom Massenanteil, für die Glycerinlösungen auch bei unterschiedlichen Temperaturen]] | ||
[[Datei:University of Queensland Pitch drop experiment-white bg.jpg|mini|Das [[Pechtropfenexperiment]] – ein seit 1927 laufendes [[Langzeitexperiment]] zur Viskosität von [[Pech (Stoff)|Pech]]; einem [[superzäh]]en Material.]] | |||
<!-- HINWEIS: Eigenartigerweise werden die Sortkeywerte hier als Zeichenkette gelesen, und nicht als Zahl. Das würde zu folgender Sortierung führen: ein Beispiel mit Werten aus der Tabelle: 10 > 100 > 1000 > 10000 > 1480 > 2,31 > 30 > 4. Um das zu vermeiden sind die Sortkeywerte einiger Einträge entsprechend angepasst, was zu (nur auf den ersten Blick) unlogischen Einträgen führt. --> | <!-- HINWEIS: Eigenartigerweise werden die Sortkeywerte hier als Zeichenkette gelesen, und nicht als Zahl. Das würde zu folgender Sortierung führen: ein Beispiel mit Werten aus der Tabelle: 10 > 100 > 1000 > 10000 > 1480 > 2,31 > 30 > 4. Um das zu vermeiden sind die Sortkeywerte einiger Einträge entsprechend angepasst, was zu (nur auf den ersten Blick) unlogischen Einträgen führt. --> | ||
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! Substanz | ! Substanz | ||
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| [[Wasser]] (5 °C) | | [[Wasser]] (5 °C) | ||
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| [[Blut]] (37 °C) | | [[Blut]] (37 °C) | ||
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| [[Traubensaft]] | | [[Traubensaft]] | ||
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| [[Kaffeesahne]] | | [[Kaffeesahne]] | ||
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|[[Ethylenglycol]] (20 °C) | |[[Ethylenglycol]] (20 °C) | ||
|20,81<ref>{{Literatur |Autor=Nikos G. Tsierkezos, Ioanna E. Molinou |Titel=Thermodynamic Properties of Water + Ethylene Glycol at 283.15, 293.15, 303.15, and 313.15 K |Sammelwerk=Journal of Chemical & Engineering Data |Band=43 |Nummer=6 |Datum=1998-11-01 |ISSN=0021-9568 |Seiten=989–993 |DOI=10.1021/je9800914}}</ref> | |20,81<ref>{{Literatur |Autor=Nikos G. Tsierkezos, Ioanna E. Molinou |Titel=Thermodynamic Properties of Water + Ethylene Glycol at 283.15, 293.15, 303.15, and 313.15 K |Sammelwerk=Journal of Chemical & Engineering Data |Band=43 |Nummer=6 |Datum=1998-11-01 |ISSN=0021-9568 |Seiten=989–993 |DOI=10.1021/je9800914}}</ref> | ||
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| [[ | | [[Pentan]] (25 °C) | ||
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| [[ | | [[Hexan]] | ||
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| [[Paraffinöl]] | | [[Paraffinöl]] | ||
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| [[Benzol]] (25 °C) | | [[Benzol]] (25 °C) | ||
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| [[Essigsäure]] (80% | | [[Essigsäure]] (80%ige bei 25 °C) | ||
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| [[Petroleum]] | | [[Petroleum]] | ||
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| [[Asphalt]] (je nach Rezeptur) | | [[Asphalt]] (je nach Rezeptur) | ||
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| [[Aluminium]]schmelze (700 °C) | | [[Aluminium]]schmelze (700 °C) | ||
| | | ≈ 2<ref>Nikolaj I. Koškin, Michail G. Širkevič: ''Elementarphysik griffbereit: Definitionen · Gesetze · Tabellen.'' 2013, ISBN 978-3-322-84038-7, S. 41.</ref><ref>Walter Blanke: ''Thermophysikalische Stoffgrößen – Wärme- und Stoffübertragung.'' 2013, ISBN 978-3-662-10545-0, S. 146.</ref> | ||
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Bei Polymeren gibt es einen sehr breiten Bereich an Viskositäten, der im Wesentlichen von der Kettenlänge und deren Verzweigungsstruktur, aber auch von der Schergeschwindigkeit abhängt, da sie [[Strukturviskosität]] aufweisen. Es ist | Bei Polymeren gibt es einen sehr breiten Bereich an Viskositäten, der im Wesentlichen von der Kettenlänge und deren Verzweigungsstruktur, aber auch von der Schergeschwindigkeit abhängt, da sie [[Strukturviskosität]] aufweisen. Es ist deshalb nicht sinnvoll, für Polymere einen einzigen Viskositätswert anzugeben. Die genannten Werte dienen nur als Größenordnung. Hergestellt werden z. B. [[Silikonöle]] (PDMS) mit definierten Viskositäten zwischen 0,6 mPa·s bei 25 °C und 1000 Pa·s bei 27 °C. Polymerschmelzen können aber auch noch sehr viel höhere Viskositäten aufweisen. Bei einem [[Polyethylen#PE-Typen|UHMW-HDPE]] (für [[Endoprothese#Hüfte|Hüftgelenksimplantate]]) wurden bei 150 °C Viskositäten jenseits der 10<sup>10</sup> Pa·s gemessen. | ||
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<ref group="Anm." name="Blut"> | <ref group="Anm." name="Blut"> | ||
