Den Regen für Hydrovoltaik nutzen
Physik-News vom 03.04.2020
Wassertropfen, die auf Oberflächen fallen oder über sie gleiten, können Spuren elektrischer Ladung hinterlassen, so dass sich die Tropfen selbst aufladen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz haben dieses Phänomen, das uns auch in unserem Alltag begleitet, nun detailliert untersucht.
Sie entwickelten eine Methode zur Quantifizierung der Ladungserzeugung und entwickelten zusätzlich ein theoretisches Modell zum besseren Verständnis. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte der beobachtete Effekt eine Möglichkeit zur Energieerzeugung und ein wichtiger Baustein zum Verständnis der Reibungselektrizität sein. Wassertropfen, die über nicht leitende Oberflächen gleiten, sind überall in unserem Leben zu finden: Vom Tropfen einer Kaffeemaschine über eine Dusche bis hin zu einem Regenschirm bei Sturm. Wenn ein Tropfen über eine solche Oberfläche gleitet, erzeugt er eine Ladungsspur. Folglich sammelt der Tropfen die umgekehrte Ladung. Obwohl dieses Aufladungsphänomen allgegenwärtig vorhanden ist, ist nur wenig darüber bekannt.
Publikation:
Stetten, A. Z.; Golovko, D. S.; Weber, S. A. L.; Butt, H.-J.
Slide electrification: charging of surfaces by moving water drops
Soft Matter 15 (43), S. 8667 - 8679 (2019)
DOI: 10.1039/c9sm01348b
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MPI-P haben diesen Effekt nun genauer untersucht. Dazu ließen sie nacheinander Tropfen über eine geneigte Fläche aus hydrophobem Glas gleiten. Sie maßen die gesammelte Ladung in Abhängigkeit von der Gleitlänge sowie von der Ladung, die durch frühere rutschende Tropfen zurückgelassen wurde. Sie entwickelten ein theoretisches Modell, das zwei gegensätzliche Effekte kombiniert: die schnelle Deposition von Ladung durch aufeinanderfolgende Tropfen und die langsame Entladung der Oberfläche hinter den Tropfen.
"Das Modell passt perfekt zu unseren experimentellen Beobachtungen", sagt Dr. Amy Stetten, die als Postdoc in der Gruppe der beiden Professoren Stefan Weber und Hans-Jürgen Butt arbeitet. Mit ihrem neu entwickelten Modell wollen die Forscher grundlegende physikalische Effekte wie Reibungselektrizität verstehen und auch Oberflächen entwickeln, die diesen Effekt für die Stromerzeugung ausnutzen und verstärken.
Der damit verbundene Effekt der Reibungselektrizität ist ebenfalls wenig verstanden. Es ist jedoch möglich, dass der beobachtete Effekt und Reibungselektrizität eng miteinander verbunden sind. Viele von uns erleben dies beim Föhnen der Haare. "Wenn zwei Haare in Kontakt kommen und sich aufladen, sind es nie nur die beiden Haare, sondern die beiden Haare mit einer Wasserschicht dazwischen. Einige Experimente in der Literatur zeigen, dass man bei einer Luftfeuchtigkeit nahe Null keine Aufladung aufgrund von Reibung mehr sieht", sagt Stetten.
Aus Anwendungssicht könnte der Effekt genutzt werden, um kleine Mengen an Strom zu erzeugen, wo keine andere Quelle zur Verfügung steht. Dies kann beispielsweise bei kleinen, stromsparenden Sensoren in isolierten, regnerischen Umgebungen der Fall sein.
Die Forscher werden die Arbeit fortsetzen, um besser zu verstehen, wie das Material der Oberfläche oder Eigenschaften wie Oberflächenrauhigkeit die Trennung von Ladungen beeinflussen. Sie zielen darauf ab, Materialien herzustellen, die Ladungen effektiver trennen, damit diese Oberflächen für reale Anwendungen genutzt werden können.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.