Die Entstehung erdähnlicher Planeten unter der Lupe
Physik-News vom 21.01.2021
Innerhalb einer internationalen Zusammenarbeit haben Wissenschaftler ein neues Instrument namens MATISSE eingesetzt, das nun Hinweise auf einen Wirbel am inneren Rand einer planetenbildenden Scheibe um einen jungen Stern entdeckt hat. Er scheint sich auf einer Umlaufbahn um seinen Stern zu bewegen, ähnlich der Bahn des Merkur um die Sonne. Astronomen gehen davon aus, dass solche Wirbel Orte sind, an denen kleine Teilchen zusammenströmen und wachsen, um die Bausteine von Planeten zu produzieren. Das MPIA hat wesentlich zum Bau von MATISSE beigetragen, einer Infrarotkamera für das Very Large Telescope Interferometer der ESO.
Astronomen haben bislang mehr als 4000 Planeten aufgespürt, die um andere Sterne als die Sonne kreisen. Allerdings sind Wissenschaftler immer noch damit beschäftigt, die Prozesse zu erforschen, wie sich diese Planeten aus den Scheiben aus Staub und Gas bilden, die ihre Muttersterne umgeben. In den letzten Jahren haben leistungsfähige Instrumente Nahaufnahmen von solchen Planetenscheiben gemacht. Allerdings fehlt es ihnen im Allgemeinen an Winkelauflösung und Empfindlichkeit, um die inneren Regionen der Scheiben zu untersuchen. Dort entstehen die erdähnlichen Planeten aus Gesteinsbrocken, die mit der Zeit aus winzigen Staubkörnern wachsen.
Publikation:
J. Varga, M. Hogerheijde, R. van Boekel et al.
The asymmetric inner disk of the Herbig Ae star HD 163296 in the eyes of VLTI/MATISSE: evidence for a vortex?
Astronomy & Astrophysics, 2021
DOI: 10.1051/0004-6361/202039400
Einer umfangreichen Kooperation von Wissenschaftlern unter maßgeblicher Beteiligung von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg ist es nun durch den Einsatz eines neuen Instruments namens MATISSE (Multi AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment) gelungen, diese Grenzen zu überwinden. Die Beobachtungen bei infraroten Wellenlängen liefern Hinweise auf einen Wirbel, der in einen Ring aus heißem Staub am inneren Rand der protoplanetaren Scheibe des jungen Sterns HD 163296 eingebettet ist. Der mögliche Wirbel zeigte sich als heißer Fleck, der eine Asymmetrie am inneren Rand der Scheibe erzeugt. Unter Einbeziehung veröffentlichter Daten schlossen die Wissenschaftler, dass er den Stern etwa innerhalb eines Monats umkreist. Seine Bahn befindet sich in einem Abstand zum Zentralstern, der mit der Umlaufbahn des Merkurs um die Sonne vergleichbar ist.
Theoretische Berechnungen sagen das Auftreten von Wirbeln in Scheiben voraus, in denen Material wie ein Tornado herumwirbelt und Staub anhäuft. „Die höhere Staubdichte bewirkt ein schnelleres Wachstum der Staubkörner als irgendwo sonst in der Scheibe. Das könnte diese Wirbel zu effizienten Fabriken für die Herstellung der Bausteine zukünftiger Planeten machen“, erklärt Roy van Boekel. Er leitet die Protoplanetary Disk Science Group und managt das MATISSE-Projekt am MPIA. Einige der neu gebildeten Felsbrocken kollidieren unter hohen Geschwindigkeiten, wodurch das Material zu winzigen Körnern zermahlen wird. Diese können höhere Temperaturen erreichen als größere Steinchen, was der wahrscheinliche Ursprung des in den Daten gefundenen heißen Flecks ist.
Dieses spektakuläre Ergebnis wird in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics als erste wissenschaftliche Publikation des MATISSE-Teams erscheinen. „MATISSE ist ein neues Infrarot-Instrument für das VLTI (Very Large Telescope Interferometer), das die Europäische Südsternwarte (ESO) an ihrem Standort Paranal in Chile betreibt“, sagt Michael Lehmitz, Ingenieur am MPIA. „Das MPIA hat zu einem internationalen Konsortium beigetragen, das MATISSE entworfen und gebaut hat. Wir haben die empfindlichen Optiken in einen Kryostaten integriert, der sie auf -235° C herunterkühlt.“ Die anschließenden Tieftemperatur-Leistungstests wurden ebenfalls am MPIA durchgeführt. MATISSE kombiniert das von bis zu vier einzelnen VLTI-Teleskopen gesammelte Licht und führt spektroskopische und bildgebende Beobachtungen durch. Damit simuliert die Anlage die Abbildungsleistung eines Teleskops mit einem Durchmesser von bis zu 200 Metern und ist in der Lage, die detailliertesten Bilder zu erzeugen, die es je im mittleren Infrarotbereich gab.
Hintergrund
Die hier vorgestellte Studie gehört zu einem umfangreichen Guaranteed Time Observation (GTO)-Programm, das die Planetenbildungsmechanismen in den inneren Zonen protoplanetarer Scheiben untersucht. In den nächsten Jahren wird das GTO-Programm viele weitere Systeme wie HD 163296 unter die Lupe nehmen. Auf diese Weise trägt es zu einem besseren Verständnis bei, wie die Bildung von erdähnlichen Planeten um eine Vielzahl junger Sterne abläuft. Das MPIA erhielt eine garantierte Menge an Beobachtungszeit als Belohnung für seine Beiträge zur Entwicklung von MATISSE.
„Wir haben MATISSE bewusst dafür entworfen, die inneren Zonen von planetenbildenden Scheiben zu erforschen, die bisher mit den verfügbaren astronomischen Instrumenten nicht zugänglich waren“, betont Thomas Henning, Direktor am MPIA und einer der leitenden Wissenschaftler des MATISSE-Programms. „Ich bin stolz und begeistert, dass die Entdeckung eines potenziellen Wirbels in der Scheibe von HD 163296 zeigt, dass wir die Prozesse untersuchen können, die erdähnliche Planeten in geringen Abständen vom Mutterstern erzeugen.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Astronomie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.