Die Werte für Blut gelten wohl für Vollblut und schwanken stark mit dem Aufenthaltsort in den jeweiligen Blutgefäßen. In Kapillaren sind die sonst oblaten (scheibchenförmigen) roten Blutkörperchen prolat (länglich) verformt, wodurch die Viskosität wesentlich sinkt. Feinste Kapillaren sind überhaupt nur so dick wie einzelne Blutkörperchen, sodass dort sog. [[Pfropfenströmung|Pfropfströmung]] auftritt, eine Viskosität kann dann nicht mehr sinnvoll definiert werden. In großen Gefäßen stapeln sich rote Blutkörperchen zu langen Aggregaten, wodurch die Viskosität ebenfalls erheblich verringert wird. Weniger viskos ist (gelbliches) [[Blutplasma]] und noch geringer aus abgeschürfter Haut dringendes farbloses [[Wundsekret]] oder [[Lymphe]]. In der Literatur wird die Viskosität von Blut in großen Gefäßen, bei schneller Strömung und bei normalem [[Hämatokrit]] mit 3–4 mPa·s angegeben. | Die Werte für Blut gelten wohl für Vollblut und schwanken stark mit dem Aufenthaltsort in den jeweiligen Blutgefäßen. In Kapillaren sind die sonst oblaten (scheibchenförmigen) roten Blutkörperchen prolat (länglich) verformt, wodurch die Viskosität wesentlich sinkt. Feinste Kapillaren sind überhaupt nur so dick wie einzelne Blutkörperchen, sodass dort sog. [[Pfropfenströmung|Pfropfströmung]] auftritt, eine Viskosität kann dann nicht mehr sinnvoll definiert werden. In großen Gefäßen stapeln sich rote Blutkörperchen zu langen Aggregaten, wodurch die Viskosität ebenfalls erheblich verringert wird. Weniger viskos ist (gelbliches) [[Blutplasma]] und noch geringer aus abgeschürfter Haut dringendes farbloses [[Wundsekret]] oder [[Lymphe]]. In der Literatur wird die Viskosität von Blut in großen Gefäßen, bei schneller Strömung und bei normalem [[Hämatokrit]] mit 3–4 mPa·s angegeben. | ||
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<ref group="Anm." name="Steinsalz"> | <ref group="Anm." name="Steinsalz"> | ||
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== Viskosität von Gasen == | == Viskosität von Gasen == | ||
Bei Fluiden mit niedriger Viskosität entspricht das Bild der inneren Reibung „nicht den physikalisch korrekten Vorstellungen über molekülbedingte Transportvorgänge in Fluiden“.<ref name="durst">{{Literatur |Autor=F. Durst |Titel=Grundlagen der Strömungsmechanik |Verlag=Springer |Datum=2006 |ISBN=3-540-31323-0 |Seiten=62f}}</ref> Stattdessen resultiert hier die Viskosität im Fluid aus einem Impulsfluss, der mit dem folgenden Bild veranschaulicht werden kann: Die [[Stromfaden|Stromfäden]] in der Strömung werden durch [[Zug (Schienenverkehr)|Züge]] versinnbildlicht, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit parallel | Bei Fluiden mit niedriger Viskosität entspricht das Bild der inneren Reibung „nicht den physikalisch korrekten Vorstellungen über molekülbedingte Transportvorgänge in Fluiden“.<ref name="durst">{{Literatur |Autor=F. Durst |Titel=Grundlagen der Strömungsmechanik |Verlag=Springer |Datum=2006 |ISBN=3-540-31323-0 |Seiten=62f}}</ref> Stattdessen resultiert hier die Viskosität im Fluid aus einem Impulsfluss, der mit dem folgenden Bild veranschaulicht werden kann: Die [[Stromfaden|Stromfäden]] in der Strömung werden durch [[Zug (Schienenverkehr)|Züge]] versinnbildlicht, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit parallel nebeneinanderher fahren und mit Sandsäcken beladen sind. Die Sandsäcke entsprechen den Fluidelementen im Stromfaden. Personen auf den Zügen werfen die Sandsäcke auf den jeweils anderen Zug, was der zufälligen [[Brownsche Bewegung|thermischen Bewegung]] der Fluidelemente zwischen den Stromfäden gleichkommt. Landet ein Sack des langsameren Zuges auf dem schnelleren, dann nimmt der Sandsack Impuls auf, den der schnellere Zug an ihn abgibt und so selbst langsamer wird. Wenn umgekehrt ein Sack des schnelleren Zuges auf dem langsameren landet, nimmt der Zug den Impuls des Sandsacks auf und wird so selbst schneller. Durch diesen Impulsaustausch wird der schnellere Zug abgebremst und der langsamere beschleunigt. | ||
Viskosität stellt demnach einen Impulsfluss von einem schneller fließenden Stromfaden auf einen langsamer fließenden dar. In einer [[Kontinuumsströmung]] tauschen die Fluidelemente | Viskosität stellt demnach einen Impulsfluss von einem schneller fließenden Stromfaden auf einen langsamer fließenden dar. In einer [[Kontinuumsströmung]] tauschen die Fluidelemente Impulse über die zwischen ihnen wirkenden [[Mechanische Spannung|Spannungen]] aus. Zwischen den unterschiedlich schnell nebeneinanderher fließenden Stromfäden kommt es zu [[Schubspannung]]en, die sich makroskopisch als Viskosität bemerkbar machen. | ||
