Die Zeitumkehr ist eine physikalische Transformation der Art
Fast alle grundlegenden physikalischen Gesetze sind symmetrisch gegenüber einer Umkehrung der Zeit, man spricht auch von Zeitumkehrinvarianz oder auch T-Symmetrie. Ein physikalischer Vorgang ist zeitumkehrinvariant, wenn er prinzipiell auch zeitlich umgekehrt, also rückwärts, ablaufen kann. Konkret äußert sich das darin, dass zu jeder Lösung einer physikalischen Gleichung, die einen zeitlichen Vorgang beschreibt, sofort eine neue Lösung konstruiert werden kann, indem man in der bekannten Lösung nur das Vorzeichen der Zeitvariablen ändert.
So jedenfalls konnte Paul Dirac 1928 die Existenz des Positrons, des Antiteilchens des Elektrons, vorhersagen. Das Positron wurde darauf 1932 von Anderson als neues Teilchen in kosmischer Strahlung nachgewiesen.[1]
Unsere tägliche Erfahrung zeigt uns, dass es nicht umkehrbare Phänomene gibt: Wasser fließt stets bergab, Tassen zerspringen beim Hinunterfallen und heißer Tee kühlt sich auf Zimmertemperatur ab. Viele Phänomene, wie etwa die relative Bewegung von Körpern mit Reibung oder die viskose Strömung von Flüssigkeiten, basieren auf der Dissipation von Energie (also der Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme). Die Umwandlung von Energie wird durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf eine Richtung festgelegt.
In einem Gedankenexperiment setzte sich James Clerk Maxwell mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auseinander. Sein Maxwellscher Dämon ist ein mikroskopischer Torwächter zwischen zwei Hälften eines Raums, der die langsamen Moleküle nur in eine Richtung, die schnellen in die andere Richtung durchlässt. Auf diese Weise würde sich die eine Hälfte des Raums auf Kosten der anderen Hälfte erwärmen. Es scheint, dass die Entropie sinkt und sich der Zeitpfeil umkehrt. Eine genauere Untersuchung unter Einbeziehung des Dämons zeigt jedoch, dass die Gesamtentropie von Raum und Dämon zunimmt.
Der wissenschaftliche Konsens ist heute die Interpretation von Ludwig Boltzmann und Claude Shannon, die den Logarithmus des Phasenraumvolumens mit der Informationsentropie in Relation setzt. Hier hat der makroskopische Ausgangszustand ein recht geringes Phasenraumvolumen, da die Position der Atome begrenzt ist. Wenn sich das System unter Einfluss von Dissipation weiterentwickelt, vergrößert sich das Phasenraumvolumen und die Entropie steigt.
Ein anderer Standpunkt ist, dass wir einen stetigen Anstieg der Entropie beobachten, „nur“ weil der Anfangszustand des Universums eine niedrige Entropie hatte; andere mögliche Zustände des Universums würden demnach zu einem Sinken der Entropie führen. Nach dieser Ansicht ist die makroskopische Irreversibilität ein Problem der Kosmologie: Warum begann das Universum bei niedriger Entropie? Die Frage nach dem Anfangszustand des Universums ist eine offene Frage in der aktuellen Physik.
Da die meisten makroskopischen Systeme unsymmetrisch gegenüber Zeitumkehr sind, ist es interessant zu fragen, welche Phänomene symmetrisch gegenüber Zeitumkehr sind. In der klassischen Mechanik kehrt sich zum Beispiel die Geschwindigkeit $ {\vec {v}} $ bei Zeitumkehr um, während die Beschleunigung $ {\vec {a}} $ unverändert bleibt. Daher werden Reibungseffekte durch ungerade v-Terme modelliert. Wenn jedoch alle Reibungseffekte ausgeschlossen werden können, ist die klassische Mechanik symmetrisch gegenüber Zeitumkehr.
