Was Sterne zum Leuchten bringt
Physik-News vom 19.11.2020
Internationales Forschungsteam der Universitäten in Berkeley, Madrid und Jena sowie des Institut Polytechnique de Paris beobachtet in Laborversuchen nichtlineare Ionisationsvorgänge in heißen dichten Plasmen. Solche Prozesse laufen in der gesamten sichtbaren Materie im Universum ab, waren experimentell bislang jedoch nicht zugänglich.
Wer des Nachts den Blick zum wolkenfreien Himmel richtet, sieht leuchtendes Plasma: Praktisch die gesamte sichtbare Materie im Universum – Sterne, Galaxien und interstellare Materie – besteht daraus. Anders als in den auf der Erde üblichen Aggregatzuständen „fest“, „flüssig“ oder „gasförmig“ liegt die Materie in einem Plasma als Wolke aus Ionen und freien Elektronen vor. Von der Erforschung dieser ionisierten Materie und ihrer Wechselwirkung mit Licht versprechen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge, die unser Universum geformt haben. Doch während sich Plasmen im Labor relativ einfach erzeugen lassen, ist ihre Untersuchung bislang kaum möglich, da es bisher keine Methoden gibt, den Grad der Ionisierung und die räumliche und zeitliche Verteilung der Ionen hinreichend erfassen zu können.
Publikation:
F. Tuitje, P. Martínez Gil, T. Helk, J. Gautier, F. Tissandier, J.-P.Goddet, A. Guggenmos, U. Kleineberg, S. Sebban, E. Oliva, C. Spielmann, and M. Zürch
Nonlinear Ionization Dynamics of Hot Dense Plasma Observed in a Laser-Plasma Amplifier
Light Sci Appl 9, 187 (2020)
DOI: 10.1038/s41377-020-00424-2
Entstehung und Wechselwirkung von hoch ionisiertem Kryptonplasma beobachten
Das kann sich nun jedoch ändern: In einer soeben im Magazin „Light: Science & Application“ veröffentlichten Arbeit, stellt ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Zürch von der University of California in Berkeley eine Methodik vor, die es erlaubt, die Entstehung und Wechselwirkung von hoch ionisiertem Kryptonplasma mit kohärentem ultravioletten Licht im Femtosekundenbereich direkt zu beobachten. Die Arbeit ist in Kooperation mit dem Team um Prof. Dr. Christian Spielmann im Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena entstanden, in dem Michael Zürch bis 2018 selbst geforscht hat. Erstautor ist der Jenaer Doktorand Frederik Tuitje.
In ihrer Arbeit verwenden die Forschenden einen Laser-Plasma-Verstärker, der achtfach-ionisierte Krypton-Ionen als Lasermedium verwendet. In dieses Plasma senden sie einen kohärenten extrem ultravioletten Sondenpuls, der die Eigenschaften des Plasmas aufnimmt, während er sich durch die vom Laser erzeugte Plasmasäule ausbreitet. Anschließend wird dieser Sondenpuls mit einem neuartigen Röntgenlicht-Streuverfahren detailliert vermessen und liefert so ein Abbild der räumlichen Verteilung von Elektronen und Ionen im Plasma. Diese Methode ermöglicht die Messung der Eigenschaften des Sondenpulses, der Informationen über das Plasma in sich trägt, mit sehr hoher Auflösung. „Der Schlüssel zu dieser Analysemethode liegt in der Verwendung eines Sondenpulses mit einer Wellenlänge im extremen UV-Bereich, die kurz genug ist, damit das Plasma transparent wird“, erklärt Zürch.
Unerwartete räumliche Verteilung
Als Ergebnis fanden die Forscher eine räumliche Verteilung von Elektronen und Ionen, die sie in einer Wellenleitergeometrie nicht erwartet hatten. Um diese experimentellen Daten erklären und interpretieren zu können, haben Zürch und seine Kolleginnen und Kollegen ein theoretisches Modell entwickelt, das die Plasma-Licht-Wechselwirkung in vier Dimensionen über mehrere Skalen modelliert, bis sie eine Übereinstimmung mit den experimentellen Daten gefunden haben. „Damit konnten wir das beobachtete Signal auf ein stark nichtlineares Verhalten bei der Laser-Plasma-Wechselwirkung zurückführen, die das hochionisierte Krypton-Plasma erzeugt“, erläutert Zürch.
Mit diesem neuen experimentellen Ansatz lassen sich bisher verwendete theoretische Modelle zur Simulation von Laser-Plasma-Wechselwirkungen und zur Bildung von hochionisiertem Plasma überprüfen. Eine Erkenntnis aus der vorliegenden Arbeit ist, dass sich mit optischen Techniken nicht beliebig ionisierte Plasmen erzeugen lassen.
„Das entwickelte Modell ermöglicht eine genaue Vorhersage der erreichbaren Bedingungen und lässt hoffen, dass durch geeignete Laserstrahlformung sehr definierte Plasmabedingungen erzeugt werden können“, ordnet Prof. Spielmann von der Universität Jena die Studie ein. Und Prof. Zürch ergänzt: „Über ein tieferes Verständnis der Laser-Plasma-Wechselwirkungen hinaus haben unsere Erkenntnisse auch Auswirkungen auf die Entwicklung von plasmabasierten Röntgenlichtquellen oder plasmabasierten Fusionsexperimenten.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.