Naturkonstanten als Hauptdarsteller
Physik-News vom 16.11.2018
Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) verabschiedet Revision des Internationalen Einheitensystems.
Die Staaten der Meterkonvention haben auf ihrer 26. Generalkonferenz für Maße und Gewichte (Conférence Générale des Poids et Mesures, CGPM) am 16. November 2018 in Versailles eine grundlegende Revision des Internationalen Einheitensystems (SI) beschlossen. In Zukunft werden sich alle SI-Einheiten auf die festgelegten Werte von sieben ausgewählten Naturkonstanten beziehen. Die Generalkonferenz folgt damit einer Empfehlung des Internationalen Komitees für Maße und Gewichte (Comité International des Poids et Mesures, CIPM), des höchsten Expertengremiums in der Welt der Metrologie. Die Neudefinitionen werden am 20. Mai 2019, dem Weltmetrologietag, in Kraft treten.
Publikation:
„Forschung zum neuen SI“, ein ganzes Kapitel im PTB-Internet mit Veröffentlichungen, u. a. den PTB-Mitteilungen, einzelnen Bildern und Texten sowie vielen weiteren Infos zum neuen SI
Die Idee, eine Maßeinheit auf der Basis von Naturkonstanten zu definieren, ist prinzipiell nicht neu. Was bei der Definition der Sekunde mittels Atomuhren vor 50 Jahren und bei der Definition des Meters mithilfe der Lichtgeschwindigkeit vor über 30 Jahren begonnen wurde, wird nun für alle Einheiten im Internationalen Einheitensystem fortgesetzt. Vier weitere Konstanten spielen dabei die Hauptrollen: das Planck’sche Wirkungsquantum h, die Avogadrokonstante NA, die Boltzmannkonstante k und die Ladung des Elektrons e.
In den metrologischen Laboratorien fanden in den letzten Jahren aufwendige Experimente statt, um eben diese Konstanten so gut es irgend geht zu messen. Und diese Messungen, die vor allem an den großen nationalen Metrologieinstituten wie der PTB (Deutschland) und dem NIST (USA) oder auch dem NMIJ (Japan) und dem NRC (Kanada) durchgeführt wurden, waren erfolgreich: Die zuvor gesetzten Zielmarken, u. a. bei den Messunsicherheiten und der Unabhängigkeit der Experimente voneinander, wurden erreicht. Die Werte der betreffenden Naturkonstanten konnten somit auf der Basis dieser Messungen sehr genau festgelegt werden.
Im neuen SI wird es keine definitionsbedingten Schwankungen mehr geben, da die Naturkonstanten verbindlich festgelegte Werte bekommen. Damit wird das so neu definierte Kilogramm stabil für alle Zeiten sein. Ein Urkilogramm, dessen Masse sich verändert, ist dann Geschichte. Alle elektrischen Einheiten inklusive des Ampere werden als Quantenrealisierungen (über den Josephson- und den Quanten-Hall-Effekt oder „einfach“ durch Zählen von Elektronen pro Zeit) Teil des Systems. Und nicht zuletzt wird das Mol nun auch definitorisch über eine festgelegte Anzahl von Teilchen (die Avogadro-Konstante) einer spezifizierten Substanz erfasst.
Daher gilt im neuen SI: Kann genauer gemessen werden, können auch die Einheiten genauer realisiert werden – ohne Änderung der zugrundeliegenden Definition. In einer hochtechnischen Welt, in der weder die Längenteilungen beim Nanometer aufhören werden noch die Zeitteilungen bei Femtosekunden, ist diese technische Offenheit des neuen SI gegenüber allen zukünftigen Genauigkeitsfortschritten ein großer Gewinn. Damit schafft die Revision des Einheitensystems bessere Voraussetzungen für Innovationen überall da, wo es auf höchste Messgenauigkeit ankommt – bei der Entwicklung von Quantentechnologien ebenso wie bei den Diagnosemöglichkeiten der Medizin, den Effizienzsteigerungen bei der Energiegewinnung oder den Analysemethoden der Klimaforschung. Und diese Offenheit gilt auf der gesamten Skala der jeweiligen Einheit, da die Naturkonstanten keinen speziellen Skalenabschnitt hervorheben. Dies steht durchaus im Gegensatz zur jetzigen Situation, in der das Kilogramm nur genau einen Punkt auf der Masseskala, nämlich den 1-kg-Punkt, festlegt oder der Tripelpunkt des Wassers ebenfalls nur einen einzigen Wert, den 0,01-°C-Punkt auf der Temperaturskala, fixiert.
Das komplett neu definierte Einheitensystem beseitigt die Mängel des bisherigen Systems, wobei die Änderungen im täglichen Leben nicht bemerkbar sind. Für die Wissenschaft tritt der Fortschritt dagegen sofort ein, sobald die Neudefinitionen verabschiedet sind. Für die Technik zeigen sich die Fortschritte als Langzeitwirkung. Und ein weiterer Vorteil ist überzeugend: Naturkonstanten gelten überall. Damit bildet das neue SI gewissermaßen eine universelle Sprache, auf die sich die Weltgemeinschaft nun verständigt hat.
Hintergrundinfo:
Ausgelöst durch die industrielle Revolution, begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts der grenzüberschreitende Handel mit technischen Gütern stark zuzunehmen. Die damaligen Industriestaaten erkannten rasch, dass ein einheitliches, internationales Maßsystem von entscheidender Bedeutung für die Förderung des internationalen Handels sein würde.
1875 vereinbarten daher die führenden 17 Industrienationen, darunter Deutschland, ein internationales Maßsystem auf der Basis von Meter (m), Kilogramm (kg) und Sekunde (s) einzuführen. In einem diplomatischen Vertrag, der „Meterkonvention“, beschlossen sie die Errichtung des „Internationalen Büros für Maße und Gewichte“ (BIPM), das als permanente wissenschaftliche Einrichtung die internationalen Maße und Gewichte als Maßverkörperungen realisieren, an die Mitgliedsstaaten weitergeben und Forschung und Entwicklung zur Verbesserung solcher Normale betreiben sollte – und dies bis heute tut.
Als Aufsichtsgremium über das BIPM wurde das „Internationale Komitee für Maße und Gewichte“ (CIPM) gegründet, bestehend aus 18 internationalen Experten. Zur Vertretung der Mitgliedsstaaten wurde die „Internationale Konferenz für Maße und Gewichte“ (CGPM) geschaffen. Als oberstes Gremium wählt die CGPM die Mitglieder des CIPM, entscheidet über das Arbeitsprogramm und das Budget des BIPM und fasst die grundlegenden Beschlüsse für das internationale Messwesen.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.