=== Abschätzung === | === Abschätzung === | ||
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mit der [[Freie Weglänge|freien Weglänge]] <math>\lambda</math> für die Gasteilchen, der Masse der Gasteilchen <math>m</math>, der mittleren Teilchengeschwindigkeit <math>v</math> und der Teilchenzahldichte <math>n</math>. | mit der [[Freie Weglänge|freien Weglänge]] <math>\lambda</math> für die Gasteilchen, der Masse der Gasteilchen <math>m</math>, der mittleren Teilchengeschwindigkeit <math>v</math> und der Teilchenzahldichte <math>n</math>. | ||
Die Viskosität von Gasen ist bei niedrigen Drücken ( | Die Viskosität von Gasen ist bei niedrigen Drücken (≈ 0,1 bis 10 bar) unabhängig vom [[Druck (Physik)|Druck]]. Dies gilt solange, wie die freie Weglänge klein gegenüber den Gefäßabmessungen und groß gegenüber den Molekülabmessungen ist. Mit anderen Worten: Für ein sehr dünnes oder ein sehr dichtes Gas wird die Viskosität doch wieder vom Druck beziehungsweise der Dichte des Gases abhängig. | ||
Grundsätzlich abhängig ist die Viskosität aber von der Temperatur. Mit zunehmender Temperatur steigt die Viskosität, da die mittlere Teilchengeschwindigkeit <math>v</math> proportional zu <math>T^{0{,}5}</math> wächst (siehe unten). Dieses Verhalten ist bei den meisten Flüssigkeiten genau entgegengesetzt. Die folgende Tabelle listet zu einigen Gasen die Viskositäten und freien Weglängen auf. | Grundsätzlich abhängig ist die Viskosität aber von der Temperatur. Mit zunehmender Temperatur steigt die Viskosität, da die mittlere Teilchengeschwindigkeit <math>v</math> proportional zu <math>T^{0{,}5}</math> wächst (siehe unten). Dieses Verhalten ist bei den meisten Flüssigkeiten genau entgegengesetzt. Die folgende Tabelle listet zu einigen Gasen die Viskositäten und freien Weglängen auf. | ||
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! class="unsortable"| Gas<br />unter Normalbedingungen | |||
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:<math> \mathbf S=\mathbf S (\operatorname{grad}\vec v) </math> | :<math> \mathbf S=\mathbf S (\operatorname{grad}\vec v) </math> | ||
Der Operator grad bildet aus der Geschwindigkeit <math>\vec v</math> den [[Geschwindigkeitsgradient]]. Da kein Impulsfluss bei homogener Strömung <math> ( \vec v=\text{const.}</math> oder <math>\operatorname{grad}\vec v=\mathbf 0),</math> enthält der Reibungstensor keine Komponenten, die unabhängig vom Geschwindigkeitsgefälle sind. In [[Newtonsches Fluid| | Der Operator grad bildet aus der Geschwindigkeit <math>\vec v</math> den [[Geschwindigkeitsgradient]]. Da kein Impulsfluss bei homogener Strömung <math> ( \vec v=\text{const.}</math> oder <math>\operatorname{grad}\vec v=\mathbf 0),</math> enthält der Reibungstensor keine Komponenten, die unabhängig vom Geschwindigkeitsgefälle sind. In [[Newtonsches Fluid|Newtonschen Fluiden]] sind die Spannungen linear in den Geschwindigkeitsgradienten, eine Annahme, die gerechtfertigt ist, wenn der Geschwindigkeitsgradient im Sinne der [[Hydrodynamik]] klein ist. | ||
Weiterhin tritt keine Viskosität auf, wenn sich die Strömung in starrer Rotation (<math>\vec v=\vec \Omega \times \vec r </math> mit dem Abstandsvektor <math>\vec r </math> von der Drehachse) befindet, wobei <math>\vec \Omega</math> die Winkelgeschwindigkeit ist, die aus dem [[Schiefsymmetrische Matrix|schiefsymmetrischen]] Anteil des Geschwindigkeitsgradienten resultiert, siehe [[Strömungsmechanik#Kinematik|Kinematik in der Strömungsmechanik]]. Dieser schiefsymmetrische Anteil hat mithin keinen Einfluss auf die Spannungen, weswegen allein der [[Symmetrische Matrix|symmetrische]] Anteil '''D''' des Geschwindigkeitsgradienten | Weiterhin tritt keine Viskosität auf, wenn sich die Strömung in starrer Rotation (<math>\vec v=\vec \Omega \times \vec r </math> mit dem Abstandsvektor <math>\vec r </math> von der Drehachse) befindet, wobei <math>\vec \Omega</math> die Winkelgeschwindigkeit ist, die aus dem [[Schiefsymmetrische Matrix|schiefsymmetrischen]] Anteil des Geschwindigkeitsgradienten resultiert, siehe [[Strömungsmechanik#Kinematik|Kinematik in der Strömungsmechanik]]. Dieser schiefsymmetrische Anteil hat mithin keinen Einfluss auf die Spannungen, weswegen allein der [[Symmetrische Matrix|symmetrische]] Anteil '''D''' des Geschwindigkeitsgradienten | ||
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</math> | </math> | ||
