Studie zum Quantenphasen-Übergang im Josephson-Kontakt
Physik-News vom 22.04.2020
Ein deutsch-französisches Forscherteam hat den Stromfluss von Cooper-Elektronenpaaren in Josephson-Kontakten untersucht. Diese supraleitenden Schaltkreise, die auch in Quantencomputern zum Einsatz kommen, zeichnen sich durch Besonderheiten beim Elektronenfluss und beim Übergang der Quantenphasen aus. Mit ihren Experimenten wollten sie mit bisher nie erreichter Präzision eine etablierte Vorhersage überprüfen, die auf eine mehr als 30 Jahre alte Theorie zurückgeht.
Supraleitende Schaltkreise sind komplexe Quantensysteme aus vielen Bestandteilen. Man braucht sie beispielsweise für die Entwicklung von Quanten-Computern. Das Problem: störende Einflüsse lassen sich nie ganz vermeiden. Mit dem Effekt, dass genuine Quanteneigenschaften zerstört werden. Quantenphysiker sprechen dann davon, dass die sehr fragilen „delokalisierten“ Quantenzustände „lokalisiert“ werden. Ein Forscherteam des nationalen Forschungszentrums CEA Saclay (Paris) und der Universitäten Ulm und Freiburg hat nun diesen Quantenphasenübergang in einem supraleitenden Schaltkreis untersucht. Dafür haben sie den Stromfluss von Cooper-Paaren, den Trägern der elektrischen Ladung in Supraleitern, durch einen sogenannten Josephson-Kontakt vermessen.
Publikation:
A. Murani, N. Bourlet, H. le Sueur, F. Portier, C. Altimiras , D. Esteve, H. Grabert, J. Stockburger, J. Ankerhold, and P. Joyez
Absence of a Dissipative Quantum Phase Transition in Josephson Junctions
Physical Review X 10, 021003 (2020)
DOI: 10.1103/PhysRevX.10.021003
„Ein Josephson-Kontakt besteht aus einer Anordnung, bei der zwei Supraleiter über einen Nichtleiter miteinander verbunden sind. Schließt man eine Stromquelle an, wird die Supraleitung nicht unterbrochen. Die Elektronen ‚tunneln‘ als Cooper-Paare durch die Barriere des Nichtleiters, behalten also die Paar-Konfiguration, die für die Supraleitung essentiell ist“, erklärt Professor Joachim Ankerhold, Leiter des Instituts für komplexe Quantensysteme. Der Physiker der Universität Ulm und sein Institutskollege Jürgen Stockburger waren als theoretische Physiker an dem Forschungsprojekt beteiligt. Zur Erinnerung: Cooper-Paare sind die Elektronenpaare, die in Supraleitern die elektrische Ladung tragen.
Als zentrales Bauelement wird der Josephson-Kontakt in supraleitenden Quantencomputern verbaut, wie sie beispielsweise von Google und IBM entwickelt werden. Der Josephson-Kontakt, der in der Studie zum Einsatz kam, besteht aus zwei supraleitenden Metalldrähten, die durch eine ultradünne isolierende Schicht miteinander verbunden sind. Diese Isolierschicht hat mit einigen 10-10 m die Dicke von nur wenigen Atomlagen. Die „Cooper-Paare“ durchdringen diese Isolationsschicht mit Hilfe des quantenmechanisches Tunneleffektes. „Ein Stromfluss stellt sich faszinierenderweise auch dann ein, wenn keine äußere elektrische Spannung anliegt. Dies hängt von der elektromagnetischen Umgebung des Kontaktes ab“, erklärt Ankerhold. Ist die elektromagnetische Umgebung hinreichend stark, sollte gemäß einer etablierten theoretischen Vorhersage, der Stromfluss zum Erliegen kommen.
Diese Vorhersage zum Verhalten der Cooper-Paare beziehungsweise zum Phasenübergang in komplexen Quantensystemen geht auf eine etablierte Theorie zum Josephson-Kontakt zurück, die bereits vor mehr als 30 Jahren entwickelt wurde. Das deutsch-französische Forscherteam wollte diese Vorhersage nun mit bisher unerreichter Präzision auf den Prüfstand stellen. Das Ergebnis: Erstaunlicherweise konnten die am nationalen Forschungszentrums CEA Saclay (Paris) durchgeführten Experimente die Vorhersage nicht bestätigen: Der Josephson-Kontakt blieb stromleitend auch unter extremem Einfluss der störenden Umgebung. Der Phasenübergang „delokalisiert - lokalisiert“ sollte sich – laut Vorhersage – hingegen durch die klare Signatur eines Übergangs „Stromleiter - Isolator“ äußern.
Dieses vollkommen unerwartete Ergebnis wirft eine Reihe fundamentaler Fragen zur Physik des Josephson-Kontakts auf der einen und zur theoretischen Beschreibung von durch Einflüsse der Umgebung hervorgerufenen Quantenphasenübergängen in komplexen Systemen auf der anderen Seite auf. So vermuten die Forscher, dass die gängigen theoretischen Modelle, auf denen die besagte Vorhersage basiert, nur eingeschränkt anwendbar sind. „Denn sie erfassen insbesondere das verwickelte Wechselspiel der Quantenfluktuationen in Josephson-Kontakt und elektromagnetischer Umgebung nur unzureichend“, sagt Professor Philippe Joyez von der CEA Saclay (Paris).
Josephson-Kontakte werden nicht nur beim Quanten-Computing eingesetzt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl bedeutender Anwendungen, beispielsweise in der Metrologie, also der Wissenschaft des Messens, oder der Sensorik. Dies macht die in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review X“ veröffentlichten Ergebnisse so bedeutsam. Unterstützt wurde die Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), von der ZEISS-Stiftung sowie vom Centre for Integrated Quantum Science and Technology (IQST).
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Ulm via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.