Die Bewegung von geladenen Teilchen im Magnetfeld $ {\vec {B}} $ wird bestimmt durch die Lorentz-Kraft $ {\vec {v}}\times {\vec {B}} $ und scheint auf den ersten Blick damit nicht invariant unter Zeitumkehr zu sein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass auch $ {\vec {B}} $ bei Zeitumkehr seine Richtung ändert, da ein Magnetfeld durch einen elektrischen Strom $ {\vec {J}} $ erzeugt wird, der seine Richtung bei Zeitumkehr ebenfalls umkehrt. Damit ist die Bewegung von geladenen Teilchen im elektromagnetischen Feld symmetrisch gegenüber Zeitumkehr. Auch die Gravitationsgesetze sind invariant gegenüber Zeitumkehr.
In der Physik wird zwischen den Gesetzen der Bewegung, der sogenannten Kinematik, und der Wirkung von Kräften bzw. Wechselwirkungspotentialen, der sogenannten Dynamik unterschieden; beispielsweise kann die Kinematik durch die Metrik des speziell-relativistischen Minkowskiraums gekennzeichnet sein. Diese Metrik ist zeitumkehrinvariant. Die Bahnen der Teilchen in diesem Raum verletzen dagegen unter Umständen, z. B. beim β-Zerfall, unter dem Einfluss der Wechselwirkungspotentiale die Zeitumkehrinvarianz. Wie bereits in der klassischen Kinematik, die durch die newtonschen Gesetze der Bewegung beschrieben wird, ist auch die quantenmechanische Kinematik so aufgebaut, dass sie keine Aussagen über die Zeitumkehrinvarianz der Dynamik macht. Anders ausgedrückt: die Dynamik kann die Zeitinvarianz verletzen, obwohl man den für die Kinematik kennzeichnenden Größen dies Verhalten nicht ansieht.
Auf eine grundlegende Verletzung der Zeitumkehrinvarianz für die schwache Wechselwirkung (β-Zerfall u. a.) wurde erstmals 1956 indirekt geschlossen. Damals wurde eine leichte Verletzung der sogenannten CP-Invarianz (=Symmetrie der physikalische Gesetze bei gleichzeitiger Änderung der Vorzeichen von Ladung und Parität) beobachtet, woraus auch die Verletzung der Zeitumkehrinvarianz folgt, sofern man die Gültigkeit des CPT-Theorems (=Symmetrie der physikalische Gesetze bei gleichzeitiger Änderung der Vorzeichen von Ladung, Parität und Zeit) voraussetzt.
Nachdem die Verletzung der CP-Symmetrie in den B-Meson-Fabriken BaBar und Belle 2002 bestätigt wurde, gelang 2012 aus der Nachanalyse von alten BaBar-Daten auch der direkte Nachweis der T-Verletzung.[2][3]
Die mathematische Darstellung in der Quantenphysik ist subtil: Meist geht man von dem Fall aus, dass man wie in der nichtrelativistischen Physik mit einem Zweierspinor arbeitet, also den Zustand des Systems durch zwei Wellenfunktionen $ \psi _{1}({\vec {r}},t)=\psi _{\uparrow }({\vec {r}},t) $ und $ \psi _{2}({\vec {r}},t)=+\psi _{\downarrow }({\vec {r}},t) $ beschreibt. Der „zeitlich invertierte“ Zweierspinor ist dann die Größe mit den beiden Komponenten $ ({\mathcal {T}}\psi )_{1}({\vec {r}},t)=\psi _{\downarrow }^{*}({\vec {r}},t) $ sowie $ ({\mathcal {T}}\psi )_{2}({\vec {r}},t)=-\psi _{\uparrow }^{*}({\vec {r}},t) $. Das heißt: es werden erstens die konjugiert-komplexen Wellenfunktionen gebildet $ (\psi \to \psi ^{*}) $, zweitens up- und down-Spinkomponenten vertauscht $ (\uparrow \Longleftrightarrow \downarrow \,) $ und drittens die „Phasenfaktoren“ +1 bzw. -1 angebracht, was der üblichen „Winkelhalbierung“ beim Übergang von Vektoren zu Spinoren, nämlich $ \exp \left(i{\tfrac {0^{\circ }}{2}}\right)=+1 $ und $ \exp \left(i{\tfrac {360^{\circ }}{2}}\right)=-1 $, entspricht.