Hinter einem Schleier aus Nichts

Hinter einem Schleier aus Nichts



Physik-News vom 10.08.2020

Internationales Forscherteam manipuliert das Quantenvakuum schneller als Licht.

Physiker aus Regensburg und Paris haben einen neuen Weg gefunden, den exotischen Vakuumgrundzustand von extrem stark Licht-Materie-gekoppelten Nanostrukturen in weniger als einem Zehntel der Oszillationsperiode des Lichts gezielt zu manipulieren. Die Ergebnisse verbessern das Verständnis von Vakuumfluktuationen und stellen darüber hinaus mögliche Anwendungen im Bereich der Quantenchemie und supraleitender Materialien in Aussicht.


Künstlerische Darstellung der Wellenfunktion des elektronischen Systems (rot und gelb) bedeckt von einer Decke aus virtuellen Photonen des Lichtfeldes (blau).

Publikation:


M. Halbhuber, J. Mornhinweg, V. Zeller, C. Ciuti, D. Bougeard, R. Huber, and C. Lange
Non-adiabatic stripping of a cavity field from deep-strongly coupled electrons
Nature Photonics (2020)

DOI: 10.1038/s41566-020-0673-2



Bereits die Philosophen der Antike diskutierten das faszinierende Konzept des absoluten Nichts, welches auch in die klassische Physik Einzug hielt. Die Quantenmechanik und ihre Feldtheorien jedoch räumen mit der Vorstellung dieser perfekten Leere auf, indem sie Teilchen und Licht anhand von Feldfunktionen beschreiben, die stetigen Fluktuationen unterliegen.

Diese sogenannten Vakuumfluktuationen bedingen eine stetige Erzeugung und anschließende Vernichtung von Quanten auf sehr kurzen Zeitskalen und füllen den Raum mit einem schäumenden, brodelnden Bad virtueller Teilchen. Deren fundamentale Bedeutung für das Universum erstreckt sich vom ganz Kleinen – minimaler Verschiebungen atomarer Linienspektren – bis hin zum ganz Großen – dem Verdampfen schwarzer Löcher und der Struktur des Universums über Distanzen von Milliarden von Lichtjahren. Ungeachtet ihrer kritischen Rolle blieben Vakuumfluktuationen bislang jedoch unter Laborbedingungen nur schwer zugänglich.

Das Forscherteam um die Regensburger Physiker Prof. Dr. Christoph Lange, Prof. Dr. Dominique Bougeard und Prof. Dr. Rupert Huber sowie Prof. Dr. Cristiano Ciuti von der Université de Paris hat nun einen entscheidenden Schritt zur Kontrolle dieser Quantenvakua gemacht. Hierfür stellten sie eine spezielle Halbleiterstruktur her, in welcher die Elektronen ungeahnt stark an das Lichtfeld von kleinen Antennen im sogenannten Terahertz-Spektralbereich (1 THz = 1012 Hz) koppeln. Der extrem starke Austausch von Energie zwischen Licht- und Materiefeldern führt dazu, dass Vakuumfluktuationen des Lichtfeldes, also virtuelle Photonen, in der Struktur besonders dominant auftreten – selbst in kompletter Dunkelheit.

„Der entscheidende Punkt ist, dass wir die Kopplung extrem schnell ausschalten“, erklärt Doktorandin Maike Halbhuber. Doktorand Joshua Mornhinweg ergänzt: „Besonders faszinierend sind außerdem die unerwarteten Nachschwingungen des Lichtfeldes beim Schalten.“ Das plötzliche Ausschalten der Lichtresonators entreißt den Elektronen die Decke aus virtuellen Photonen und enthüllt deren sonst unzugänglichen Quantenzustand. Durch die ausführliche Analyse dieser Oszillationen des kollabierenden Quantenvakuums konnte das Team bestätigen, dass das Ausschalten schneller als ein Zehntel eines Billionstels einer Sekunde abläuft – weit schneller als ein Zehntel der Oszillationsperiode der virtuellen Photonen.

Im nächsten Schritt beabsichtigt die Forschergruppe, die virtuellen Photonen, die gemäß der Theorie beim Ausschalten des exotischen Zustandes freiwerden, erstmalig direkt nachzuweisen. Damit sind die Möglichkeiten des Konzeptes aber noch nicht erschöpft, wie Prof. Lange erläutert: „Es ist denkbar, dass unsere Strukturen darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten eröffnen, Kontrolle über neuartige Phänomene wie Quantenchemie in Resonatoren oder durch Vakuumfelder kontrollierte Supraleitung sowie elektronischen Transport zu erlangen.“ Neben Aspekten der Grundlagenforschung ermöglicht das Konzept der Regensburger und Pariser Forscherinnen und Forscher somit auch eine Reihe spannender Anwendungen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Regensburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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