Darin ist | Darin ist <math>\delta</math> das [[Kronecker-Delta]], <math>\zeta=\lambda+\tfrac23\eta</math> die [[Volumenviskosität]], <math>\lambda</math> die erste [[Lamé-Konstante]], <math>\operatorname{Sp}</math> der [[Spur (Mathematik)|Spur-Operator]] und <math>\mathbf{1}</math> ist der [[Einheitstensor]]. Der erste Term beschreibt die Viskosität durch volumentreue Deformation (der Tensor in den eckigen Klammern ist spurfrei oder [[deviator]]isch). Der zweite Term stellt die Viskosität durch Volumenänderung dar. Dieser Term wird bei [[Inkompressibilität]] verschwinden, denn dann ist <math>\operatorname{Sp}(\mathbf{D})=\operatorname{div}\vec v=0</math>. | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* Joseph O. Hirschfelder, Charles F. Curtiss, Robert Byron Bird: ''Molecular Theory of Gases and Liquids''. Wiley, 1964, ISBN 0-471-40065-3. | * Joseph O. Hirschfelder, Charles F. Curtiss, Robert Byron Bird: ''Molecular Theory of Gases and Liquids''. Wiley, 1964, ISBN 0-471-40065-3. | ||
* John H. Lienhard IV und John H. Lienhard V: [http://web.mit.edu/lienhard/www/ahtt.html ''A Heat Transfer Textbook'']. 3. Auflage. Phlogiston, Cambridge 2005. | * John H. Lienhard IV und John H. Lienhard V: [http://web.mit.edu/lienhard/www/ahtt.html ''A Heat Transfer Textbook'']. 3. Auflage. Phlogiston, Cambridge 2005. | ||
* Peter W. Atkins: ''Physikalische Chemie / A. Höpfner (Übers.)'' | * Peter W. Atkins: ''Physikalische Chemie / A. Höpfner (Übers.).'' 3., korr. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2002, ISBN 3-527-30236-0. | ||
* J. M. Dealy: ''Structure and Rheology of Molten Polymers''. Hanser Fachbuchverlag, München 2006. | * J. M. Dealy: ''Structure and Rheology of Molten Polymers''. Hanser Fachbuchverlag, München 2006. | ||
* C. Gabriel: ''Einfluss der molekularen Struktur auf das viskoelastische Verhalten von Polyethylenschmelzen''. Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen 2001. | * C. Gabriel: ''Einfluss der molekularen Struktur auf das viskoelastische Verhalten von Polyethylenschmelzen''. Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen 2001. | ||
* C. Piel, F. J. Stadler, J. Kaschta, S. Rulhoff, H. Münstedt, W. Kaminsky: ''Structure-property relationships of linear and long-chain branched metallocene high-density polyethylenes and SEC-MALLS.'' In: ''Macromolecular Chemistry and Physics.'' 207 | * C. Piel, F. J. Stadler, J. Kaschta, S. Rulhoff, H. Münstedt, W. Kaminsky: ''Structure-property relationships of linear and long-chain branched metallocene high-density polyethylenes and SEC-MALLS.'' In: ''Macromolecular Chemistry and Physics.'' Band 207, Nr. 1, 2006, S. 26–38. | ||
* Lothar Gehm: ''RHEOLOGIE – Praxisorientierte Grundlagen und Glossar''. Vincentz, 1998, ISBN 3-87870-449-6. | * Lothar Gehm: ''RHEOLOGIE – Praxisorientierte Grundlagen und Glossar''. Vincentz, 1998, ISBN 3-87870-449-6. | ||
* F. R. Schwarzl: ''Polymermechanik''. Springer, Heidelberg/ Berlin/ New York 1993. | * F. R. Schwarzl: ''Polymermechanik''. Springer, Heidelberg/ Berlin/ New York 1993. | ||
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== Weblinks == | == Weblinks == | ||
{{Commonscat|Viscosity}} | {{Commonscat|Viscosity}} | ||
{{Wiktionary}} | |||
{{Wikibooks|Tabellensammlung Chemie/ Dynamische Viskosität gasförmiger Stoffe|Tabellenwerte zur dynamischen Viskosität gasförmiger Stoffe}} | {{Wikibooks|Tabellensammlung Chemie/ Dynamische Viskosität gasförmiger Stoffe|Tabellenwerte zur dynamischen Viskosität gasförmiger Stoffe}} | ||
{{ | * {{Webarchiv |url=http://users.physik.tu-muenchen.de/cucke/medprakt/Viskositaet.PDF |text=Viskosität |wayback=20070929165511}} (PDF-Datei; 157 kB) | ||
* {{TIBAV |15655 |Linktext=Viskosität und NEWTONscher Impulstransport – Warum braucht man mehr Kraft, wenn man schneller umrührt? | * {{TIBAV |15655 |Linktext=Viskosität und NEWTONscher Impulstransport – Warum braucht man mehr Kraft, wenn man schneller umrührt? | ||
|Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15655}} | |Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15655}} | ||
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== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
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Physikalische Größe | ||||||||||
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Name | dynamische Viskosität | |||||||||
Formelzeichen | $ \eta $, $ \mu $ | |||||||||
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Physikalische Größe | ||||||||||
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Name | kinematische Viskosität | |||||||||
Formelzeichen | $ \nu $ | |||||||||
|
Die Viskosität bezeichnet die Zähflüssigkeit oder Zähigkeit von Flüssigkeiten und Gasen (Fluiden).[1] Je höher die Viskosität ist, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es.
