Otto von Guericke (Aussprache und ursprüngliche Schreibung: Gericke [ˈgeːʁɪkə]) (* 20. Novemberjul./ 30. November 1602greg. in Magdeburg; † 11. Maijul./ 21. Mai 1686greg. in Hamburg) war ein deutscher Politiker, Jurist, Physiker und Erfinder. Bekannt ist er vor allem für seine Experimente zum Luftdruck mit den Magdeburger Halbkugeln.
Guericke entstammt als einziger Sohn der am 15. Januar 1602 geschlossenen Ehe des Hans Gericke (1555–1620), Ratskämmerer und späterer Schultheiß zu Magdeburg, und der vermögenden Patriziertochter Anna von Zweydorff aus Braunschweig (1580–1666).[1]
Zu seinen vielfältigen Braunschweig-Bezügen gehört, dass Otto von Guericke von dem mütterlichen Großvater der Anna von Zweydorff, Conradus von Plauen (Plaue), „der Stadt Braunschweig 50jähriger Obersecretarius“, ein Studien-Stipendium über die Dauer von sechs Jahren erhielt, das ihm in seiner vielseitigen wissenschaftlichen Ausbildung zweifellos von Vorteil gewesen sein dürfte.[1]
Er studierte von 1617 bis 1619 an der Universität in Leipzig an der Artistenfakultät, einige Wochen an der Universität Helmstedt und im Fachstudium Jura an der Universität Jena von 1621 bis 1623 sowie 1623 bis 1624 in Leiden Jura und Festungsbau.
Es folgte eine Bildungsreise (oder Kavalierstour) durch England und Frankreich. Im November 1625 war er zurück in Magdeburg. Am 18. September 1626 heiratete er Margaretha Alemann, Tochter des Ratsherren Jacob Alemann. Mit ihr hatte er drei Kinder. Anna Catharina (geb. August 1627, gest. 13. Oktober 1627), Otto Junior (geb. 23. Oktober 1628, gest. 1704) und Jakob Christoph (geb. 1630, gest. 1632). Im selben Jahr wurde er in den Rat seiner Heimatstadt gewählt. Als Ratsherr nahm er die Funktion eines Bauherren und im Verteidigungsfall 1629 und 1630/1631 die eines Schutzherren wahr. Nach der Zerstörung der Stadt im Jahr 1631 trat er als Festungsbauingenieur in Erfurt und ab 1632 in Magdeburg in schwedische Dienste. Von 1636 bis 1646 arbeitete er in Magdeburg außerdem im kursächsischen Dienst. 1646 wurde er nach ersten diplomatischen Erfolgen zu einem der vier Bürgermeister der Alten Stadt Magdeburg gewählt. 1652 (sieben Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau) heiratete er Dorothea Lentke, die Tochter seines Amtskollegen Steffan Lentke. Diese Ehe blieb kinderlos.
Von 1642 bis 1663 war er im Auftrag der Stadt in diplomatischen Missionen unterwegs; darunter fällt auch die Teilnahme an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, zum Exekutionstag in Nürnberg 1649/1650 und zum Reichstag in Regensburg 1653/1654.
Etwa von 1645 an stellte er, angeregt durch die Diskussion zur Astronomie, Untersuchungen zur Pneumatik an, für die er berühmt werden sollte. Bereits 1656 begann ein reger Briefwechsel mit dem Professor für Philosophie und Mathematik in Würzburg. Caspar Schott veröffentlichte 1657 sein Werk Mechanica hydraulico-pneumatica, das den Anhang Neuer Magdeburger Versuch beinhaltet. Dies ist die erste Veröffentlichung von Otto Guericke. 1664 veröffentlichte Caspar Schott ein weiteres Werk Techica curiosa in Würzburg. Es enthält die zweite Veröffentlichung von Otto Gericke. 1663 stellte er das Manuskript der Experimenta nova… fertig, brachte es aber erst 1672 in Amsterdam in Druck.
Am 4. Januar 1666 wurde er durch Kaiser Leopold I geadelt, wobei er seinem Nachnamen ein u (Otto von Guericke) hinzufügte, damit er auch von ausländischen Diplomaten richtig ausgesprochen werden konnte, da Französisch zu dieser Zeit als aufkommende Sprache der Diplomaten genutzt wurde und dadurch sein Name im Französischen wie Deutschen gleich ausgesprochen wurde.
