«Kosmische Schlange» lässt die Struktur von fernen Galaxien erkennen

«Kosmische Schlange» lässt die Struktur von fernen Galaxien erkennen



Physik-News vom 13.11.2017

Die Entstehung von Sternen in fernen Galaxien ist noch weitgehend unerforscht. Astronomen der Universität Genf konnten nun erstmals ein sechs Milliarden Lichtjahre entferntes Sternensystem genauer beobachten – und damit frühere Simulationen der Universität Zürich stützen. Ein spezieller Effekt ermöglicht mehrfach reflektierte Bilder, die sich wie eine Schlange durch den Kosmos ziehen.

Heute wissen Astronomen ziemlich genau, wie sich Sterne in der jüngsten kosmischen Vergangenheit gebildet haben. Aber gelten diese Gesetzmässigkeiten auch für ältere Galaxien? Das Hubble-Teleskop ermöglicht es den Astronomen seit rund einem Jahrzehnt, sechs oder sieben Milliarden Lichtjahre entfernte Sternensysteme zu beobachten. Hubble gibt Hinweise darauf, dass dort Galaxien aus Gasnebeln und Sternhaufen mit einem Durchmesser von über 3000 Lichtjahren existieren. Diese riesigen Stern- und Gasansammlungen – rund tausendmal grösser als die in der Geschichte des Universums relativ junge Milchstrasse­ – scheinen bei älteren Galaxien die Norm zu sein.


Die kosmische Schlange, beobachtet vom Astronomischen Institut der Universität Genf.

Publikation:


Antonio Cava, Daniel Schaerer; Johan Richard, Pablo G. Perez-Gonzalez, Miroslava Dessauges-Zavadsky, Lucio Mayer and Valentina Tamburello
The nature of giant clumps in distant galaxies probed by anatomy of the Cosmic Snake
Nature Astronomy 2017

DOI: 10.1038/s41550-017-0295-x



Gravitationslinse erkennt Details ferner Galaxien

Die genaue Untersuchung dieser Phänomene ist auf so langen Distanzen nur schwer möglich. Ein Team des Observatoriums der Universität Genf und des Zentrums für Theoretische Astrophysik und Kosmologie der Universität Zürich nutzen nun einen speziellen Effekt des Universums, der eigenen Gesetzmässigkeiten folgt: Das Teleskop wird auf ein sehr massives Objekt gerichtet, dessen Gravitationsfeld das Licht einer dahinter liegenden, weit entfernten Galaxie beeinflusst. Durch diese sogenannte Gravitationslinse betrachtet, verändert sich die Ausbreitungsrichtung des Lichtes des dahinterliegenden Objektes. Dadurch wird das Bild vergrössert und mehrfach vervielfältigt.

So konnten die Forschenden verzerrte, in die Länge gezogene, sich fast berührende Bilder wahrnehmen, die wie eine kosmische Schlange aussehen. „Die durch die Linse vergrösserte Abbildung ist viel genauer und heller. Wir können hundertmal kleinere Details in der Galaxie erkennen und fünf unterschiedliche Auflösungen vergleichen, um Struktur und Grösse dieser gigantischen Sternhaufen zu bestimmen“, sagt Daniel Schaerer, Professor am Observatorium der Universität Genf.

Beobachtungen bestätigen Simulationen der UZH

Die internationale Forschergruppe entdeckte, dass die Sternenhaufen nicht ganz so gross und massiv sind, wie die ersten Bilder von Hubble vermuten liessen. Damit stützten sie die bereits früher am Supercomputer gemachte Simulationen von Valentina Tamburello vom Institute of Computational Science der Universität Zürich. „Dank der unglaublich hohen Auflösung der kosmischen Schlange konnten wir unsere Berechnungen mit den gemachten Beobachtungen vergleichen. Das war für uns ein besonderer Glücksfall“, erklärt die Letztautorin der Studie.

Das Fazit: Entgegen der bisherigen Annahme setzt sich die untersuchte Galaxie nicht aus einem grossen, sondern aus mehreren kleinen Sternhaufen zusammen. „Offenbar können sich gigantische Klumpen in solchen weit entfernten Galaxien nur unter ganz speziellen Bedingungen entwickeln, etwa bei kleineren Verschmelzungen oder unter Einfluss von Kaltgas“, so Tamburello. Dass dies hier nicht der Fall ist, war vorher aufgrund der grossen Distanz gar nicht nachweisbar gewesen. In ihrer Doktorarbeit schloss Timburello bereits Ende 2016, dass die tatsächliche Masse und Grösse der Sternhaufen nur mit einer höheren Auflösung zu erfassen sei.

Lucio Mayer, Professor am Institute of Computational Science, unterstreicht: „Die Beobachtungen der Universität Genf haben somit die neuen Erkenntnisse aus den Simulationen bewiesen. Dies zeigt, dass numerische Simulationen astronomische Beobachtungen voraussagen und antizipieren können.“

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