Die Ionisierungsenergie (auch Ionisationsenergie, Ionisierungspotential, Ionisierungsenthalpie) ist die Energie, die benötigt wird, um ein in der Gasphase befindliches Atom oder Molekül zu ionisieren, d. h., um ein Elektron vom Atom oder Molekül zu trennen. Sie kann durch Strahlung, eine hohe Temperatur des Materials oder chemisch geliefert werden. In der Atomphysik wird die Ionisierungsenergie auch als Bindungsenergie bezeichnet.
Nach der Ionisierung hat ein vorher elektrisch neutrales Atom oder Molekül eine positive elektrische Ladung. Die vorher ausgeglichene Ladungsdifferenz zwischen Atomkern(en) und Elektronenhülle ist durch das Entfernen eines Elektrons verschoben. Man spricht von einem positiv ionisierten Atom bzw. Molekül oder einem Kation. Dieses kennzeichnet man durch ein nachfolgend hochgestelltes '+'-Zeichen; z. B. wird ein Natriumkation als Na+ gekennzeichnet (Na ist das Elementsymbol für Natrium).
Solange ein Kation noch Elektronen besitzt, kann es durch weitere Energiezufuhr weiter ionisiert werden, allerdings nimmt die erforderliche Energie mit jeder zusätzlichen Ionisierung zu. Allgemein ist die n-te Ionisierungsenergie die Energie, die benötigt wird, um das n-te Elektron zu entfernen. Symbolisch wird ein mehrfach ionisiertes Kation durch eine vor das '+'-Zeichen gestellte Zahl identifiziert; z. B. wird ein 3-fach ionisiertes Aluminiumkation als Al3+ bezeichnet.
Für ein einzelnes Elektron wird die Ionisierungsenergie in eV/Atom angegeben, für 1 Mol Stoffmenge aber in kJ/mol. Der Umrechnungsfaktor ergibt sich aus der Umrechnung zwischen eV und kJ sowie der Avogadro-Konstante $ N_{\mathrm {A} } $ nach den vom CODATA im Jahr 2014 empfohlenen Werten zu:
wobei auf der linken Seite das „pro Atom“ meist weggelassen wird.
Die erste Ionisierungsenergie hängt von der Anziehungskraft zwischen dem Atomkern und dem zu entfernenden Elektron ab, welche sich nach der Coulomb-Formel berechnet:
mit
Innerhalb einer Periode steigt die erste Ionisierungsenergie stark an, wenn auch die Zunahme von links nach rechts unstetig verläuft. Grund für die Zunahme ist die steigende Kernladungszahl $ Z $ und die dadurch bedingte stärkere Anziehung der Elektronen durch den Kern. Zwar nimmt auch die Elektronenzahl der Hülle innerhalb der Periode von links nach rechts in gleichem Maß zu, das jeweils hinzukommende Elektron wird jedoch immer in dieselbe Schale eingebaut, die Außenschale. Die dort schon vorhandenen Elektronen können das jeweils hinzukommende Elektron deshalb nicht so stark von der Kernladung abschirmen, weil sie denselben Kernabstand besitzen wie das hinzugekommene Elektron. Die Zunahme der Kernladung kann also nicht durch die Zunahme der Ladung der Elektronenhülle kompensiert werden, so dass die Ionisierungsenergie zunimmt. Der unstetige Charakter der Zunahme zeigt sich besonders stark beim Übergang vom Stickstoff zum Sauerstoff. Hier nimmt die Ionisierungsenergie von links nach rechts sogar ab. Die Gründe für solche Unstetigkeiten lassen sich mit dem Atomorbitalmodell deuten. So besitzt Stickstoff mit seiner halb besetzten p-Unterschale eine energiearme, stabile Elektronenkonfiguration. Für die Entfernung eines Elektrons wird deshalb besonders viel Energie benötigt. Insgesamt stellen die Ionisierungsenergien der Alkalimetalle jeweils das Minimum und die Ionisierungsenergien der Edelgase jeweils das Maximum der Periode dar. Diese Extrema werden innerhalb einer Gruppe von oben nach unten geringer, da sich das zu entfernende Elektron nach dem Schalenmodell des Atoms auf einer neuen Schale befindet, somit sein Abstand $ r $ vom Kern ansteigt und weniger Energie aufgewendet werden muss, um es aus der Anziehungskraft des Kerns zu lösen. Entsprechend nimmt die erste Ionisierungsenergie beim Übergang von einer Periode zur nächsten, z. B. vom Neon zum Natrium, schlagartig ab.