Ohne weitere Angaben ist der Widerstand des Fluids gegenüber Scherung gemeint.[2] Sie wird daher als Scherviskosität bezeichnet, zur Abgrenzung gegenüber der Dehnviskosität bei Dehnung sowie der Volumenviskosität bei gleichmäßigem Druck. Des Weiteren wird zwischen der dynamischen Viskosität und der kinematischen Viskosität unterschieden. Die dynamische Viskosität ist das Verhältnis von Schubspannung und Geschwindigkeitsgradient. Der Kehrwert der dynamischen Viskosität ist die Fluidität. Die dynamische Viskosität $ \eta $ und die kinematische Viskosität $ \nu $ stehen über die Dichte $ \rho $ in direktem Zusammenhang,
Teilchen zäher Flüssigkeiten sind stärker aneinander gebunden und somit weniger beweglich; man spricht von der inneren Reibung. Sie resultiert nicht nur aus den Anziehungskräften zwischen den Teilchen des Fluids (Kohäsion). Bei dünnflüssigeren Fluiden resultiert die Viskosität aus einem Impulsfluss im Fluid. Die Viskosität von Feststoffen ist vergleichsweise hoch und damit schwer bestimmbar. Statt Viskosität werden Begriffe wie Verlustfaktor, Speicher- und Verlustmodul verwendet.
Das Wort Viskosität geht auf den typisch zähflüssigen Saft der Beeren in der Pflanzengattung Misteln (Viscum) zurück. Aus solchen Misteln wurde Vogelleim gewonnen. „Viskos“ bedeutet „zäh wie Vogelleim“.
Die Viskosität taucht in der Berechnung des viskosen Spannungstensors auf.
Man stelle sich zwei im Abstand $ d $ parallel angeordnete Platten der Fläche $ A $ vor. Zwischen diesen Platten befindet sich eine Flüssigkeit, die an beiden Platten haftet. In unserer Vorstellung soll der Raum mit der Flüssigkeit in Schichten unterteilt sein. Wird nun die obere Platte mit der Geschwindigkeit $ v $ bewegt, so bewegt sich die Schicht in unmittelbarer Nachbarschaft auf Grund der Haftung ebenfalls mit der Geschwindigkeit $ v $. Da die untere Platte ruht, ruht auch ihre Nachbarschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei. Die Geschwindigkeit nimmt von der ruhenden Platte zur bewegten zu.
Von der obersten, an der Platte haftenden Schicht geht eine Tangentialkraft auf die darunterliegende Schicht aus. Diese bewegt sich folglich mit der Geschwindigkeit $ v_{1}. $ Diese Schicht wirkt wiederum auf die darunterliegende Schicht und bewegt sie mit der Geschwindigkeit $ v_{2}. $
Im Experiment lässt sich zeigen, dass im Idealfall die Kraft $ F $, die nötig ist, um die obere Platte zu bewegen, proportional zur Fläche $ A $, dem Geschwindigkeitsunterschied $ \Delta v $ und antiproportional zum Abstand der Platten $ \Delta y $ ist:
Hieraus ergibt sich die Gleichung
Die Proportionalitätskonstante $ \eta $ ist die dynamische Viskosität. Die Änderung der Geschwindigkeit senkrecht zur Bewegungsrichtung, also der Geschwindigkeitsgradient
auch mit $ D $ oder $ G $ bezeichnet, wird Verformungsgeschwindigkeit, Schergeschwindigkeit oder Scherrate genannt. Mit der Schubspannung
ergibt sich der Zusammenhang
Im SI-Einheitensystem gilt: Ein Stoff, der sich zwischen zwei Platten befindet, hat die dynamische Viskosität 1 Ns/m², wenn bei einer Größe der Platten von 1 m² und einem Plattenabstand von 1 m eine Kraft von 1 N benötigt wird, um die Platten mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s gegeneinander zu verschieben. Für die physikalische Einheit der dynamischen Viskosität gilt also:
Für die SI-Einheit der kinematischen Viskosität gilt:
In der Praxis wird für die dynamische Viskosität neben der Pa·s (Pascalsekunde) außerdem der tausendste Teil der SI-Einheit mPa·s (Millipascalsekunde) für Medien niedriger Viskosität verwendet.
Im CGS-System wird die dynamische Viskosität in Poise (P) gemessen, wobei 1 P = 1 dyn·s/cm2 = 0,1 N·s/m2 = 1 dPa·s (Dezipascalsekunde), und die kinematische Viskosität in Stokes (St) mit 1 St = 1 cm2/s = 10−4 m2/s.
Das Engler-Grad ist eine veraltete Einheit für die Viskosität. Diese Einheit gibt die Viskosität im Vergleich zu Wasser an.
Den Effekt innerer Reibung kann man sich vereinfacht durch die Bewegung zweier übereinander liegender, verzahnter Molekülschichten vorstellen (siehe Abb. 2, Punkt 1). Beim Fließen gleiten die Moleküle aneinander vorbei, und um die Verzahnung zu überwinden, benötigt man eine gewisse Kraft. Den Zusammenhang zwischen dieser Kraft und den Eigenschaften des vorliegenden Fluids definiert die Viskosität. Erkennbar wird dieser Zusammenhang besonders gut an der homologen Reihe der Alkane (kettenförmige Kohlenwasserstoffe), hier steigt die Viskosität mit der Kettenlänge und damit den zunehmenden intermolekular wirkenden Van-der-Waals-Kräften kontinuierlich an. Bei den mittleren Alkanen (ab Nonan, neun C-Atome) hat sie bereits einen Wert ähnlich dem von Wasser.
