Suche nach Dunkler Materie in Jülich

Suche nach Dunkler Materie in Jülich



Physik-News vom 13.07.2023

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler ein vielversprechendes neues Verfahren angewandt, um in einem Teilchenbeschleuniger nach Teilchen der Dunklen Materie zu suchen. Die von den Forscherinnen und Forschern der internationalen JEDI-Kollaboration genutzte Methode beruht auf der Beobachtung der Spin-Polarisation eines Teilchenstrahls im Jülicher Speicherring COSY

Etwa 80 Prozent der Materie im Universum besteht aus einem unbekannten und unsichtbaren Stoff. Postuliert wurde diese „dunkle Materie“ bereits vor etwa 90 Jahren. „Nur so ließ sich die Geschwindigkeitsverteilung der sichtbaren Materie innerhalb von Galaxien mit dem bisherigen Wissen in Einklang bringen“, erklärt Jörg Pretz, einer der Mitautoren der Studie, stellvertretender Direktor am Jülicher Institut für Kernphysik und Professor an der RWTH Aachen. „Eine ‚dunkle‘, bisher unbeobachtete Form von Materie muss die Galaxien zusätzlich stabilisieren.“


Der Coma-Cluster ist 300 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und besteht aus mehr als 1.000 Galaxien. Eine Untersuchung des Clusters in den 1930er Jahren gab erste Hinweise auf die Notwendigkeit der Existenz von dunkler Materie.

Publikation:


S. Karanth et al. (JEDI Collaboration)
First Search for Axionlike Particles in a Storage Ring Using a Polarized Deuteron Beam
Phys. Rev. X 13, 031004 (2023)

DOI: 10.1103/PhysRevX.13.031004



Seit den 1930er Jahren sind Physikerinnen und Physiker auf der Suche nach dieser Materie. An Theorien mangelt es der Wissenschaft nicht, doch bisher ist es noch niemandem gelungen, dunkle Materie tatsächlich nachzuweisen.


In ihrem Experiment nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JEDI-Kollaboration eine besondere Eigenschaft des Jülicher Teilchenbeschleunigers COSY aus: die Verwendung von polarisierten Strahlen.

„Denn ihre Natur ist noch völlig ungeklärt“, so Dr. Volker Hejny, ebenfalls vom Jülicher Institut für Kernphysik und wie sein Kollege Jörg Pretz Mitglied der internationalen JEDI-Kollaboration, die das Experiment durchgeführt hat. JEDI steht für Juelich Electric Dipole moment Investigations – die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kollaboration arbeiten seit 2011 an der Messung elektrischer Dipolmomente geladener Teilchen. „Dunkle Materie ist nicht sichtbar, und verrät sich bisher nur indirekt durch ihre Schwerkraft. Deren Wirkung ist vergleichsweise winzig, so dass sie erst bei enorm großen Massen – wie eben ganzen Galaxien – wirklich in Erscheinung tritt.“


Blick in den Coma-Cluster: Die hellen, untertassenförmigen Objekte, die in diesem Bild von nebligen Lichthöfen umgeben sind, sind Galaxien, von denen jede viele Millionen Sterne beherbergt. Der Hintergrund des Bildes ist voller entfernter Galaxien, viele davon mit Spiralform, die viel weiter entfernt liegen und nicht zum Galaxienhaufen gehören. Auf diesem Bild sind drei Galaxien innerhalb des Coma-Clusters zu sehen: IC 4041 (ganz links), IC 4042 (Mitte) und GP 236 (rechts).

Theoretische Physikerinnen und Physiker haben bereits eine Reihe hypothetischer Elementarteilchen vorgeschlagen, aus denen die Dunkle Materie bestehen könnte. Je nach den Eigenschaften dieser Teilchen ergeben sich unterschiedliche Verfahren, durch die sie möglicherweise nachgewiesen werden können – Verfahren, die ohne den sehr schwierigen Nachweis der Gravitationswirkung auskommen. Zu den Kandidaten gehören auch Axionen und axion-artige Teilchen.

„Ursprünglich sollten Axionen ein Problem in der Theorie der starken Wechselwirkung der Quantenchromodynamik lösen“, erläutert Jörg Pretz. „Der Name Axion geht auf den Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek zurück und bezieht sich auf eine Waschmittelmarke: Die Existenz der Teilchen sollte sozusagen die Theorie der Physik ‚reinwaschen‘.“

Um die Axionen nachzuweisen, nutzten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der JEDI-Kollaboration die Spins von Teilchen. „Der Spin ist eine eigentümliche Eigenschaft der Quantenmechanik, durch die sich Teilchen wie kleine Stabmagnete verhalten“, erklärt Volker Hejny. „Dies wird beispielsweise in der medizinischen Bildgebung in der Kernspintomographie – auch Magnetresonanztomographie oder kurz MRT – ausgenutzt. Dabei werden die Spins von Atomkernen durch starke äußere Magnetfelder angeregt.“

Die MRT-Technik wird auch dazu verwendet, um nach Dunkler Materie zu suchen. Während sich in einem normalen MRT die Atome in Ruhe befinden, bewegen sich die Teilchen in einem Beschleuniger nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Das macht die Untersuchungen in einigen Bereichen viel empfindlicher und die Messungen genauer.

In ihrem Experiment nutzten die JEDI-Wissenschaftler eine besondere Eigenschaft des Jülicher Teilchenbeschleunigers COSY aus: die Verwendung von polarisierten Strahlen. „In einem gewöhnlichen Teilchenstrahl zeigen die Spins der Teilchen in beliebige Richtungen“, so Jörg Pretz. „Bei einem polarisierten Teilchenstrahl werden die Spins entlang einer Richtung ausgerichtet.“ Nur wenige Beschleuniger in der Welt verfügen über diese Möglichkeit.

Falls uns, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, ein Hintergrundfeld von Axionen umgibt, dann würde dieses die Bewegung der Spins beeinflussen – und könnte letztendlich so im Experiment nachgewiesen werden. Jedoch: Der erwartete Effekt ist winzig. Noch sind die Messungen nicht genau genug. Doch auch wenn bei dem JEDI-Experiment noch keine Hinweise für dunkle Materieteilchen gefunden werden konnten, haben es die Forschenden geschafft, den möglichen Wechselwirkungs-Effekt weiter einzugrenzen. Noch bedeutender: Sie konnten eine neue und vielversprechende Methode für die Suche nach dunkler Materie etablieren.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Forschungszentrums Jülich via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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