Forscher entdecken neue Form von Eis
Physik-News vom 18.04.2018
Eis ist nicht gleich Eis. Abhängig von Druck und Temperatur bilden Wassermoleküle unterschiedliche Strukturen aus, insgesamt siebzehn kristalline Eisformen konnten bisher nachgewiesen werden. Ein Team um den Innsbrucker Chemiker Thomas Lörting hat gemeinsam mit Forschern der TU Dortmund nun eine weitere Eisform entdeckt. Sobald die Kristallstruktur bestimmt ist, könnte es als Eis XVIII in die Lehrbücher eingehen.
Während Eis I als Schnee und Eis auf der Erde zu finden ist, findet man auf der Oberfläche unseres Planeten - außer in Forschungslaboren - keine anderen Eisformen. Viele Eisformen entstehen in den Weiten des Weltalls unter besonderen Druck- und Temperaturverhältnissen. Eis VI wurde auf Himmelskörpern wie dem Jupitermond Ganymed indirekt nachgewiesen. Dort sorgen hunderte Kilometer dicke Eisschichten für die notwendigen Druckverhältnisse.
Publikation:
Tobias M. Gasser, Alexander V. Thoeny, Lucie J. Plaga, Karsten W. Köster, Martin Etter, Roland Böhmer and Thomas Loerting
Experiments indicating a second hydrogen ordered phase of ice VI
Chem. Sci., 2018
DOI: 10.1039/C8SC00135A
Eis VI gibt es aber auch im Inneren der Erde, nämlich im oberen Erdmantel in 200 bis 500 Kilometern Tiefe bei Temperaturen oberhalb von null Grad Celsius, wie Einschlüsse in Diamanten belegen. Obwohl diese Eisform als kristallin bezeichnet wird, handelt es sich bei Eis VI eigentlich um einen sogenannten frustrierten Kristall, weil hier nur die Sauerstoffatome periodisch angeordnet sind, während die Wasserstoffatome chaotisch orientiert sind. Wird Eis VI abgekühlt, so können sich auch die Wasserstoffatome periodisch anordnen, und es entsteht eine neue, geordnete Eisform, genannt Eis XV. Für beinahe alle ungeordneten Eisformen wurden in der Vergangenheit auch entsprechende geordnete Eisformen nachgewiesen.
„Aus Eis VI hat Christoph Salzmann 2009 hier in Innsbruck erstmals die geordnete Eisform Eis XV hergestellt“, erzählt Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck. Durch einen veränderten Herstellungsprozess ist es dem Team um Lörting nun gelungen, eine zweite geordnete Form für Eis VI zu erzeugen. Wie umfangreiche Analysen zeigen, die gemeinsam mit dem Team um Roland Böhmer an der TU Dortmund durchgeführt wurden, weist diese Eisform eine neue Art von Ordnung auf.
Noch ist es den Wissenschaftlern nicht gelungen, deren Kristallstruktur zu bestimmen. Sobald diese gefunden ist, könnte die neu entdeckte Form als Eis XVIII Eingang in die Lehrbücher finden. Im Gegensatz zum bekannten Herstellungsprozess haben die Innsbrucker Forscher die Abkühlrate deutlich verlangsamt und den Druck auf rund 20 kbar erhöht. Mit dieser Methode ist es erstmals gelungen, in einer gegebenen periodischen Anordnung der Sauerstoffatome die Wasserstoffatome in einer zweiten Art und Weise anzuordnen.
„Mit unserer Methode ist es möglich, die Ordnung der Wasser-Dipole und damit die Eigenschaften des Eises zu steuern. Die Dielektrizitätskonstante dieser Eisformen kann sich zum Beispiel um das Hundertfache unterscheiden“, sieht Thomas Lörting auch Potential für die Materialwissenschaften.
Die Vielfalt des Eises
Die atomare Struktur, insbesondere die genauen Positionen der Wasserstoffatome, zu ermitteln ist nicht einfach, denn Wasserstoff ist sehr leicht und kann sowohl mit Röntgen- als auch Neutronenbeugungsmethoden nur sehr schwer eindeutig positioniert werden. Die Innsbrucker Chemiker wollen deshalb in Zukunft einen Trick anwenden und das gleiche Eis mit Wassermolekülen aus Sauerstoff und Deuterium herstellen. Die exakten Positionen des auch als schwerer Wasserstoff bekannten Deuterium im Kristallgitter könnten mittels Neutronenbeugung nachgewiesen und so die Wasserstoffordnung in der neuen Eisphase bestimmt werden. „Und mit unserem Know-how entstehen in den Laboren vielleicht bald schon viele weitere Abwandlungen von Wassereis“, blickt Thomas Lörting bereits in die Zukunft.
Die Arbeiten entstanden im Rahmen der Forschungsplattform für Material- und Nanowissenschaften der Universität Innsbruck und wurden vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG finanziell unterstützt.