Troposphärenforschung: Der neuartige ESA-Satellit Aeolus
Physik-News vom 02.01.2023
Der neuartige ESA-Satellit Aeolus misst die Windgeschwindigkeit auch noch zuverlässig in höheren Luftschichten und damit in einer Region der Atmosphäre, wo kaum andere globale Windmessungen zur Verfügung stehen. Das geht aus einer Studie hervor, für die Daten des Satelliten mit Windmessungen von Stratosphärenballons verglichen wurden. Stratosphärenballons würden besonders genaue Daten zur horizontalen Windgeschwindigkeit liefern und seien deshalb auch zur Überprüfung künftiger Satellitenmissionen geeignet.
Künftige Windsatelliten sollten die vertikale Auflösung erhöhen, um besser die Schwerewellen in den Tropen zu berücksichtigen, schreibt das Team aus Forschenden des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS), der Europäischen Weltraumagentur (ESA), des Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), der Universität Hamburg und des Google-Unternehmens Loon. Die Studie ist jetzt im Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society erschienen.
Publikation:
Bley, S., Rennie, M., Žagar, N., Pinol Sole, M., Straume, A.G., Antifaev, J., Candido, S., Carver, R., Fehr, T., von Bismarck, J., Hünerbein, A. and Deneke, H.
Validation of the Aeolus L2B Rayleigh Winds and ECMWF Short-Range Forecasts in the Upper Troposphere and Lower Stratosphere using Loon Super Pressure Balloon Observations
Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society (2022)
DOI: 10.1002/qj.4391
Die Qualität von Numerischen Wettermodellen und damit der Wettervorhersage hängt stark von den zur Verfügung stehenden Daten ab. In den letzten Jahrzehnten wurde deshalb ein globales Beobachtungssystem aufgebaut, das auch Windprofile durch Wetterballons, Flugzeugdaten oder Windprofiler-Radarsysteme enthält. Diese Daten stammen jedoch größtenteils aus der dicht besiedelten Nordhemisphäre. In der Südhemisphäre, über den Ozeanen und vor allem in den Tropen ist das Messnetz dagegen immer noch deutlich dünner.
Ein großer Schritt hin zu flächendeckenden Winddaten war deshalb der Start des ersten Wind-Satelliten Aeolus der Europäischen Weltraumagentur (ESA) am 22. August 2018. Dieser neuartige Satellit hat mit dem Atmospheric Laser Doppler Instrument (ALADIN) einen starken Laser an Bord. ALADIN ist das erste Doppler-Wind-Lidar im Weltraum, das Profile der horizontalen Windgeschwindigkeit von der Erdoberfläche oder vom Oberrand dicker Wolken bis zu einer Höhe von etwa 30 km auf globaler Ebene liefert.
Dazu sendet der Satellit beim Umlauf um die Erde kurze ultraviolette Laserimpulse aus. Ein kleiner Teil dieser Lichtpulse wird von Luftmolekülen, Aerosolen und Wolken zurück zum Satelliten gestreut und dort im Detektor gesammelt und verarbeitet. Für eine Umrundung der Erde benötigt Aeolus 90 Minuten, innerhalb einer Woche erfasst der Satellit so Winddaten um die ganze Erde. Diese Daten werden von Wettervorhersagezentren aus der ganzen Welt assimiliert, um ihre Vorhersagen zu verbessern. Da es bisher keine vergleichbaren Satellitenmissionen gab, werden die Daten besonders kritisch überprüft und mit anderen Windmessungen verglichen.
Eine jetzt veröffentlichte Studie nutzte zum Vergleich Daten von 229 Stratosphärenballons des Loon-Projekts zwischen Juli 2019 und Dezember 2020 aus dem tropischen Lateinamerika, Atlantischem Ozean, Afrika und Indischem Ozean. Loon war ein kommerzielles Projekt, das abgelegene Regionen mit einem Internetzugang über Heliumballons in der Stratosphäre versorgt hatte. Die Ballons mit einem Durchmesser von etwa 12 Metern fungierten dabei als schwebende Mobilfunkstation in Höhen von 16 bis 20 Kilometern über dem Erdboden.
Damit das Netz funktioniert, mussten sie die Windrichtung durch Ändern der Höhe automatisch korrigieren. Dadurch entstand ein umfangreicher Datensatz zu den Windgeschwindigkeiten in diesen Atmosphärenschichten, welcher einen Teil der Lücke an Winddaten in dieser Höhe im globalen Beobachtungssystem schließt. Das Loon-Projekt wurde 2021 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, für die Atmosphärenforschung jedoch bleibt ein höchst interessanter Datensatz zurück.
„Unsere Analyse bestätigt, dass der Satellit Aeolus in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre nahezu fehlerfreie Windmessungen liefert. Das aktuelle Wettermodell des ECWMF unterschätzt dagegen die Windgeschwindigkeit dort systematisch um ca. 1 Meter pro Sekunde, was durch die Daten von Aeolus und Loon nachgewiesen werden konnte. Diese Ergebnisse sind wichtig, um dynamische Prozesse in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre besser zu verstehen und um die Wettermodelle weiter zu verbessern“, unterstreicht Dr. Sebastian Bley vom TROPOS, der für die Studie bei der ESA im italienischen Frascati gearbeitet hat.
Eine weitere Empfehlung der Forschenden ist es, mehr vertikale Messungen durchzuführen, um mehr Windinformationen in den atmosphärischen Schichten liefern zu können. Das könnte die Genauigkeit kommender Windsatelliten weiter verbessern. Neben der Windgeschwindigkeit liefert Aeolus auch Informationen über Aerosole und Wolken, allerdings nur über einen Teil des zurückgestreuten Lichts. „Wir hoffen, dass von künftigen Windmissionen auch die Depolarisation gemessen werden kann, also die Drehung des Lichts bei Reflexion. Das wäre ein Meilenstein, weil der Satellit dann auch mehr Informationen über Aerosole liefern könnte“, erklärt Bley.
Aeolus wurde als Explorer-Mission mit einer erwarteten Lebenszeit von 3 Jahren entwickelt, um die Technologie eines Doppler-Wind-Lidars im All zu testen. Die Erwartungen wurden jedoch übertroffen, Aeolus liefert nun seit bereits über 4 Jahren wertvolle Daten. Die Winddaten werden inzwischen in den Wettervorhersagen von mehreren Wetterdiensten in ganz Europa wie z.B. dem Deutschen Wetterdienst (DWD) genutzt und konnten durch ihren positiven Einfluss auf die Wettervorhersagequalität überzeugen. Das weitere Vorgehen für die Nachfolgemission Aeolus-2 wurde kürzlich auf der ESA-Ministerkonferenz beschlossen und wird von ESA und EUMETSAT gemeinsam entwickelt.
Im September hatten Forschende aus den USA probehalber Aeolus-Daten in das Hurrikane-Modell (HWRF) der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA integriert, um tropische Stürme besser vorherzusagen. Ihr Fazit: Die Nutzung von Aeolus-Winddaten sei dort am wirksamsten, wo es keine Aufklärungsflüge in die Hurrikane gibt und könnte deshalb die größten positiven Auswirkungen auf die Vorhersage tropischer Wirbelstürme im Pazifik und im Indischen Ozean haben.
Mit diesen beiden neuen Studien aus den Tropen steigen die Chancen, dass Aeolus-Daten auch außerhalb von Europa genutzt werden und eine Nachfolgemission die Wettervorhersagen verbessern könnte.
Von Tilo Arnhold
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung e. V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.