Der Gleichklang Schwarzer Löcher
Physik-News vom 05.08.2023
Sie sind geheimnisvoll, aufregend und unheimlich anziehend: Schwarze Löcher gehören zu den mysteriösesten Objekten im Universum. Mit Gravitationswellendetektoren ist es inzwischen möglich, das Geräusch hörbar zu machen, das zwei Schwarze Löcher beim Verschmelzen erzeugen. Bisher wurden etwa 70 solcher Geräusche, sogenannte „Chirps“, aufgezeichnet. Ein Forscherteam des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) prognostiziert nun, dass in diesem “Stimmenmeer“ die Chirps bevorzugt in zwei bestimmten Frequenzbereichen auftreten.
Die Entdeckung der Gravitationswellen, wie sie bereits von Einstein vor hundert Jahren postuliert wurden, führte 2017 zum Nobelpreis für Physik und leitete den Beginn der Gravitationswellenastronomie ein. Wenn zwei Schwarze Löcher stellarer Masse verschmelzen, senden sie Gravitationswellen mit ansteigender Frequenz aus, das sogenannte „Chirp“-Signal, das auf der Erde hörbar gemacht werden kann. Aus der Beobachtung dieser Frequenzentwicklung (dem „Chirp“) können Forschende auf die so genannte „Chirp-Masse" schließen, die mathematische Kombination der beiden einzelnen Massen der Schwarzen Löcher.
Publikation:
Fabian R. N. Schneider, Philipp Podsiadlowski, and Eva Laplace
Bimodal Black Hole Mass Distribution and Chirp Masses of Binary Black Hole Mergers
The Astrophysical Journal Letters, 950, 2 (2023)
Bislang nahm man an, dass verschmelzende Schwarze Löcher eine beliebige Masse haben können. Die Computermodelle des HITS-Teams legen jedoch nahe, dass einige von ihnen Standardmassen haben, die dann zu universellen Chirps führen. „Die Existenz von universellen Chirp-Massen verrät uns nicht nur, wie Schwarze Löcher entstehen", sagt Fabian Schneider, Leiter der Studie am HITS. „Sie lässt auch Rückschlüsse darauf zu, welche Sterne in Supernovae explodieren." Darüber hinaus bietet sie Einblicke in den Supernova-Mechanismus, in mit Unschärfe behaftete Kern- und Sternphysik und ermöglicht es Forschenden, die beschleunigte kosmologische Expansion des Universums zu messen.
„Gravierende“ Folgen für das Schicksal der Sterne
Stellare Schwarze Löcher mit etwa der drei- bis hundertfachen Masse unserer Sonne sind die Endpunkte von massereichen Sternen, die nicht in Supernovae explodieren, sondern zu Schwarzen Löchern kollabieren. Deren Vorläufer, die zu Verschmelzungen führen, entstehen ursprünglich in Doppelsternsystemen und erleben mehrere Episoden des Massenaustauschs zwischen den Komponenten. Beide stammen von Sternen, die ihre Hülle verloren haben. „Der Verlust der Hülle hat gravierende Folgen für das Schicksal der Sterne. Es erleichtert zum Beispiel die Explosion in einer Supernova und führt zu universellen Massen von Schwarzen Löchern, wie sie unsere Simulationen jetzt vorhersagen", sagt Philipp Podsiadlowski von der Universität Oxford, Zweitautor der Studie und derzeit Klaus Tschira Gastprofessor am HITS.
Der „stellare Friedhof" – eine Sammlung aller bekannten Massen der Überreste von massereichen Sternen, d.h. Neutronensternen und Schwarzen Löchern – wächst rasch an, weil die Gravitationswellendetektoren zunehmend empfindlicher werden und weil auch an anderen Observatorien weiter nach solchen Objekten gesucht wird. Dabei scheint es eine Lücke in der Verteilung der Chirp-Massen bei verschmelzenden binären Schwarzen Löchern zu geben, und es gibt Hinweise, dass besonders viele Verschmelzungen mit 8 und 14 Sonnenmassen auftreten. Diese Merkmale entsprechen den vom HITS-Team vorhergesagten universellen Chirps.
Jede Auffälligkeit in der Verteilung der Massen von Schwarzen Löchern und Chirps verrät uns viel darüber, wie sich diese Objekte gebildet haben.
Eva Laplace, die dritte Autorin der Studie
Nicht in unserer Galaxie: massereiche Schwarze Löcher aus Doppelsternsystemen
Seitdem die Verschmelzung von Schwarzen Löchern zum ersten Mal beobachtet wurde, hat sich herausgestellt, dass es noch wesentlich massereichere gibt als die in unserer Milchstraße. Dies liegt daran, dass sie von Sternen stammen, deren chemische Zusammensetzung sich von der in unserer Galaxie unterscheidet. Sterne, die in engen Doppelsternsystemen ihre Hülle verlieren, bilden – unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung – Schwarze Löcher von <9 und >16 Sonnenmassen, aber fast keine dazwischen, wie das Team am HITS herausfand.
Singende schwarze Löcher im Stimmenmeer
Wie auch immer das Ergebnis künftiger Gravitationswellenbeobachtungen ausfallen wird: Die Ergebnisse werden Forschenden helfen, besser zu verstehen, woher die singenden schwarzen Löcher in diesem Stimmenmeer kommen.
Beim Verschmelzen implizieren die universellen Massen der Schwarzen Löcher von etwa 9 und 16 Sonnenmassen logischerweise universelle Chirp-Massen, also universelle Töne. „Bei der Aktualisierung meiner Vorlesung über Gravitationswellenastronomie fiel mir auf, dass an den Observatorien für Gravitationswellen erste Hinweise auf ein Fehlen beziehungsweise eine Häufung von Chirp-Massen festgestellt wurden. Und zwar genau bei den in unseren Modellen vorhergesagten universellen Massen", sagt Fabian Schneider. „Da die Zahl der beobachteten Verschmelzungen von Schwarzen Löchern bislang recht gering ist, muss sich erst noch herausstellen, ob dieses Signal in den Daten nur statistischer Zufall ist".
Fördermittel
Für das Projekt wurden Fördermittel des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Rahmen des Programms der Europäischen Union für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ bereitgestellt (Finanzhilfevereinbarung Nr. 945806).
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Heidelberger Instituts für Theoretischen Studien gGmbH via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.