Handfeste Hinweise auf neue Physik
Physik-News vom 07.04.2021
Das Fermilab (USA) hat heute erste Daten aus dem Myon g-2 Experiment veröffentlicht, welche die Messwerte des gleichnamigen, 2001 durchgeführten Experiments am Brookhaven National Laboratory bestätigen. Ein Durchbruch in der Physikwelt, denn die Werte weichen vom Standardmodell der Teilchenphysik ab und verdichten damit die Hinweise, dass eine Physik jenseits des Standardmodells existiert.
Dominik Stöckinger ist seit Jahren an den Untersuchungen des Fermilab beteiligt. Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Hyejung Stöckinger-Kim widmet er sich am Institut für Kern- und Teilchenphysik insbesondere der Theorie zum Thema. Sie glauben, dass bisher unbekannte Elementarteilchen oder Wechselwirkungen als Ursache für die Abweichung von der im Standardmodell berechneten g-2-Größe des Myons in Frage kommen könnten.
„Ein fantastischer Tag und ein fantastisches Ergebnis!“ Prof. Dominik Stöckinger vom Institut für Kern- und Teilchenphysik der TU Dresden kann seine Freude kaum in Worte fassen. In einem Online-Seminar wurden am 7. April 2021 um 17 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, die Ergebnisse der ersten Messung des Myon g-2 Experiments am Fermilab vorgestellt. Ein Ereignis, auf das Physikerinnen und Physiker in der ganzen Welt seit fast 20 Jahren warten.
Damals im Jahr 2001 wurde am Brookhaven National Laboratory eine erste experimentelle Messung des g-2-Werts von Myonen ermittelt. Myonen ähneln in vielen ihrer Eigenschaften den Elektronen, sie sind nur viel schwerer. Myonen entstehen auf natürliche Weise, wenn kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft, Teilchenbeschleuniger können sie in großer Zahl erzeugen. Alle Wechselwirkungen und Elementarteilchen tragen mit ihren jeweiligen Eigenschaften zu der Größe g-2 (g-Faktor) des Myons bei. Das Standardmodell sagt dieses so genannte anomale magnetische Moment sehr genau voraus. Existieren jedoch zusätzliche Kräfte oder Teilchen, die vom Standardmodell nicht berücksichtigt werden, würde dies den g-2-Wert der Myonen verändern. Bei der ersten Messung im Jahr 2001 ergab sich eine signifikante Abweichung des experimentellen Werts zur theoretisch berechneten Größe des Standardmodells. Leider war das Experiment nicht empfindlich genug, um eine zufällige Fluktuation des Messwerts als Ursache auszuschließen.
Die 2018 am Fermilab durchgeführten Messungen sind auf das Höchste präzise und daher verlässlicher als das Vorgängerexperiment. Überaschenderweise bestätigen die heute präsentierten Ergebnisse die Werte von damals und eröffnen damit einen völlig neuen Blick auf die subatomare Welt.
Auf einen Blick: Unterschiede zum Standardmodell
Die allgemein akzeptierten theoretischen Werte des Standardmodells für das Myon betragen: | Die neuen experimentellen Durchschnittsergebnisse der Myon g-2-Kollaboration betragen: |
g-Faktor: 2.00233183620(86) | g-Faktor: 2.00233184122(82) |
Anomales magnetisches Moment: 0.00116591810(43) | Anomales magnetisches Moment: 0.00116592061(41) |
Auch wenn sich die Werte erst in der achten Nachkommastelle unterscheiden, deutet diese Abweichung daraufhin, dass das Standardmodell der Elementarteilchenphysik unzureichend ist. [1] |
Für Prof. Dominik Stöckinger, der seit Stunde null am Fermilab Experiment beteiligt war, verdichten sich damit die Hinweise, auf bisher unbekannte Elementarteilchen. „Als theoretische Physiker haben wir viele Jahre daran gearbeitet, theoretische Vorhersagen zu erarbeiten, die dann mit diesem Experiment verglichen werden könnten. In unserer Arbeit haben wir bereits gesehen, dass einige, jedoch bei weitem nicht alle, Ideen für solch neue Physik diese Abweichung erklären können. Wir werden nun das heute veröffentlichte Ergebnis mit anderen Elementarteilchenexperimenten kombinieren und genau analysieren, welche Arten von neuen Teilchen, zum Beispiel dunkle-Materie-Teilchen, zusätzliche Higgsteilchen oder vielleicht sogar noch exotischere Teilchen, die Beobachtungen am besten erklären, um Fortschritte im Verständnis der fundamentalen Physik zu erzielen“.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Dresden via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.