1676 lehnte er aus gesundheitlichen Gründen die turnusmäßige Übernahme des Bürgermeisteramtes ab. 1678 wurde er vom Rat „pro emerito“ erklärt. 1681 siedelte er, als in Magdeburg die Pest ausbrach, zu seinem Sohn nach Hamburg über, nachdem ihm die ehrenhalber gewährte Steuerfreiheit in Magdeburg wieder gestrichen worden war.[2] In Hamburg starb Guericke 1686. Nach der Überführung seiner Gebeine nach Magdeburg wurde er am 2. Juli 1686 in der Johanniskirche in die Alemann/Guericke-Gruft beigesetzt. In der Napoleonischen Zeit, in der die Kirche Hals über Kopf in ein Lazarett umgewandelt wurde, ist die Gruft beseitigt worden. Die Gebeine wurden vor den Stadttoren in Großgräbern beerdigt.[2] Die Gruft kann trotzdem noch heute besucht werden. Der Grabstein seiner ersten Frau wurde vor einigen Jahren in der Johanniskirche gefunden.
Seine wissenschaftliche Hauptleistung ist die Begründung der Vakuumtechnik.
Er erfand 1649 die Kolbenvakuumluftpumpe, untersuchte die Eigenschaften des (Teil-)Vakuums in einer Vielzahl von Versuchen und schuf Anwendungen wie den Hebeversuch und die Windbüchse. Dabei konnte er zeigen, dass wohl Licht den luftleeren Raum durchdringt, nicht aber der Schall.
In der Öffentlichkeit demonstrierte er die Kraft des Luftdrucks mit spektakulären Experimenten, besonders 1654 auf dem Reichstag zu Regensburg in Anwesenheit von Kaiser Ferdinand III. Guericke hatte im Sommer 1657 zwei große Halbkugeln (¾ Magdeburger Elle) aus Kupfer (Magdeburger Halbkugeln) mittels einer Dichtung zusammengelegt und pumpte die Luft aus dem Inneren heraus. Anschließend wurden vor jede Halbkugel nacheinander acht Pferde gespannt, die sie auseinanderreißen sollten, was aber nicht gelang. Als die Kugeln wieder mit Luft gefüllt wurden, fielen sie von allein auseinander. Bei einem anderen Versuch hatte Guericke einen Zylinder mit beweglichem Kolben aufstellen lassen. An dem Kolben wurde ein Seil befestigt, das über eine Umlenkrolle lief und von 50 Männern festgehalten wurde. Als Guericke die Luft aus dem Zylinder absaugte, konnten die Männer den Kolben nicht am Absinken hindern, da der atmosphärische Luftdruck gegen ein Vakuum stärker war. Das war die folgenreiche Erfindung seiner Hebemaschine.
Mit seinen Versuchen bestätigte Guericke Schlüsse, die zehn Jahre zuvor Blaise Pascal aus dem Experiment Leere in der Leere gezogen hatte: Anders als zuvor mit Berufung auf Aristoteles angenommen wurde, saugt nicht das Vakuum die Materie an. Vielmehr ist es die Materie, die ins Vakuum drängt. Die als Erklärung für das Saugen angenommene „Abscheu der Natur vor der Leere“ (Horror Vacui) war damit hinfällig.
1632 fertigte er einen maßstäblichen Stadtplan seiner Heimatstadt an. Guericke setzte ein Barometer zur Wettervorhersage ein und war damit Wegbereiter der Meteorologie. Er baute auch ein 10 m hohes Wasserbarometer am Magdeburger Rathaus. Für 1660 ist die Vorhersage eines Unwetters bekannt, das dann auch eintraf.
Guericke werden auch neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Elektrizität zugeschrieben. Dies beruht auf von ihm zuerst 1672 publizierten Experimenten mit einer Schwefelkugel, in denen er versuchte, die von ihm postulierten kosmischen Wirkkräfte nachzuweisen.[3] Hier beschreibt Guericke unter anderem Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen, die wir heute als elektrische Phänomene verstehen. Sein Versuchsaufbau wird deshalb auch gelegentlich als erste Elektrisiermaschine beschrieben. Solche Zuschreibungen sind allerdings problematisch, da Guericke hier andere Kräfte wirken sah, Kräfte, die wir heute nicht mehr kennen. Es ist daher anzuzweifeln, ob Guericke aus den beobachteten Phänomenen Wissen über elektrische Zusammenhänge erlangt hat.[4]
Er beschäftigte sich auch mit Astronomie und stellte als erster die Behauptung auf, dass sich der Zeitpunkt der Wiederkehr eines Kometen bestimmen lassen müsse.
Im Jahr 1678 konstruierte Guericke aus Knochen, die 1663 in der Nähe von Quedlinburg gefunden worden waren, ein Einhorn.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Guericke, Otto von |
ALTERNATIVNAMEN | Gericke, Otto (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Erfinder und Politiker |
GEBURTSDATUM | 30. November 1602 |
GEBURTSORT | Magdeburg |
STERBEDATUM | 21. Mai 1686 |
STERBEORT | Hamburg |