Weder Verstärkung noch Verluste werfen Licht aus der Bahn
Physik-News vom 02.02.2024
Physikerinnen und Physiker konnten erstmals zeigen, dass sich Licht in Systemen, die mit ihrer Umgebung wechselwirken, verlustfrei ausbreiten kann. Bisher ging man davon aus, dass solche Wechselwirkungen das Licht exponentiell abschwächen oder verstärken und damit zur Instabilität des Systems führen. Ihre Erkenntnisse könnten in Zukunft die Grundlage für die Entwicklung neuer, robuster Schaltkreise für Strom, Licht und Schallwellen bilden.
Energieerhaltung ist eine zentrale Maxime der Physik, egal ob es um Planetenbahnen oder Atome geht. Während verschiedene Energieformen ineinander umgewandelt werden können, bleibt ihre Summe über die Zeit unverändert. Damit kein Austausch mit der Umgebung stattfindet, versuchen Physikerinnen und Physiker daher normalerweise, das zu untersuchende System von der Außenwelt abzuschirmen.
Publikation:
Fritzsche, A., Biesenthal, T., Maczewsky, L.J. et al.
Parity–time-symmetric photonic topological insulator
Nat. Mater. (2024)
DOI: 10.1038/s41563-023-01773-0
Dies ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit der Stabilisierung: Mit etwas Fingerspitzengefühl lassen sich Zustrom und Abfluss von Energie so positionieren, dass sie sich unter allen denkbaren Bedingungen ausgleichen. Ein systematischer Ansatz, der dies sicherstellt, ist die sogenannte Parität-Zeit- oder kurz PT-Symmetrie: Ähnlich wie bei einem Video, das rückwärts abgespielt und gleichzeitig in einem Spiegel reflektiert wird und dennoch genau wie das Originalvideo aussieht – also PT-symmetrisch ist – werden die Komponenten im System so angeordnet, dass ein Austausch von Lichtverstärkung und -verlust durch die gleichzeitige Spiegelung und Zeitumkehr das System unverändert erscheinen lässt. Dieser scheinbar abstrakte Ansatz ebnet nun den Weg zu einem tieferen Verständnis der Physik offener Systeme.
Professor Alexander Szameit von der Universität Rostock ist Experte auf dem Gebiet der PT-Symmetrie. In maßgeschneiderten „photonischen Schaltkreisen“ kann Szameits Arbeitsgruppe das Verhalten natürlicher sowie synthetischer Materialen, die durch ein regelmäßiges Gitter beschrieben werden können, mit Hilfe von Licht detailgetreu nachbilden und damit verschiedenste physikalische Theorien auf den Prüfstand stellen. So gelang es den Wissenschaftlern, die PT-Symmetrie mit dem Konzept der Topologie zu vereinen. Die Topologie untersucht dabei Eigenschaften, die sich nicht verändern, obwohl das zugrundeliegende System stetig verformt wird.
Diese Eigenschaften machen ein System dann oft widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen. Für ihre Experimente nutzt Szameits Arbeitsgruppe laser-geschriebene Wellenleiter – optische Strukturen, die mit einem Laserstrahl in ein Material geschrieben werden. In diesen realisieren sie so genannte topologische Isolatoren. „Solche Isolatoren sind ein heißes Thema, weil sie Strom oder Lichtsignale verlustfrei entlang ihrer Oberfläche leiten können“, so Szameit. „Das einzigartige Verhalten dieser neuen Klasse von Materialien schirmt Signale gleichermaßen von Defekten und Störungen ab, ist also sehr viel robuster, was für verschiedenste Anwendungen von großem Interesse ist.“
Bisher galt diese Robustheit als nicht mit dem Energieaustausch in offenen Systemen vereinbar. Gemeinsam konnten die Forschenden aus Rostock, Würzburg und Indianapolis jedoch zeigen, dass eine geschickte raum-zeitliche Modulation von Verstärkung und Dämpfung im System diesen scheinbaren Widerspruch auflösen kann. Erstautor der Studie und Doktorand bei Professor Szameit, Alexander Fritzsche führt aus: “Ähnlich einem Wanderer im Gebirge, der trotz ständigem Auf und Ab stets auf seine Ausgangshöhe zurückkehrt, erfahren Lichtsignale abwechselnd Verstärkung und Dämpfung – so können sie im Mittel ihre Amplitude beibehalten und sind dadurch sehr viel stabiler.“
Die Erkenntnisse könnten in Zukunft den Ausgangspunkt zur Entwicklung neuartiger robuster Schaltkreise für elektrischen Strom, Licht und sogar Schallwellen bilden.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Rostock via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.