Viel hilft nicht automatisch viel
Physik-News vom 01.02.2022
Um Tumore in sensiblen Körperregionen zu behandeln, etwa dem Gehirn oder den Augen, kommt die Protonentherapie zum Einsatz. Dabei werden Protonen (also positiv geladene Teilchen) extrem beschleunigt und zielgenau in das Tumorgewebe gelenkt, das dabei zerstört wird. Für dieses effiziente und für das gesunde Gewebe schonende Behandlungsverfahren braucht es bisher jedoch große Beschleuniger-Anlagen, weshalb die Methode nur in großen Behandlungszentren verfügbar ist.
Dabei ließen sich die Protonenstrahlen durchaus auch mit kleineren Lasersystemen erzeugen: mittels der sogenannten Laser-Plasma-Wechselwirkung. Bereits seit gut zwei Jahrzehnten tüfteln Expertinnen und Experten an deren Entwicklung, doch in Arztpraxen und Krankenhäusern sucht man solche Protonenlaser bisher vergebens. Warum das so ist, erklärt Prof. Dr. Malte Kaluza von der Friedrich-Schiller-Universität Jena: „Die mittels Laser-Plasma-Wechselwirkung erzeugte Protonenstrahlung ist bisher einfach nicht energiereich genug, und das obwohl die bisherigen theoretischen Modelle voraussagen, dass die Voraussetzungen dafür eigentlich erfüllt wären.“ Während für die Strahlentherapie Energien von über 200 MeV notwendig seien, kämen Protonen, die mit Lasern beschleunigt wurden, über 100 MeV bisher einfach nicht hinaus.
Publikation:
Keppler S et al.
Intensity scaling limitations of laser-driven proton acceleration in the TNSA-regime
Physical Review Research, Vol. 4, No. 1 (2022)
DOI: 10.1103/PhysRevResearch.4.013065
Dass sich das in Zukunft ändert, dafür haben der Professor für Experimentalphysik und Relativistische Laserphysik und sein Team vom Institut für Optik und Quantenelektronik der Universität Jena und des Helmholtz-Instituts Jena jetzt einen wichtigen Grundstein gelegt. In monatelanger akribischer Kleinarbeit haben sie die verschiedenen Parameter, die bei der laser-induzierten Protonenbeschleunigung eine Rolle spielen, systematisch untersucht und ihren Einfluss auf die resultierende Strahlung und ihr Zusammenspiel dabei analysiert. Daraus konnten sie ein Set an optimalen Bedingungen ableiten, die zur maximalen Energieausbeute des Protonenstrahls führt. So lassen sich in Zukunft Lasersysteme und die genauen beim Experiment vorherrschenden Bedingungen so konfigurieren, dass damit deutlich energiereichere Protonenstrahlen erzeugt werden können. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Physical Review Research” (DOI: 10.1103/PhysRevResearch.4.013065).
Wie funktioniert die Laser-Plasma-Wechselwirkung?
Bei der Protonenstrahlerzeugung aus Laser-Plasma-Wechselwirkungen wird ein hochintensiver Laserpuls z. B. auf eine nur wenige Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünne Aluminium- oder Titanfolie geschossen. Der Laser wird dabei stark fokussiert, wodurch auf der Folienvorderseite ein Plasma entsteht. Infolge der Wechselwirkung des weiter einstrahlenden Lasers mit diesem Plasma wird auf der Rückseite der Folie ein extrem starkes elektrisches Feld erzeugt. Das führt dazu, dass Protonen von der Oberfläche der Metallfolie beschleunigt werden.
„Man könnte annehmen, dass man, um die Energie der erzeugten Protonenstrahlung zu erhöhen, einfach mit einem Laser höherer Intensität auf die Folie feuern muss“, sagt Prof. Kaluza, „doch so einfach ist es nicht.“ Das Jenaer Forschungsteam konnte in der vorgelegten Untersuchung zeigen, dass sich ab einem bestimmten Schwellenwert der Energie des eingestrahlten Laserpulses das erzeugte elektrische Feld zeitlich und räumlich verschiebt. Das führt dazu, dass sich die schnellsten Protonen zu schnell aus dem Bereich der höchsten Feldstärke heraus bewegen und sich dadurch weniger effektiv beschleunigen lassen. Das erklärt, warum sich bisher die maximale Energie dieser so erzeugten Protonenstrahlen über einen bestimmten Wert hinaus nicht steigern ließ.
Um deren Energie in Zukunft aber dennoch zu steigern, so das Fazit der Forschenden, müssten sämtliche Parameter, wie z. B. die Dicke der Folie, die Fokussierung des Laserpulses und dessen Pulsdauer, exakt aufeinander abgestimmt sein. In welcher Weise das optimal funktioniert, konnte das Jenaer Team nun erstmals theoretisch herausarbeiten. Wie sich ihre Erkenntnisse in praktischen Laserexperimenten anwenden lassen, darauf sind Prof. Kaluza und sein Team jetzt gespannt und stellen sie mit der aktuellen Veröffentlichung der weltweiten Forschergemeinde zur Verfügung. Und auch selbst wollen sie sie natürlich in künftigen Experimenten am POLARIS-Laser anwenden.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.