248 Kilometer Glasfaser: Weltrekord bei Quantenverschränkung
Physik-News vom 16.12.2022
Physikerinnen und Physiker der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es erstmals gelungen, Photonen über 248 Kilometer Glasfaser zu verschränken. Für eine derartige Quantenkommunikation ist dies ein neuer Langstreckenrekord und ein bedeutender Schritt auf dem Weg zum Quanteninternet. Bisher lag die maximale Distanz in diesem Bereich bei 100 Kilometern.
Ziel des jüngsten Experiments war die Erstellung eines ersten Knotens im QUAPITAL-Netzwerk, einem Forschungsprojekt für ein zentraleuropäisches Quanteninternet. Quantennetzwerke versprechen absolut abhörsichere Kommunikation und leistungsstarke verteilte Sensornetzwerke für Forschung und Technologie – sie gelten als Kommunikationswege der Zukunft. Bahnbrechende Vorarbeiten hat in diesem Bereich auch Nobelpreisträger Anton Zeilinger geleistet.
Publikation:
Sebastian Philipp Neumann, Alexander Buchner, Lukas Bulla, Martin Bohmann, and Rupert Ursin
Continuous entanglement distribution over a transnational 248 km fiber link
Nat Commun 13, 6134 (2022)
DOI: 10.1038/s41467-022-33919-0
Publikation:
Sebastian Philipp Neumann, Mirela Selimovic, Martin Bohmann, and Rupert Ursin
Experimental entanglement generation for quantum key distribution beyond 1 Gbit/s
Quantum (2022)
Einsteins „Spukhafte Fernwirkung“ von St. Pölten bis Bratislava
Im Rahmen des QUAPITAL-Projekts schickte ein Sendeapparat in Wien stabil über mehrere Tage Quantenzustände nach Sankt Pölten und Bratislava. Dort wurden sie gemessen und ihre quantenphysikalischen Eigenschaften nachgewiesen. Dabei wurde eine Quelle für verschränkte Photonenpaare im Keller des Physikinstituts der Universität Wien an zwei bereits verlegte Glasfasern angeschlossen. Die beiden je zirka 125 Kilometer langen Faserleitungen führten zu Empfangsstationen in der Nähe von Sankt Pölten sowie in der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava.
Nobelpreis für Physik für Anton Zeilinger
Für die Erforschung der Quantenverschränkung mit Photonen wurde Anton Zeilinger am 10. Dezember 2022 mit dem Nobelpreis für Physik bedacht.
Österreichische Forschung zur Quantenphysik, wie sie an der ÖAW betrieben wird und an der auch Zeilinger forscht, befindet sich hier im internationalen Spitzenfeld.
„Quantenverschränkung ermöglicht es, sogenannten korrelierten Zufall zu erzeugen. Das ist, als ob zwei Münzen, die an verschiedenen Orten – in unserem Fall Sankt Pölten und Bratislava – geworfen werden, stets auf dieselbe Seite fallen“, erklärt Rupert Ursin, wissenschaftlicher Leiter des Projekts an der ÖAW. Dieser von Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnete Effekt sei nicht nur aus physikalischer Sicht interessant, sondern habe ganz konkrete Anwendungen. Die auch kommerziell ausgereifteste davon ist die verschlüsselte Datenübertragung mithilfe von Quantentechnologie. Bei dieser sogenannten Quantenkryptographie können die „Münzwürfe“ dazu verwendet werden, Nachrichten prinzipiell unknackbar zu verschlüsseln. Aber auch die Verknüpfung von zukünftigen Quantencomputern wird durch die Übertragung von Verschränkung ermöglicht.
Wichtige Voraussetzung für zukünftiges Quanteninternet
Sebastian Neumann, ÖAW-Erstautor der Publikation und mit der Durchführung des Experiments betraut, schildert die größten Herausforderungen: „Im Unterschied zum ‚normalen‘ Internetsignal können Quantenzustände nicht am Weg ausgelesen und verstärkt werden. Dadurch werden die Leitungsverluste zu einem Problem, weil nur etwa jedes hundertmillionste weggeschickte Photonenpaar auch tatsächlich an den Detektoren ankommt.“
Dementsprechend hoch müsse die Rate der in Wien erzeugten Photonen sein. „Dafür haben wir eine spezielle Photonenquelle konstruiert, über die wir sogar eigens publiziert haben“, sagt Neumann. Weiters müsse das Signal gegen Temperaturschwankungen in der Faser unempfindlich gemacht werden, wofür ein eigenes Stabilisierungssystem ersonnen wurde. Dies ermöglicht einen ununterbrochenen Betrieb der Leitung, eine weitere wichtige Voraussetzung für ein zukünftiges Quanteninternet.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Österreichischen Akademie der Wissenschaften via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.