Verschränkte Photonen nach Maß
Physik-News vom 25.08.2022
Physikern ist es gelungen, mehr als ein Dutzend Photonen auf definierte Weise und effizient miteinander zu verschränken. Damit schaffen sie eine Basis für eine neue Art von Quantencomputern.
Um einen Quantencomputer nutzbringend einzusetzen, braucht es eine größere Zahl von speziell präparierten – im Fachjargon: verschränkten – Grundbausteinen für das Ausführen von Rechenoperationen. Ein Team an Physikern am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching hat nun erstmals gezeigt, wie sich das mit Photonen realisieren lässt, die von einem einzelnen Atom ausgesandt werden.
Publikation:
Thomas, P., Ruscio, L., Morin, O. et al.
Efficient generation of entangled multiphoton graph states from a single atom
Nature 608, 677–681 (2022)
DOI: 10.1038/s41586-022-04987-5
In einem optischen Resonator erzeugten die Physiker mittels einer neuen Technik bis zu 14 miteinander verschränkte Photonen, die sich gezielt und sehr effizient in bestimmte quantenphysikalische Zustände bringen lassen. Die neue Methode könnte nicht nur den Bau leistungsfähiger und robuster Quantencomputer erleichtern, sondern künftig auch bei der sicheren Übertragung von Daten helfen.
Die aus dem Blickwinkel der gewohnten Alltagswelt oft bizarr erscheinende Phänomene der Quantenwelt haben längst Eingang in die Technik gefunden. Zum Beispiel die Verschränkung: eine quantenphysikalische Verbindung zwischen Teilchen, die diese auf sonderbare Weise über beliebig weite Distanzen miteinander verbindet. Sie lässt sich etwa in einem Quantencomputer nutzen – einer Rechenmaschine, die anders als ein herkömmlicher Computer zahlreiche mathematische Operationen gleichzeitig ausführen kann. Allerdings: Um einen Quantencomputer gewinnbringend einsetzen zu können, muss darin eine große Zahl miteinander verschränkter Teilchen zusammenwirken. Sie sind die Basiselemente für Berechnungen, sogenannte Qubits.
„Photonen, die Teilchen des Lichts, eignen sich dafür besonders gut, da sie von Natur aus robust und leicht zu manipulieren sind“, sagt Philip Thomas, Doktorand am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching bei München. Gemeinsam mit Kollegen der Abteilung Quantendynamik unter Leitung von Prof. Gerhard Rempe gelang ihm nun ein wichtiger Schritt, um Photonen für technologische Anwendungen wie das Quantencomputing nutzbar zu machen: Das Team erzeugte erstmals auf definierte Weise und mit großer Effizienz bis zu 14 verschränkte Photonen.
Ein Atom als Photonen-Quelle
„Der Clou bei diesem Experiment war, dass wir ein einzelnes Atom benutzt haben, um die Photonen zu emittieren und gezielt miteinander zu verweben“, sagt Thomas. Dazu platzierten die Max-Planck-Forscher ein Rubidium-Atom in der Mitte eines optischen Hohlraum-Resonators – einer Art Echokammer für elektromagnetische Wellen. Mit Laserlicht bestimmter Frequenz ließ sich der Zustand des Atoms präzise ansprechen. Durch einen zusätzlichen Kontrollpuls lösten die Forscher zudem gezielt die Emission eines Photons aus, das mit dem Quantenzustand des Atoms verschränkt ist.
„Diesen Vorgang wiederholten wir mehrmals und auf eine zuvor festgelegte Weise“, berichtet Thomas. Dazwischen wurde das Atom jeweils auf eine bestimmte Art manipuliert – im Fachjargon: rotiert. So gelang es, eine Kette von bis zu 14 Lichtteilchen zu erzeugen, die durch die atomaren Rotationen miteinander verschränkt und in einen gewünschten Zustand gebracht waren. „Die darin miteinander verbundenen 14 Lichtteilchen sind nach unserem Wissen die größte Zahl an verschränkten Photonen, die bislang im Labor erzeugt wurde“, betont Thomas.
Deterministischer Erzeugungsprozess
Doch nicht nur die Menge an verschränkten Photonen ist ein wichtiger Schritt hin zur Entwicklung leistungsfähiger Quantencomputer – auch die Art ihrer Erzeugung unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen Methoden. „Weil die Kette von Photonen aus einem einzelnen Atom hervorging, ließ sie sich auf deterministische Weise produzieren“, erklärt Thomas. Das bedeutet: Im Prinzip liefert jeder Kontrollpuls tatsächlich ein Photon mit den gewünschten Eigenschaften. Bislang erfolgte die Verschränkung von Photonen meist in speziellen, nichtlinearen Kristallen. Das Manko: Dort entstehen die Lichtteilchen im Wesentlichen zufällig und auf nicht kontrollierbare Weise. Das begrenzt auch die Zahl an Teilchen, die sich in einem gemeinsamen Zustand bündeln lassen.
Das von dem Garchinger Team verwendete Verfahren hingegen ermöglicht es, grundsätzlich beliebig viele verschränkte Photon zu erzeugen. Zudem ist die Methode besonders effizient – ebenfalls ein für mögliche künftige technische Anwendungen wichtiges Maß: „Durch Messungen an der produzierten Photonen-Kette konnten wir eine Effizienz von annähernd 50 Prozent belegen“, sagt Philip Thomas. Das bedeutet: Fast jeder zweite „Knopfdruck“ an dem Rubidium-Atom lieferte ein nutzbares Lichtteilchen – weit mehr als bei früheren Experimenten erreicht worden ist. „Alles in allem beseitigt unsere Arbeit ein seit Langem bestehendes Hindernis auf dem Weg zu skalierbarem, messbasiertem Quantencomputing“, fasst Abteilungsdirektor Gerhard Rempe die Resultate zusammen.
Mehr Raum für die Quantenkommunikation
Und noch eine weitere Hürde wollen die Wissenschaftler am MPQ aus dem Weg räumen. So wären für komplexe Rechenoperationen mindestens zwei Atome als Photonen-Quellen in dem Resonator erforderlich. Die Quantenphysiker sprechen von einem zweidimensionalen Cluster-Zustand. „Wir arbeiten bereits daran, diese Aufgabe zu bewältigen“, verrät Philip Thomas. Der Max-Planck-Forscher betont zudem, dass mögliche technische Anwendungen weit über des Quantenrechnen hinausreichen: „Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Quantenkommunikation“ – die abhörsichere Übertragung von Informationen, etwa durch Licht in einem Glasfaserkabel. Dort erfährt das Licht bei seiner Ausbreitung durch optische Effekte wie Streuung und Absorption unvermeidbare Verluste – was die Distanz limitiert, über die sich ein Datentransport bewerkstelligen lässt. Durch die in Garching entwickelte Methode ließe sich Quanteninformation in verschränkten Photonen verpacken und könnte auch ein gewisses Maß an Lichtverlusten überstehen – und eine sichere Kommunikation über größere Entfernungen hinweg ermöglichen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.