Kurzfilm eines magnetischen Nanowirbels
Physik-News vom 24.02.2020
Erstmals haben Forschende am Paul Scherrer Institut PSI einen „3-D-Film“ von magnetischen Vorgängen im Nanometerbereich aufgenommen. Dieser zeigt eine Vielzahl von Dynamiken im Material, darunter die Bewegung von wirbelförmigen Grenzen zwischen verschiedenen magnetischen Domänen. Die Einsichten wurden mit einer Methode erzielt, die an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS neu entwickelt wurde. Sie könnte helfen, magnetische Datenspeicher kompakter und effizienter zu machen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen die Forschenden heute im Fachblatt Nature Nanotechnology.
Wenn ein magnetischer Sticker an der Kühlschranktür haften bleibt, ist das wenig erstaunlich. Doch im Bereich von Nanometern (wobei ein Nanometer einem millionstel Millimeter entspricht) geben magnetische Strukturen und ihr Verhalten Physikern immer noch Rätsel auf. Zugleich ist, was auf dieser kleinen Skala geschieht, hoch relevant für zukünftige Technologien. Nun gelang es PSI-Forschenden erstmalig, einen kurzen „Film“ der dreidimensionalen magnetischen Struktur im Inneren eines Materials mit Nanometer-Genauigkeit aufzunehmen.
Publikation:
C. Donnelly, S. Finizio, S. Gliga, M. Holler, A. Hrabec, M. Odstrčil, S. Mayr, V. Scagnoli, L. J. Heyderman, M. Guizar-Sicairos, J. Raabe
Time-resolved imaging of three-dimensional nanoscale magnetization dynamics
Nature Nanotechnology 24. Februar 2020
DOI: 10.1038/s41565-020-0649-x
„Magnetismus spielt auf viele Arten eine Rolle in unserem Alltag; aber auf dieser ganz kleinen, grundlegenden Ebene sind die Phänomene noch nicht komplett verstanden“, erklärt Claire Donnelly, Erstautorin der Studie. Donnelly war zum Zeitpunkt der Experimente Forscherin am PSI und arbeitet inzwischen an der Universität Cambridge in Grossbritannien.
Publikation:
Die Forschenden nutzten das Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI und eine spezielle, dort erst vor Kurzem entwickelte, tomografische Methode, die sie „zeitaufgelöste ptychografische Laminografie“ nennen. Das Team bestand aus Forschenden am PSI, an der ETH Zürich sowie in Grossbritannien. Die untersuchte Probe war eine Gadolinium-Kobalt-Verbindung in Form einer runden Scheibe.
Mehr als vier Tage für sieben Bilder
„Mit unserer Methode können wir zerstörungsfrei das Material durchleuchten und aus den Daten mehrere aufeinanderfolgende 3-D-Bilder der inneren magnetischen Struktur rekonstruieren“, sagt PSI-Forscher Manuel Guizar-Sicairos. „Wir machen an jedem Messpunkt im Material die Ausrichtung des magnetischen Moments sichtbar und stellen diese dann als eine Art winzige magnetische Kompassnadel dar.“
Genau wie magnetische Späne reagieren diese Kompassnadeln auf ein externes magnetisches Feld sowie aufeinander und bilden verschachtelte Muster, die das gesamte Objekt durchziehen. Dabei bilden sich Bereiche – sogenannte Domänen –, in denen die Magnetisierung überwiegend in eine bestimmte Richtung zeigt. Die Übergänge zwischen zwei solchen Bereichen, also die Domänengrenzen, sind für Forschende besonders interessant: „Es gibt bereits Ideen, diese als Speicherbits zu nutzen, mit denen sich Daten womöglich noch enger packen liessen, als wenn man die Domänen selbst nutzt“, so Donnelly. Wie diese Domänengrenzen im Detail aussehen, lässt sich in 3-D erst seit Kurzem und mit hochmodernen Bildgebungsmethoden unter anderem am PSI sichtbar machen.
In der nun vorliegenden Studie gingen die Forschenden noch einen Schritt weiter, indem sie die Bewegung sowohl von Domänen als auch von Domänengrenzen abbildeten. „Wir haben sieben Momentaufnahmen gemacht, die Zeitpunkte zeigen, die jeweils nur eine viertelmilliardstel Sekunde auseinanderliegen. Darauf können wir sehen, wie eine Domänengrenze hin und her wandert.“ Etwas mehr als viereinhalb Tage dauerte die reine Datenerhebung, die nachher diese Sequenz aus sieben Bildern ergab.
Wie Stroboskop-Licht
Die von ihnen beobachtete Bewegung der Domänengrenze haben die Forschenden selbst durch ein extern angelegtes Magnetfeld gezielt wiederholt hervorgerufen. Ihre Bilder sind also nicht tatsächlich im Abstand von einer viertelmilliardstel Sekunde aufgenommen worden. Stattdessen erzeugten die Forschenden eine Zeitschleife aus einem sich wiederholend verändernden magnetischen Feld und nahmen darin zu verschiedenen Zeitpunkten Bilder auf – ähnlich wie Stroboskoplicht, das eine sich wiederholende Bewegung scheinbar verlangsamt.
Die Aufnahme der 3-D-Bilder aus dem Inneren der Probe wiederum basiert auf einem Grundprinzip der Computertomografie (CT). Ähnlich wie bei medizinischen CT-Scans wurden mit den Röntgenstrahlen viele Durchleuchtungsbilder der Probe nacheinander und jeweils aus leicht unterschiedlicher Richtung aufgenommen. Aus den gesammelten Daten erstellten die Forschenden mittels einer selbst entwickelten Software ihre 3-D-Landkarten der Magnetisierung.
„Mit dieser Methode haben wir nicht nur zeitaufgelöste 3-D-Filme des Inneren eines Objekts erreicht“, freut sich Donnelly, „sondern wir konnten in einem Magneten die Dynamik im Nanobereich abbilden. Wir haben also gezeigt, dass unsere neu entwickelte Technik tatsächlich für die Entwicklung neuer Technologie relevant ist.“ Und Guizar-Sicairos ergänzt: „Unsere neue Methode ist auch für andere Materialien geeignet und könnte damit in Zukunft noch weitere nützliche Anwendungen haben.“
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.