Quantenkryptographie-Rekord mit höherdimensionalen Photonen
Physik-News vom 22.09.2021
Quantenkryptographie ist eine der erfolgversprechendsten Quantentechnologien unserer Zeit. An zwei unterschiedlichen Orten wird exakt dieselbe Information erzeugt, und die Gesetze der Quantenphysik garantieren, dass keine dritte Person diese Information abhören kann. So entsteht ein Code, mit dem man Informationen perfekt verschlüsseln kann.
Das Team von Prof. Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien entwickelte ein neuartiges Übertragungsprotokoll, das nun in Zusammenarbeit mit chinesischen Forschungsgruppen in der Praxis getestet wurde: Während man bisher normalerweise Photonen verwendete, die sich in zwei verschiedenen Zuständen befinden können, ist die Situation hier komplizierter: Acht verschiedene Wege kann jedes der Photonen nehmen. Wie das Team nun zeigen konnte, wird die Übertragung des quantenkryptographischen Schlüssels dadurch schneller und außerdem auch deutlich robuster gegenüber Störungen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert.
Zwei Zustände, zwei Dimensionen
„Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Photonen zur Informationsübertragung zu verwenden“, sagt Marcus Huber. „Oft konzentriert man sich bei Experimenten auf ihre Polarisationsrichtung. Also etwa, ob sie horizontal oder vertikal schwingen – oder ob sie sich in einem quantenmechanischen Superpositionszustand befinden, in dem sie gewissermaßen beide Zustände gleichzeitig einnehmen. Ähnlich wie man einen Punkt auf einer zweidimensionalen Ebene mit zwei Koordinaten beschreiben kann, lässt sich auch der Zustand des Photons als Punkt in einem zweidimensionalen Raum darstellen.“
Publikation:
X. Hu et al.
Pathways for Entanglement-Based Quantum Communication in the Face of High Noise
Phys. Rev. Lett. 127, 110505 (2021)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.127.110505
Aber auch unabhängig von der Polarisationsrichtung kann ein Photon Information tragen – man kann etwa die Information darüber nutzen, auf welchem Pfad sich das Photon gerade bewegt. Genau das wurde nun ausgenützt: „Ein Laserstrahl erzeugt in einem speziellen Kristall Photonenpaare. Es gibt acht verschiedene Stellen im Kristall, an denen das geschehen kann“, erklärt Marcus Huber. Je nachdem, an welchem Punkt das Photonenpaar entstanden ist, kann sich jedes der beiden Photonen auf acht verschiedenen Wegen weiterbewegen – oder eben auf mehreren Wegen gleichzeitig, auch das ist nach den Gesetzen der Quantentheorie erlaubt.
Diese zwei Photonen kann man an ganz unterschiedliche Orte lenken und dort analysieren. Welche der acht Pfadmöglichkeiten gemessen wird, ist zufällig – doch weil die beiden Photonen quantenphysikalisch verschränkt sind, wird man immer an beiden Orten dasselbe Ergebnis erhalten. Wer am ersten Messgerät steht, weiß somit also auch, was eine andere Person am zweiten Messgerät gerade abliest – und niemand sonst im Universum kann an diese Information herankommen.
Acht Zustände, acht Dimensionen
„Dass wir hier acht mögliche Wege verwenden, und nicht wie sonst üblich zwei verschiedene Polarisationsrichtungen, macht einen großen Unterschied“, sagt Marcus Huber. „Der Raum der möglichen Quantenzustände wird dadurch viel größer. Das Photon lässt sich nicht mehr durch einen Punkt in zwei Dimensionen beschreiben, mathematisch gesehen existiert es nun in acht Dimensionen.“
Das hat mehrere Vorteile: Erstens lässt sich dadurch mehr Information generieren: Mit 8.307 Bit pro Sekunde und über 2,5 Bit pro Photonenpaar wurde ein neuer Rekord beim verschränkungsbasierten Quantenkryptographie-Schlüsselgenerieren aufgestellt. Und zweitens lässt sich zeigen, dass der Prozess dadurch weniger anfällig gegenüber Störungen ist.
„Bei allen Quantentechnologien hat man mit dem Problem der Dekohärenz zu kämpfen“, sagt Marcus Huber. „Kein Quantensystem lässt sich perfekt gegenüber Störungen von außen abschirmen. Doch wenn es in Kontakt mit Störungen kommt, dann passiert es sehr leicht, dass es seine Quanteneigenschaften verliert: Die Quantenverschränkungen werden zerstört.“ Höherdimensionale Quantenzustände verlieren ihre Verschränkung aber auch in Anwesenheit von Störungen weniger leicht.
Außerdem kann man ausgeklügelte Quanten-Fehlerkorrektur-Mechanismen anwenden, mit denen der Einfluss äußerer Störungen wieder ausgeglichen werden kann. „Bei den Experimenten wurde im Labor sogar zusätzliches Licht eingeschaltet, um ganz bewusst Störungen hervorzurufen – und das Protokoll funktionierte noch immer“, sagt Marcus Huber. „Allerdings nur, wenn wir tatsächlich acht verschiedene Wege verwenden. Wir konnten zeigen, dass bei einer bloß zweidimensionalen Kodierung in diesem Fall kein kryptographischer Schlüssel mehr erzeugt werden kann.“
Grundsätzlich würde auch nichts dagegensprechen, das neue, schnellerer und zuverlässigere Quantenkryptographie-Protokoll weiter zu verbessern, indem man noch zusätzliche Freiheitsgrade beziehungsweise eine noch größere Zahl unterschiedlicher Pfade verwendet. „Allerdings wird damit nicht nur der Raum der möglichen Zustände größer, es wird dann irgendwann auch immer schwieriger, die Zustände korrekt auszulesen“, sagt Marcus Huber. „Wir haben hier, zumindest im Bereich des derzeit technisch Möglichen, offenbar einen guten Kompromiss gefunden.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.