Ultraschneller Blick in die Photochemie der Atmosphäre
Physik-News vom 11.10.2019
Physiker des Labors für Attosekundenphysik haben erkundet, was mit Molekülen an den Oberflächen von nanoskopischen Aerosolen passiert, wenn sie unter Lichteinfluss geraten.
Kleinste Phänomene im Nanokosmos bestimmen unser Leben. Vieles, was wir in der Natur beobachten, beginnt als elementare Reaktion von Atomen oder Molekülen auf den Einfluss von Strahlung. Einen dieser Prozesse hat das Team um Professor Matthias Kling und Dr. Boris Bergues vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) genauer unter die Lupe genommen. Die Laserphysiker haben erkundet, was passiert, wenn Moleküle, die an den Oberflächen von Nanoteilchen haften, mit Licht in Berührung kommen. Lichtinduzierte molekulare Prozesse auf Nanoteilchen spielen eine wichtige Rolle in der Atmosphäre und können nicht zuletzt unser Klima beeinflussen.
Publikation:
Philipp Rupp, Christian Burger, Nora G. Kling, Matthias Kübel, Sambit Mitra, Philipp Rosenberger, Thomas Weatherby, Nariyuki Saito, Jiro Itatani, Ali Alnaser, Markus Raschke, Eckart Rühl, Annika Schlander, Markus Gallei, Lennart Seiffert, Thomas Fennel, Boris Bergues, Matthias F. Kling
Few-cycle laser driven reaction nanoscopy on aerosolized silica nanoparticles
Nature Communications, 11.Oktober 2019
DOI: 10.1038/s41467-019-12580-0
Der Nanokosmos ist ständig in Bewegung. Die Natur wird dirigiert vom Wechselspiel zwischen Licht und Materie. Licht trifft auf Teilchen und setzt Reaktionen in Gang. Elektronen wechseln ihre Position, Atome verändern sich und Moleküle werden umgebaut. Auf den Oberflächen von Nanoteilchen in der Atmosphäre können solche Prozesse erheblich beschleunigt werden. Das ist entscheidend für die Photochemie in der Atmosphäre und damit für unsere Gesundheit und das Klima. Einen solchen lichtgetriebenen, molekularen Prozess auf Aerosolen hat nun das Team um Prof. Matthias Kling und Dr. Boris Bergues vom Labor für Attosekundenphysik der LMU und des MPQ detailliert beobachtet. Die Wissenschaftler haben eine neue Methode, die Reaktions-Nanoskopie, entwickelt. Mit ihrer Hilfe untersuchten sie, wie sich Ethanol- und Wassermoleküle an der Oberfläche von Nanoteilchen aus Glas verhalten, wenn sie unter den Einfluss von starker Lichtstrahlung geraten.
Die Forscher schickten wenige Femtosekunden lange Laserpulse auf die kugelförmigen Teilchen. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde (10-15 Sekunden). Mit der Reaktions-Nanoskopie zeichneten die Wissenschaftler erstmals in drei Dimensionen mit Nanometer Auflösung auf, was bei dieser ultrakurzen Interaktion passiert. „Wir beobachteten, wie sich vor allem Wasserstoffteilchen aus den Molekülen an der Oberfläche der Nanoteilchen lösten und von der Oberfläche wegbeschleunigt wurden. Dieser Prozess bildet die Grundlage für die hohe räumliche Auflösung unserer Abbildungstechnik“, erklärt Boris Bergues. „Mit unserer Technologie sind wir insbesondere in der Lage, genau zu sehen an welcher Stelle des Nanoteilchens die Reaktionsausbeute am höchsten war. Damit haben wir erstmals eine Reaktion von Molekülen an der Oberfläche von Aerosolen mit höchster räumlicher Auflösung verfolgt“, ergänzt Matthias Kling.
Gerade in der Atmosphärenphysik oder der Astrochemie finden solche Vorgänge kontinuierlich statt. So trifft Licht in unserer Atmosphäre auf Aerosole und Moleküle auf ihrer Oberfläche. Das löst Reaktionen aus, die u.U. für die Entwicklung unseres Klimas von Bedeutung sind. Im Universum finden ähnliche chemische Prozesse auf kleinsten Staubteilchen unter extremen Bedingungen statt. Hierbei entstehen und reagieren Moleküle - ein Prozess, der auch zur Synthese von Biomolekülen beitragen kann.
Doch gerade im Bereich der Atmosphärenchemie könnten die Ergebnisse der Münchner Laserphysiker in naher Zukunft helfen, Prozesse die an Aerosolen ablaufen, besser zu verstehen, und sie vielleicht sogar eines Tages gewinnbringend gegen den Klimawandel einzusetzen.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.