Optischer Effekt ermöglicht atomare Quantencomputer neuer Dimension
Physik-News vom 11.06.2023
Quantencomputer könnten bisher unlösbare Aufgaben knacken, lassen sich aber nicht ohne weiteres zu der dafür nötigen Größe ausbauen. Eine neue Technik eines Darmstädter Physikerteams könnte diese Hürde überwinden.
Darmstädter Physiker haben eine Technik entwickelt, die eine der größten Hürden beim Bau eines praxisrelevanten Quantencomputers überwinden könnte. Sie nutzen dafür einen optischen Effekt, den der britische Fotopionier William Talbot schon 1836 entdeckte. Diesen Erfolg stellt das Team um Malte Schlosser und Gerhard Birkl vom Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität Darmstadt in der Fachzeitschrift Physical Review Letters vor.
Publikation:
Malte Schlosser, Sascha Tichelmann, Dominik Schäffner, Daniel Ohl de Mello, Moritz Hambach, Jan Schütz, and Gerhard Birkl
Scalable Multilayer Architecture of Assembled Single-Atom Qubit Arrays in a Three-Dimensional Talbot Tweezer Lattice
Phys. Rev. Lett. (2023)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.180601
Quantenrechner können bestimmte Aufgaben viel schneller lösen als selbst Supercomputer. Allerdings gibt es bislang nur Prototypen, die maximal wenige hundert „Qubits“ besitzen. So nennt man die elementaren Recheneinheiten von Quantencomputern. Vergleichbar sind sie mit den „Bits“ von klassischen Rechnern. Doch anders als Bits können Qubits die beiden Werte „0“ oder „1“ simultan verarbeiten, statt nur nacheinander, was Quantencomputer befähigt, sehr viele Berechnungen parallel auszuführen.
Für praktische Anwendungen, etwa die Optimierung komplexer Verkehrsflüsse, wären Quantenrechner mit vielen Tausenden, wenn nicht einigen Millionen Qubits nötig. Das Hinzufügen von Qubits verbraucht jedoch Ressourcen, etwa Laserleistung, was den Ausbau von Quantenrechnern bislang hemmt. Das Darmstädter Team hat nun gezeigt, wie sich mithilfe des optischen Talbot-Effekts die Zahl der Qubits von einigen hundert auf über zehntausend vergrößern lässt, ohne dass proportional dazu zusätzliche Ressourcen nötig wären.
Qubits können unterschiedlich realisiert werden. Techgiganten wie Google etwa nutzen künstlich hergestellte supraleitende Schaltelemente. Aber auch einzelne Atome eignen sich perfekt. Um diese gezielt ansteuern zu können, müssen die Einzelatom-Qubits in einem regelmäßigen Gitter, einem Schachbrett vergleichbar, festgehalten werden. In der Regel nutzen Physiker dafür ein „optisches Gitter“ aus regelmäßig angeordneten Lichtpunkten, das sich bildet, wenn Laserstrahlen sich kreuzen. „Will man die Zahl der Qubits um einen bestimmten Faktor erhöhen, muss man auch die Laserleistung entsprechend vergrößern“, erklärt Birkl.
Sein Team erzeugt das optische Gitter auf eine neuartige Weise. Es leuchtet mit nur einem Laser auf eine fingernagelgroße Fläche, auf der sich schachbrettartig winzige optische Linsen reihen. Jede Mikrolinse bündelt einen kleinen Teil des Laserstrahls, sodass sich eine Fläche aus Brennpunkten ergibt, die Atome aufnehmen können.
Zusätzlich dazu ergibt sich der Talbot-Effekt, der bislang als störend galt: Die Ebene aus Brennpunkten wiederholt sich vielfach in gleichen Abständen, so genannte „Selbstbilder“ entstehen. So wird aus einem optischen Gitter in 2D eines in 3D, das ein Vielfaches der Lichtpunkte besitzt. „Das bekommen wir gratis“, sagt Malte Schlosser, Erstautor der Arbeit. Er meint, dass dafür keine zusätzliche Laserleistung nötig ist.
Die hohe Fertigungspräzision der Mikrolinsen führt zu sehr regelmäßig angeordneten Selbstbildern, sodass sich diese für Qubits nutzen lassen. Die Forscher konnten die zusätzlichen Ebenen tatsächlich mit individuellen Atomen beladen. Mit der gegebenen Laserleistung ergaben sich 16 solcher Gratis-Ebenen, was potenziell mehr als 10.000 Qubits ermöglicht. Mit herkömmlichen Lasern lasse sich die Leistung perspektivisch vervierfachen, sagt Schlosser. „Auch das Mikrolinsenfeld lässt sich weiter optimieren“, führt Birkl aus, etwa mit kleineren Linsen mehr Brennpunkte erzeugen. So seien absehbar auch 100.000 Qubits und mehr möglich. Die vom Team gezeigte Skalierbarkeit der Anzahl von Qubits stellt einen wichtigen Schritt hin zur Entwicklung praxistauglicher Quantencomputer dar.
Die Technologie sei nicht auf Quantencomputer alleine festgelegt, betont Schlosser. „Auch für hochpräzise optische Atomuhren wäre unsere Plattform potenziell nutzbar.“ Das Darmstädter Team will seine neue Qubit-Plattform weiterentwickeln und sieht eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Quantentechnologien voraus.
Text von Christian J. Meier
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Darmstadt via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.