Sehr gut veranschaulichen kann man sich die Viskosität auch an folgendem Beispiel: gleitet Wind über das Wasser eines Ozeans, erzeugt dies eine Bewegung der Wasserschicht an der Oberfläche. Je tiefer man nun taucht, desto ruhiger wird das Wasser, bis man einen Punkt erreicht, wo keine Strömung herrscht. Die einzelnen Flüssigkeitsschichten bewegen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit $ v $, es entsteht ein Geschwindigkeitsgradient (siehe Abb. 2, Punkt 2).
Handelt es sich um sehr dünne Fluidschichten,[3] so ist der Geschwindigkeitsverlauf linear, wie in obiger Herleitung. Dieser Zusammenhang wurde bereits 1687 von Isaac Newton unterstellt:
„The resistance which arises from the lack of slipperiness originating in a fluid – other things being equal – is proportional to the velocity by which the parts of the fluid are being separated from each other.“
„Der Widerstand, der durch den Mangel an Gleitfähigkeit innerhalb einer Flüssigkeit entsteht, ist – vorausgesetzt, dass alle anderen Bedingungen gleich bleiben – proportional zu der Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkeitsteilchen voneinander getrennt werden.“
Flüssigkeiten, die diesem linearen Zusammenhang folgen, werden deswegen als Newtonsche Fluide bezeichnet. Ist $ \eta $ von $ v $ abhängig, so bezeichnet man die Flüssigkeit als nicht-newtonsch oder nichtnewtonsch. Beim Newtonschen Viskositätsgesetz wird stets laminare Strömung sowie Temperatur- und Druckunabhängigkeit der Flüssigkeitseigenschaften angenommen. Für diese Stoffe stellt sich das im Schubspannungs-Schergeschwindigkeits-Diagramm gezeigte, lineare Geschwindigkeitsprofil ein (Abb. 3, Kurve 2: Newtonsches Fluid).
In den rheologischen Modellen wird das Newtonsche Verhalten durch das Newton-Element, einem Dämpfungszylinder ähnlich einem Stoßdämpfer, dargestellt.
Viele Substanzen folgen diesem Gesetz jedoch nicht, sondern zeigen ein zeit- oder schergeschwindigkeitsabhängiges Verhalten. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Abweichung:
Im allgemeinen Fall muss das Schergefälle $ {\dot {\gamma }} $ aus dem Scherwinkel in der Flüssigkeit berechnet werden und nicht über den Geschwindigkeitsgradienten. Das Verhältnis $ {\frac {\tau }{\dot {\gamma }}} $ wird in diesem Fall auch scheinbare Viskosität genannt.[5]
Viskoelastische Materialien können mit der komplexen Viskosität, bei der von einer sinusförmigen Scherung ausgegangen wird, beschrieben werden.
Typische Nicht-Newtonsche Fluide sind zusammengesetzte Substanzen wie Blut und Ketchup. Da Blut sowohl aus den festen Substanzen des Hämatokrits als auch des Blutplasmas besteht, das Mischungsverhältnis jedoch stark variiert, verändert sich auch die Viskosität. Bei hohem Anteil der festen Substanzen ist z. B. die Leistungsfähigkeit in Ausdauer-Sportarten deutlich erhöht, bei zu hohen durch Doping kann dies zum Tod führen.[6]
Die dynamische Viskosität der meisten Flüssigkeiten nimmt mit steigender Temperatur ab und kann oft mit der Arrhenius-Andrade-Beziehung beschrieben werden:
mit
Bei Flüssigkeiten in der Nähe (d. h. bis ca. 100 K über) der Glasübergangstemperatur gilt meist die WLF-Beziehung. Hier dominiert nämlich das sehr geringe freie Volumen, das in der Nähe der Glasübergangstemperatur viel stärker von der Temperatur abhängt als die Kettenbeweglichkeit, die hinter der Arrhenius-Andrade-Beziehung steht.
Die Abhängigkeit der kinematischen Viskosität von der Temperatur wird bei Ölen durch den Viskositätsindex beschrieben.
Speziell für Wasser lässt sich die Viskosität im Temperaturbereich zwischen 0 °C und 100 °C mit nachfolgend angegebener Gebrauchsformel ermitteln[7]. Dabei ist die Temperatur in der Einheit Kelvin einzusetzen. Der damit berechnete Wert entspricht der dynamischen Viskosität in der Einheit Pa·s.
Die Viskosität von Flüssigkeiten kann mit einem Viskosimeter z. B. gemäß EN ISO 3219 gemessen werden. Ein Rheometer ermöglicht es, darüber hinaus noch weitere rheologische Eigenschaften, auch von Festkörpern, zu bestimmen. Bei beiden Gerätetypen wird entsprechend der Viskositätsdefinition die zu messende Probe im Spalt zwischen zwei Körpern (z. B. zwei koaxialen Zylindern oder zwei parallelen Platten) eingebracht. Ein Teil der Anordnung rotiert oder oszilliert mit definierter Geschwindigkeit, während der andere ruht. Aus der Geometrie der Messanordnung und der Geschwindigkeit des bewegten Teiles ergibt sich die Schergeschwindigkeit. Das zur Aufrechterhaltung der Bewegung notwendige Drehmoment wird gemessen, woraus sich dann die Schubspannung und damit die Viskosität ermitteln lässt.
