Der Anti-Laser mit dem Zufallsprinzip

Der Anti-Laser mit dem Zufallsprinzip



Physik-News vom 05.03.2019

Das Konzept des Lasers lässt sich umkehren: Aus der perfekten Lichtquelle wird dann der perfekte Licht-Absorber. An der TU Wien konnte man nun zeigen, wie die Konstruktion dieses Anti-Lasers auf praxistaugliche Weise gelingt.

Der Laser ist die perfekte Lichtquelle: Man muss ihm lediglich Energie zuführen und er erzeugt Licht einer ganz bestimmten, exakt definierten Farbe. Es ist allerdings auch möglich das Gegenteil herzustellen – nämlich Objekte, die Licht einer ganz bestimmten Farbe perfekt verschlucken und die Energie praktisch vollständig absorbieren.


Experimenteller Aufbau des Anti-Lasers nach dem Zufallsprinzip: Im Inneren eines Wellenleiters befindet sich ein ungeordnetes Medium bestehend aus zufällig positionierten Teflon-Zylindern.

Publikation:


K. Pichler et al.
Random anti-lasing through coherent perfect absorption in a disordered medium
Nature (2019)

DOI: 10.1038/s41586-019-0971-3



An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, diesen Effekt nutzbar zu machen, und zwar sogar in extrem komplizierten Systemen, in denen Lichtwellen unregelmäßig und zufällig in alle Richtungen gestreut werden. Die Methode hat das Team der TU Wien mit Hilfe von Computersimulationen entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Universität Nizza auch im Experiment bestätigt. Das eröffnet neue Möglichkeiten für alle technischen Disziplinen, die mit Wellenphänomenen zu tun haben. Die neue Methode wurde nun im Fachjournal „Nature“ publiziert.

Das Team von der TU Wien: Kevin Pichler, Andre Brandstötter, Stefan Rotter und Matthias Kühmayer (v.l.n.r.)

Zufällige Strukturen, die Wellen verschlucken

„Im täglichen Leben haben wir es überall mit Wellen zu tun, die auf komplizierte Weise gestreut werden – denken Sie etwa an ein Mobilfunksignal, das mehrfach reflektiert wird, bevor es an Ihrem Handy ankommt“, sagt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Diese Vielfach-Streuung macht man sich in sogenannten Zufalls-Lasern zunutze. Solche exotischen Laser haben einen komplizierten, zufälligen inneren Aufbau und strahlen ein ganz bestimmtes, individuelles Lichtmuster aus, wenn man sie mit Energie versorgt.“

In mathematischen Analysen und Computersimulationen konnte Rotters Team zeigen, dass sich dieser Vorgang auch zeitlich umkehren lässt. Anstatt einer Lichtquelle, die abhängig von ihrem zufälligen Innenleben eine bestimmte Welle aussendet, kann man den perfekten Absorber bauen, der spezifisch für seine innere Struktur eine bestimmte Welle völlig verschluckt, ohne auch nur einen Teil davon wieder nach außen abzugeben. Vorstellen kann man sich dies so, als würde man einen Laser, der Licht aussendet, mit einer Filmkamera aufnehmen und diesen Film dann rückwärts abspielen.

„Wegen dieser Zeitumkehr-Analogie zu einem Laser bezeichnet man diese Art von Absorber als Anti-Laser“, sagt Stefan Rotter. „Bisher wurden solche Anti-Laser nur in eindimensionalen Strukturen realisiert, auf die man Licht aus gegenüberliegenden Richtungen lenkte. Unser Zugang ist viel allgemeiner. Wir konnten zeigen, dass selbst beliebig komplizierte Strukturen in mehreren Dimensionen eine maßgeschneiderte Welle perfekt absorbieren können. Damit öffnen wir dieses Konzept für breite Anwendungsmöglichkeiten.“

Der perfekte Wellen-Absorber

Die These der Wiener Forschungsgruppe: Für jedes Objekt, das Wellen ausreichend stark absorbiert, lässt sich eine bestimmte Wellenform finden, die von diesem Objekt perfekt verschluckt wird. „Es wäre allerdings falsch sich vorzustellen, dass der Absorber einfach nur stark genug gemacht werden muss, sodass er einfach jede einfallende Welle aufnimmt“, sagt Stefan Rotter. „Vielmehr handelt es sich um einen komplexen Streuprozess, bei dem sich die einfallende Welle in viele Teilwellen aufspaltet, die sich dann derart miteinander überlagern, dass keine der Teilwellen am Ende nach außen dringen kann.“ Der Absorber, der in einen solchen Antilaser eingebaut ist, muss gar nicht besonders stark absorbieren, es kann sich zum Beispiel um eine einfache kleine Antenne handeln, die von elektromagnetischen Wellen angeregt wird.

Um die Berechnungen zu testen, arbeitete das Team mit der Universität Nizza zusammen. Kevin Pichler, der Erstautor der Nature-Publikation, der derzeit im Team von Stefan Rotter an seiner Dissertation arbeitet, verbrachte mehrere Wochen bei Prof. Ulrich Kuhl an der Universität Nizza, um die Theorie anhand eines Mikrowellen-Experiments direkt in die Praxis umzusetzen. „Eigentlich ist es etwas ungewöhnlich, dass man als Theoretiker auch das Experiment selbst durchführt“, sagt Kevin Pichler. „Für mich war es jedoch besonders spannend, dieses Projekt vom theoretischen Konzept bis hin zur Umsetzung im Labor aktiv mitgestalten zu können.“

Der im Labor gebaute „Zufalls-Anti-Laser“ („Random Anti-Laser“) besteht aus einer Mikrowellenkammer mit einer zentralen Absorber-Antenne, umgeben von zufällig angeordneten Zylindern aus Teflon. Ähnlich wie Steine in einer Wasserpfütze, an denen Wasserwellen abgelenkt und reflektiert werden, können diese Zylinder Mikrowellen streuen und ein kompliziertes Wellenmuster erzeugen. „Zuerst sendet man von außen Mikrowellen auf dieses System und misst wie diese wieder zurückkommen“, erklärt Kevin Pichler. „Mit diesem Wissen lässt sich die Struktur vollständig charakterisieren. Daraus lässt sich dann eindeutig jene Welle berechnen, die von der zentralen Antenne bei der richtigen Absorptionsstärke vollständig verschluckt wird. Bei der Umsetzung dieses Protokolls im Experiment finden wir tatsächlich eine Absorption von ca. 99,8 % des einfallenden Signals.“

Die Anti-Laser-Technologie steht erst am Anfang, aber Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich überall, wo man es mit komplizierter Wellenstreuung zu tun hat. „Stellen wir uns zum Beispiel vor, man könnte ein Handy-Signal genau so anpassen, dass es perfekt von der Antenne in einem bestimmten Handy absorbiert wird “, sagt Stefan Rotter. „Auch in der Medizin hat man es oft mit der Aufgabe zu tun, Wellenenergie möglichst perfekt an einen ganz bestimmten Punkt zu transportieren – etwa Stoßwellen, die einen Nierenstein zertrümmern.“


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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