Ein atomares Quantenbit schaltbar gemacht

Ein atomares Quantenbit schaltbar gemacht



Physik-News vom 16.04.2018

Ein Bit pro Atom: Augsburger Physiker erreichen gemeinsam mit US-amerikanischen Kollegen das wohl ultimative Limit für einen nanoskaligen Datenspeicher

Die zunehmende Miniaturisierung von elektronischen Schaltkreisen und Speichermedien schreitet immer weiter voran. Aber wie klein kann man ein ‚Bit‘ an Information eigentlich machen? Genügt ein einziges Atom, um eine 0 und oder eine 1 zu schreiben und den jeweiligen Zustand einzufrieren? Das magnetische Moment von einzelnen Atomen oder auch von kleinen Clustern erlaubt dies tatsächlich. Es wirkt wie ein winziger Stabmagnet, dem man nur zwei mögliche Orientierungen erlaubt: Entweder zeigt der magnetische Nordpol nach oben oder nach unten. Zwischen beiden Zuständen liegt eine hohe Energiebarriere, die ein einfaches Umschalten verhindert und mittendrin liegende Orientierungen verbietet.


Das Quantentunneln der Magnetisierung erlaubt ein gezieltes Einfrieren oder Umklappen eines magnetischen Momentes, je nachdem entlang welcher Richtung ein externes Magnetfeld angelegt wird.

Publikation:


M. Fix, J. H. Atkinson, P. C. Canfield, E. del Barco, and A. Jesche
Extreme Field Sensitivity of Magnetic Tunneling in Fe-Doped Li₃N
Phys. Rev. Lett. 120, 147202 – Published 4 April 2018

DOI: 10.1103/PhysRevLett.120.147202



Nun erlaubt die Quantenmechanik aber eine Abkürzung: Anstatt die Energiebarriere mühsam zu erklimmen, kann man sie einfach durchtunneln. Dabei gilt es allerdings einiges zu beachten: So müssen die Energien der zwei Zustände, zwischen denen ein solcher Tunnelprozess stattfindet, exakt gleich sein, was auch als Entartung bezeichnet wird. Mit einem von außen angelegten Magnetfeld kann diese aufgehoben werden, was zu einer Blockade des Tunnelpfades führt. Die Orientierung des magnetischen Momentes wird dabei eingefroren.

Statt eines nur 0,003 Tesla

Dass dies schon mit sehr kleinen Magnetfeldern gelingen kann, zeigen Ergebnisse der Nachwuchsgruppe um den Augsburger Physiker Dr. Anton Jesche (Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/EKM), die jetzt in einem Artikel in der Fachzeitschrift Physical Review Letter erschienen sind. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Central Florida und des Ames National Laboratory wurde das Quantentunneln der Magnetisierung einzelner Eisenatome untersucht, die in eine kristalline Matrix aus Lithiumnitrid eingebracht wurden. Dass sich das Quantentunneln in Magnetfeldern schwächen lässt, ist schon länger bekannt und wurde intensiv an sogenannten Molekularmagneten untersucht. Hierbei musste jedoch ein sehr starkes Magnetfeld im Bereich von einem Tesla erzeugt werden, um einen merklichen Effekt auf die Schaltbarkeit des magnetischen Bits zu haben. Dagegen reicht weniger als ein halbes Prozent dieses Wertes, um den Tunneleffekt im neu entwickelten Eisensystem vollständig zu unterdrücken. „Schon mit einer einfachen Spule, die man um den kleinen Finger wickeln kann, lässt sich ein Feld dieser Größe erzeugen“, berichtet Jesche, „vor allem aber kann es nahezu instantan, also ohne die geringste zeitliche Verzögerung, an- oder ausgeschalten werden.“

Dieses außergewöhnliche Verhalten basiert zum einen auf der geringen Defektdichte der in Augsburg gezüchteten Kristalle. Zum anderen spielt die chemische Umgebung eine entscheidende Rolle: Die Eisenatome werden von lediglich zwei nächsten Nachbarn an ihrem Platz gehalten. Hierdurch wird eine hohe Anisotropie, d. h. eine hohe Richtungsabhängigkeit der Atomeigenschaften erzeugt, die ein zufälliges Umklappen der magnetischen Momente verhindert.

Das magnetische Moment einfrieren oder aber gezielt umklappen

Doch nicht nur das Unterdrücken des quantenmechanischen Tunneleffektes ist gelungen, auch das Gegenteil hat sich möglich erwiesen: Legt man des externe Magnetfeld entlang bestimmter Richtungen an, nämlich senkrecht zur gedachten Linie zwischen Eisen und seinen zwei Nachbaratomen, so kann die Tunnelrate sogar signifikant erhöht werden. Man kann das magnetische Moment somit entweder einfrieren oder sein Umklappen gezielt befördern.

Technisch leicht realisierbare 10 Kelvin über dem absoluten Nullpunkt

Mit einem Bit pro Atom scheint damit das ultimative Limit für einen nanoskaligen Datenspeicher erreicht. „Im Prinzip kann man mit diesen Zuständen auch mathematische Operationen durchführen“, so Jesche, „ wobei es zu einem möglichen Quantencomputer aber noch ein weiter Weg ist.“ Vielversprechend seien aber jedenfalls schon einmal die relativ hohen Temperaturen, bei denen sich der Übergang vom klassischen zu quantenmechanischen Verhalten ausbildet: 10 Kelvin über dem absoluten Nullpunkt lassen sich technisch recht leicht realisieren, sie liegen mehr als hundertmal höher als in aktuellen Rechnerarchitekturen, die auf supraleitenden Quantenbits basieren.


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