Eine schnelle und einfache, aber auch sehr ungenaue Methode der Viskositätsbestimmung ist der Auslaufbecher.
Substanz | η in mPa·s (cP)[Anm. 1] |
---|---|
Wasser (5 °C) | 1,52 |
Wasser (10 °C) | 1,297 |
Wasser (20 °C) | 1,00 |
Wasser (25 °C) | 0,891 |
Blut (37 °C) | 3 bis 25[Anm. 2][8] |
Traubensaft | 2 bis 5 |
Olivenöl | ≈ 102 |
Honig | ≈ 104 |
Sirup | ≈ 104 bis 105 |
Kaffeesahne | ≈ 10 |
Ethylenglycol (20 °C) | 20,81[9] |
Pentan (25 °C) | 0,224 |
Hexan | 0,320 |
Heptan | 0,410 |
Octan | 0,538 |
Nonan | 0,711 |
Decan | 0,920 |
Dodecan | 1,52 |
Paraffinöl | ≈ 102 bis 106 |
Benzol (25 °C) | 0,601 |
Diethylether | 0,240 |
Diisopropylether | 0,33[10] |
Ethanol | 1,19 |
Essigsäure (80%ige bei 25 °C) | 2,31 |
Glycerin (rein) | 1480 |
Chloroform | 0,56 |
Lack | ≈ 102 |
Polymerschmelzen | ≈ 103 bis 1013[Anm. 3][Anm. 4] |
Petroleum | 0,65 |
Motoröl (150 °C) | ≈ 3 |
Motoröl (25 °C) | ≈ 100 |
Schweröl RMA 30 (50 °C) | 30 |
Schweröl RMK 700 (50 °C) | 700 |
Bitumen (je nach Sorte) | ≈ 107 bis 1014[Anm. 4] |
Asphalt (je nach Rezeptur) | ≈ 1011 bis 1016[Anm. 4] |
Quecksilber | 1,55 |
Aluminiumschmelze (700 °C) | ≈ 2[11][12] |
Glas (Verarbeitungstemperatur) | ≈ 106 bis 1012[Anm. 4] |
Glas (Raumtemperatur) | ≈ 1022 bis 1024[Anm. 4] |
Silikatarme Schmelze (Basaltlava) bei 1400 °C | ≈ 100 bis 101[13] |
Silikatreiche Schmelze (Rhyolithlava) bei 1400 °C | ≈ 105 bis 107[Anm. 4][13] |
Steinsalz | ≈ 1018 bis 1021[Anm. 4][Anm. 5] |
Bei Fluiden mit niedriger Viskosität entspricht das Bild der inneren Reibung „nicht den physikalisch korrekten Vorstellungen über molekülbedingte Transportvorgänge in Fluiden“.[14] Stattdessen resultiert hier die Viskosität im Fluid aus einem Impulsfluss, der mit dem folgenden Bild veranschaulicht werden kann: Die Stromfäden in der Strömung werden durch Züge versinnbildlicht, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit parallel nebeneinanderher fahren und mit Sandsäcken beladen sind. Die Sandsäcke entsprechen den Fluidelementen im Stromfaden. Personen auf den Zügen werfen die Sandsäcke auf den jeweils anderen Zug, was der zufälligen thermischen Bewegung der Fluidelemente zwischen den Stromfäden gleichkommt. Landet ein Sack des langsameren Zuges auf dem schnelleren, dann nimmt der Sandsack Impuls auf, den der schnellere Zug an ihn abgibt und so selbst langsamer wird. Wenn umgekehrt ein Sack des schnelleren Zuges auf dem langsameren landet, nimmt der Zug den Impuls des Sandsacks auf und wird so selbst schneller. Durch diesen Impulsaustausch wird der schnellere Zug abgebremst und der langsamere beschleunigt.
Viskosität stellt demnach einen Impulsfluss von einem schneller fließenden Stromfaden auf einen langsamer fließenden dar. In einer Kontinuumsströmung tauschen die Fluidelemente Impulse über die zwischen ihnen wirkenden Spannungen aus. Zwischen den unterschiedlich schnell nebeneinanderher fließenden Stromfäden kommt es zu Schubspannungen, die sich makroskopisch als Viskosität bemerkbar machen.
Für Gase lässt sich die Viskosität anhand einer mikroskopischen Betrachtung des Impulsflusses abschätzen:
mit der freien Weglänge $ \lambda $ für die Gasteilchen, der Masse der Gasteilchen $ m $, der mittleren Teilchengeschwindigkeit $ v $ und der Teilchenzahldichte $ n $.
Die Viskosität von Gasen ist bei niedrigen Drücken (≈ 0,1 bis 10 bar) unabhängig vom Druck. Dies gilt solange, wie die freie Weglänge klein gegenüber den Gefäßabmessungen und groß gegenüber den Molekülabmessungen ist. Mit anderen Worten: Für ein sehr dünnes oder ein sehr dichtes Gas wird die Viskosität doch wieder vom Druck beziehungsweise der Dichte des Gases abhängig.
