Physiker gelingt erstmalig Vorstoß in höhere Dimensionen
Physik-News vom 11.03.2019
Wie die renommierte Fachzeitschrift Nature jüngst berichtet, ist es einer Arbeitsgruppe um den Rostocker Physiker Professor Alexander Szameit experimentell gelungen, das außergewöhnliche Verhalten eines topologischen Isolators in 4-Dimensionen im realen 3-dimensionalen Raum nachzuweisen.
Es gibt scheinbar unlösbare Aufgaben. Etwa, wenn ein hoher Berg den Weg versperrt und man nicht für den Aufstieg gerüstet ist. Wenn aber ein Tunnel im Berg auftauchte, sieht das schon anders aus.
Publikation:
Eran Lustig, Steffen Weimann, Yonatan Plotnik, Yaakov Lumer, Miguel A. Bandres, Alexander Szameit & Mordechai Segev
Photonic topological insulator in synthetic dimensions
Nature
DOI: 10.1038/s41586-019-0943-7
Stoßen Mathematiker auf unlösbare Gleichungen, weichen sie zum Beispiel in höhere Dimensionen aus, lösen dort die Gleichung und kehren wieder in den uns vertrauten Zahlenraum zurück. Für Physiker ist dieser Weg bislang verschlossen. Drei Dimensionen hat unser Raum und keine mehr. Tatsächlich ist es Physikern der Universität Rostock, der University of Pennsylvania (USA) und dem Technion in Haifa (Israel) jetzt gelungen, nicht nur in höhere Dimensionen vorzustoßen, sondern auch die dort gefundenen Lösungen auf unseren 3-dimensionalen Erfahrungsraum anzuwenden.
Professor Alexander Szameit, Quantenoptiker an der Universität Rostock, und sein Forschungsteam widmen sich der Erforschung topologischer Isolatoren in einem optischen Modell mittel Laserlicht. Topologische Isolatoren sind Materialien, die aufgrund ihrer geometrischen Gestalt nur an der Oberfläche leitende Eigenschaft zeigen. Das gilt für den elektrischen Strom genauso, wie für analoge Systeme, beispielsweise die Lichtleitung.
Alexander Szameit erläutert: „Die topologischen Isolatoren für Licht sind selbst schon ungewöhnlich genug. Bekannt ist, dass sie Licht im Innern nicht durchlassen, es dafür aber entlang der Oberfläche extrem gut transportieren. Dieses Verhalten ist gegenüber Störungen sehr stabil. Man spricht von einer Art optischer Supraleitung, bei der Licht ungehindert entlang beliebiger Bahnen gelenkt werden kann, beispielsweise auch um Ecken und Kanten.“
Wie kommt nun aber die vierte Dimension ist Spiel? „Sollte es eine vierte Raumdimension geben, dann würden diese topologischen Isolatoren nicht nur auf der Oberfläche Licht leiten, sondern auch im Innern. Soweit jedenfalls die Theorie“, erklärt der Quantenoptiker Szameit. Denn all dies „passiere“ nur in der vierten Dimension des Raumes. Der entscheidende Schritt zurück in die uns vertraute Welt der drei Dimensionen Höhe, Breite und Länge gelinge durch die Erfindung einer synthetischen, künstlichen Dimension. „Diese ersetzt die eigentlich benötigte vierte Raumdimension in unserer Welt und besteht tatsächlich in einer scheinbar unregelmäßigen Anordnung der Lichtleiter“, so Szameit. – Eine unregelmäßige Anordnung, die dennoch ein regelmäßiges Verhalten der Lichtleitung in höheren Dimensionen aufweist?
Überraschenderweise ist es genau diese Anordnung im realen Raum, die das Verhalten eines vierdimensionalen Materials zeigt. Und das eröffnet ungeahnten Möglichkeiten, wenn man an die schnelle Informationsübertragung mittels Lichtleitern denkt. Ist das ganze Material lichtleitend und nicht nur die Oberfläche, lassen sich um Größenordnungen mehr Informationen übertragen. Auch wenn dies noch ein Stück Zukunftsmusik ist, sind sich die Physiker um Alexander Szameit am Institut für Physik der Universität Rostock sicher, dass sie durch den Vorstoß in neue synthetische Dimensionen im Verständnis von topologischen Isolatoren ein gutes Stück weitergekommen sind.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.