Neue Studie könnte Verteilung der Dunklen Materie in Galaxien erklären

Neue Studie könnte Verteilung der Dunklen Materie in Galaxien erklären



Physik-News vom 27.02.2019

Dunkle-Materie-Teilchen können sich nur dann aneinander streuen, wenn sie die richtige Energie haben. Das erklären Wissenschaftler des Kavli Institute for Physics and Mathematics of the Universe (Japan), von DESY und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe von Physical Review Letters erschienen ist. Mit ihrer Theorie können die Forscher erklären, warum Galaxien – von den kleinsten bis zu den größten – genau die Formen haben, die sie einnehmen. Sie bieten damit eine plausible Antwort auf ein jahrelang ungelöstes Problem.

Dunkle Materie ist eine mysteriöse und bisher unentdeckte Form der Materie, die mehr als 80 Prozent der Materie im Universum ausmacht. Ihre Eigenschaften sind unbekannt, aber es wird angenommen, dass sie durch ihre Gravitationskraft zentral für die Bildung von Sternen und Galaxien verantwortlich ist, die schließlich auch zu unserer Existenz führte.


Die Dunkle Materie scheint in kleinen Galaxien nicht sehr stark zusammenzuklumpen, aber ihre Dichte steigt im Zentrum größerer Systeme wie Galaxienhaufen stark an. Dieser Unterschied war rätselhaft.

Publikation:


Xiaoyong Chu, Camilo Garcia-Cely and Hitoshi Murayama
Velocity dependence from resonant self-interacting dark matter
Physical Review Letters, 2019

DOI: 10.1103/PhysRevLett.122.071103



„Die Dunkle Materie ist in gewisser Weise unsere Mutter, die uns alle zur Welt gebracht hat. Aber wir haben sie nie kennengelernt; irgendwie wurden wir bei der Geburt getrennt. Wer ist sie? Das ist die Frage, der wir nachgehen“, sagt Hitoshi Murayama, Professor an der University of California Berkeley und Principal Investigator am Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe.

Astronomen haben herausgefunden, dass die Dunkle Materie nicht so sehr zu verklumpen scheint, wie es bisherige Computersimulationen vermuten lassen. Wenn die einzige Kraft, durch die die Dunkle Materie interagiert, die nur anziehend wirkende Schwerkraft ist, dann müsste die Dichte der Dunklen Materie im Zentrum von Galaxien sehr hoch werden. Allerdings scheint die Dunkle Materie gerade in den Zentren kleiner, schwacher Galaxien, den so genannten Zwergsphäroiden, nicht so dicht zu werden wie erwartet.

Dieses Verhalten könnte erklärt werden, wenn die Dunkle Materie in der Lage ist, mit sich selbst zu interagieren, also wie Billardkugeln miteinander zu kollidieren, so dass sie sich nach einer Kollision gleichmäßiger verteilen kann. Ein Problem dieser Idee ist allerdings, dass sich die Dunkle Materie in größeren Systemen wie Galaxienhaufen doch zu verdichten scheint, nur in kleinen Systemen nicht. Die Frage ist: Weshalb verhält sich die Dunkle Materie in Zwerggalaxien und Galaxienhaufen unterschiedlich? Ein internationales Forscherteam hat eine Theorie entwickelt, die dieses Rätsel lösen könnte, und gleichzeitig die Hypothese unterstützt, dass Dunkle Materie aus Teilchen besteht, die miteinander kollidieren können.

„Wenn Teilchen der Dunklen Materie nur mit einer niedrigen, aber sehr speziellen Geschwindigkeit aneinander streuen, kann dies oft in Zwergsphäroiden vorkommen, wo die Teilchen sich langsam bewegen, aber selten in Galaxienhaufen, wo sie sich schnell bewegen. Sie müssen eine Resonanz treffen, damit es zur Kollision kommt“, sagt der chinesische Physiker Xiaoyong Chu, Postdoc an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Resonanz ist ein auch im Alltag sehr verbreitetes Phänomen: Ein Kind auf einer Schaukel muss mit einer ganz bestimmten Frequenz angeschoben werden, damit es höher und höher schwingt. Oder wenn man eine schwingende Stimmgabel in die Nähe einer Gitarre bringt, beginnt die Gitarrensaite genau dann zu schwingen, wenn sie richtig gestimmt ist. Das sind Beispiele für Resonanzen, sagt Murayama. Das Team vermutet, dass sich die Dunkle Materie genau so verhält: Die Teilchen der Dunklen Materie kollidieren sehr viel häufiger, wenn sie sich mit einer bestimmten Energie bewegen. „Soweit wir wissen, ist dies die einfachste Erklärung für das Rätsel. Sie könnte uns beim Verständnis, was Dunkle Materie ist, ein großes Stück voranbringen“, sagt Murayama.

Das Team war jedoch nicht von Beginn an davon überzeugt, dass eine so einfache Theorie bisherige Messdaten richtig beschreiben würde. „Zuerst waren wir etwas skeptisch, ob diese Idee die Daten aus Beobachtungen erklären würde; aber als wir es ausprobiert haben, hat es fantastisch funktioniert“, sagt der kolumbianische Forscher Camilo Garcia Cely, Postdoc bei DESY.

Damit ihre Beschreibung funktioniert, muss die Resonanz sehr nah an der zweifachen Masse eines Dunkle-Materie-Teilchens liegen. Die Forscher glauben, dass es kein Zufall ist, dass die Dunkle Materie genau die richtige Resonanzenergie für die Kollisionen trifft. „Es gibt viele andere Systeme in der Natur, die ähnliche Zufälle aufweisen: Bei der Kohlenstoffproduktion in Sternen zum Beispiel treffen Alpha-Teilchen auf eine Resonanz von Beryllium, die wiederum auf eine Resonanz von Kohlenstoff trifft und so die Bausteine produziert, die alles Leben auf der Erde hervorgebracht haben“, sagt Garcia Cely.

„Dieses Verhalten der Dunklen Materie kann auch ein Hinweis darauf sein, dass unsere Welt mehr Dimensionen hat, als wir sehen. Wenn sich ein Teilchen in solchen Extra-Dimensionen bewegt, hat es eine gewisse Bewegungsenergie. Wir, die wir die zusätzlichen Dimensionen nicht sehen, beobachten die Energie als Masse, dank Einsteins Formel E=mc2 - Energie und Masse sind äquivalent. Vielleicht bewegt sich ein Teilchen in der zusätzlichen Dimension doppelt so schnell, so dass seine Masse genau doppelt so groß ist wie die Masse der Dunklen Materie“, sagt Chu.

Im nächsten Schritt will das Forscherteam ihre Theorie mit Beobachtungsdaten untermauern. "Wenn sie zutrifft, wird die zukünftige und detailliertere Beobachtung verschiedener Galaxien zeigen, dass die Streuung der Dunklen Materie tatsächlich von ihrer Geschwindigkeit abhängt“, sagt Murayama, der auch eine eigene internationale Gruppe leitet, die genau dies mit dem im Bau befindlichen Prime Focus Spektrograph untersuchen will. Das 80 Millionen US-Dollar teure Instrument, das auf dem Teleskop'>Subaru-Teleskop auf dem Berg Mauna Kea auf Big Island, Hawaii, installiert wird, wird in der Lage sein, die Geschwindigkeiten von Tausenden von Sternen in Zwergsphäroiden zu messen.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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