Grundsätzlich abhängig ist die Viskosität aber von der Temperatur. Mit zunehmender Temperatur steigt die Viskosität, da die mittlere Teilchengeschwindigkeit $ v $ proportional zu $ T^{0{,}5} $ wächst (siehe unten). Dieses Verhalten ist bei den meisten Flüssigkeiten genau entgegengesetzt. Die folgende Tabelle listet zu einigen Gasen die Viskositäten und freien Weglängen auf.
Gas unter Normalbedingungen |
η in µPa·s | λ in nm |
---|---|---|
Luft | 18,2 | 59,8 |
Sauerstoff (O2) | 19,2 | 63,3 |
Kohlendioxid (CO2) | 13,8 | 39,0 |
Stickstoff (N2) | 16,6 | 58,8 |
Argon | 21,0 | 62,6 |
Neon | 29,7 | 124,0 |
Helium | 18,6 | 174,0 |
Wasserstoff (H2) | 8,4 | 111,0 |
Nach Hirschfelder kann die Viskosität reiner Gase mit Hilfe der kinetischen Gastheorie in einem großen Temperaturbereich (etwa von 200 bis 3000 Kelvin) berechnet werden.
Hierbei ist $ m $ die Molekülmasse, $ k_{\mathrm {B} } $ die Boltzmann-Konstante, $ T $ die Temperatur, $ \sigma $ der Lennard-Jones-Stoßdurchmesser und $ \Omega ^{(2,2)^{\star }} $ das reduzierte Stoßintegral, das von der reduzierten Temperatur $ T^{\star }=k_{\mathrm {B} }T/\epsilon $ abhängt. $ \epsilon $ ist die Energie des Lennard-Jones-Potentials. Werte für die Lennard-Jones-Parameter und das reduzierte Stoßintegral sind in Lienhards Lehrbuch zur Wärmeübertragung in Kapitel 11 aufgeführt. Das reduzierte Stoßintegral $ \Omega ^{(2,2)^{\star }} $ ist so definiert, dass für ein ideales Gas, bei dem Teilchenwechselwirkungen wie Stöße harter Kugeln betrachtet werden, $ \Omega ^{(2,2)^{\star }}=1 $ gilt.
Die Viskosität begründet sich aus dem Experiment, nach dem zur Aufrechterhaltung einer Scherströmung eine Kraft erforderlich ist. Diese Kraft bewirkt einen Impulsaustausch innerhalb der Strömung bzw. mit dem Rand, weshalb sie zur Kategorie der Oberflächenkräfte zählt. Kontinuumsströmungen tauschen Impuls über mechanische Spannungen aus, wobei ein Spannungsanstieg eine Beschleunigung bewirkt. Im Kontinuum lässt sich die beschleunigende Kraft in der allgemeinsten Form als Divergenz eines Tensors formulieren:
wobei $ \mathbf {S} $ die Komponente des Spannungstensors auf Grund der Viskosität ist und zäher Spannungstensor oder Reibungstensor heißt. Der Nabla-Operator $ \nabla $ bildet hier die Divergenz div des Reibungstensors.
Aus dem Experiment folgt unmittelbar, dass der Reibungstensor eine Funktion der räumlichen Änderung der Strömungsgeschwindigkeit ist:
Der Operator grad bildet aus der Geschwindigkeit $ {\vec {v}} $ den Geschwindigkeitsgradient. Da kein Impulsfluss bei homogener Strömung $ ({\vec {v}}={\text{const.}} $ oder $ \operatorname {grad} {\vec {v}}=\mathbf {0} ), $ enthält der Reibungstensor keine Komponenten, die unabhängig vom Geschwindigkeitsgefälle sind. In Newtonschen Fluiden sind die Spannungen linear in den Geschwindigkeitsgradienten, eine Annahme, die gerechtfertigt ist, wenn der Geschwindigkeitsgradient im Sinne der Hydrodynamik klein ist.
Weiterhin tritt keine Viskosität auf, wenn sich die Strömung in starrer Rotation ($ {\vec {v}}={\vec {\Omega }}\times {\vec {r}} $ mit dem Abstandsvektor $ {\vec {r}} $ von der Drehachse) befindet, wobei $ {\vec {\Omega }} $ die Winkelgeschwindigkeit ist, die aus dem schiefsymmetrischen Anteil des Geschwindigkeitsgradienten resultiert, siehe Kinematik in der Strömungsmechanik. Dieser schiefsymmetrische Anteil hat mithin keinen Einfluss auf die Spannungen, weswegen allein der symmetrische Anteil D des Geschwindigkeitsgradienten
Spannungen verursacht. Das hochgestellte T bildet die Transposition. Mit der weiteren Annahme einer isotropen Flüssigkeit werden die unmittelbaren Stoffeigenschaften durch skalare Größen beschrieben. Damit wird der Reibungstensor:[15]
Darin ist $ \delta $ das Kronecker-Delta, $ \zeta =\lambda +{\tfrac {2}{3}}\eta $ die Volumenviskosität, $ \lambda $ die erste Lamé-Konstante, $ \operatorname {Sp} $ der Spur-Operator und $ \mathbf {1} $ ist der Einheitstensor. Der erste Term beschreibt die Viskosität durch volumentreue Deformation (der Tensor in den eckigen Klammern ist spurfrei oder deviatorisch). Der zweite Term stellt die Viskosität durch Volumenänderung dar. Dieser Term wird bei Inkompressibilität verschwinden, denn dann ist $ \operatorname {Sp} (\mathbf {D} )=\operatorname {div} {\vec {v}}=0 $.