Neue Form von Chaos entdeckt
Physik-News vom 26.06.2018
Die Entdeckung eines neuen Typs von Chaos durch Chemnitzer Physiker findet weltweite Beachtung – Potentielle Anwendung für Kommunikationstechnik, Kryptographie und Datenverarbeitung
Seit fast vierzig Jahren ist bekannt, dass in Lasern mit zeitverzögerter Rückkopplung des Ausgangssignals chaotische Intensitäten (im Bild obere Hälfte) auftreten können. Für viele potentielle Anwendungen ist diese Form von Chaos aber zu störanfällig. Mit der kürzlich gemachten Entdeckung der theoretischen Physiker David Müller, Dr. Andreas Otto und Prof. Dr. Günter Radons von der Technischen Universität Chemnitz könnte sich das ändern. Sie fanden heraus, dass eine unscheinbare Modifikation solcher Experimente in Form einer periodischen Variation der Zeitverzögerung der Rückkopplung (Delay) zu völlig anderen, neuartigen, Intensitätsvariationen führen kann, welche durch eine Abfolge von Plateaus gekennzeichnet sind (im Bild in der unteren Hälfte dargestellt).
Publikation:
D. Müller et al., A. Otto et al.
D. Müller, A. Otto and G. Radons: Laminar Chaos, Phys. Rev. Lett. 120, 084102 (2018)
A. Otto, D. Müller and G. Radons: Universal Dichotomy for Dynamical Systems with Variable Delay, Phys. Rev. Lett. 118, 044104 (2017)
D. Müller et al.: DOI 10.1103/PhysRevLett.120.084102; A. Otto et al.: DOI 10.1103/PhysRevLett.118.044104
Das Besondere an dieser inzwischen als „laminares Chaos“ bezeichneten Signalform ist, dass einerseits die Lage und die Form der Plateaus widerstandsfähig gegen Störungen sind, andererseits deren Höhe chaotisch von Plateau zu Plateau variiert und damit als Informationsträger dienen kann. Durch diese hohe Robustheit des Informationsgehalts gegenüber Störungen wird die neu entdeckte Form des Chaos für moderne Informationstechnologien interessant, etwa für schnelle optische Realisierungen der Chaos-Kommunikation, der Chaos-Kryptographie und des Reservoir-Computing.
Chaos & Delay
Der Begriff „Chaos“ bezeichnet in der Physik eine Bewegungsform, die sehr irregulär erscheint aber gleichzeitig klaren Gesetzen folgt. Fast alle Systeme haben diesen Charakter, was längerfristige Vorhersagen unmöglich macht. Bekannte Beispiele aus dem alltäglichen Leben sind das Wetter oder die Ziehung der Lottozahlen.
Aber auch Laserlicht oder die Größe von Bakterienkolonien können sich chaotisch verhalten. „Delay“ ist ein Fachbegriff, der die Verzögerungszeit zwischen Ursache und Wirkung erfasst. In vielen Fällen kann diese nicht vernachlässigt werden, was extrem komplizierte Bewegungsformen bewirken kann.
Wegen der fundamentalen Bedeutung dieser Forschungsergebnisse der theoretischen Physiker wurden sie in dem international renommiertesten Fachjournal „Physical Review Letters“ in bereits zwei Artikeln veröffentlicht. Das in den letzten Jahren erlangte Renommee der Gruppe um Prof. Dr. Günter Radons ermöglichte es zudem, die weltweit führenden Forschenden auf dem Gebiet der Delay-Systeme zu dem 675. WE-Heraeus Seminar: Delayed Complex Systems 2018 zusammenzubringen, das vom 2. bis 5. Juli im Physikzentrum Bad Honnef stattfinden wird (Wissenschaftliche Organisation: A. Otto, G. Radons, Technische Universität Chemnitz, und Wolfram Just, Queen Mary University of London).
Wilhelm und Else Heraeus-Seminar
Die Organisation wissenschaftlicher Seminare ist die älteste und prominenteste Förderaktivität der Wilhelm und Else Heraeus Stiftung. Das Programm existiert seit 1975 und hat bisher über 30.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zusammengeführt, mehr als ein Drittel davon aus dem Ausland.
Die Seminarthemen überdecken alle Bereiche der modernen Physik, einschließlich ihrer Grenzgebiete. WE-Heraeus-Seminare haben die jeweilige Forschungsfront eines Fachgebietes zum Gegenstand und sind international ausgerichtet.
Diese Seminare werden von einem oder mehreren Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen nach von der Stiftung vorgegebenen Richtlinien beantragt. Nach Begutachtung und Empfehlung durch den Wissenschaftlichen Beirat entscheidet der Stiftungsvorstand über die Genehmigung.
Durchgeführt werden die Seminare von der Stiftung in enger Zusammenarbeit mit dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin (der wissenschaftlichen Leitung).
Diese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt.