Weltraumteleskop findet einzigartiges Planetensystem
Physik-News vom 25.01.2021
Das Weltraumteleskop CHEOPS entdeckt sechs Planeten, die den Stern TOI-178 umkreisen. Fünf der Planeten befinden sich trotz sehr unterschiedlicher Zusammensetzungen in einem harmonischen Rhythmus – ein Novum. CHEOPS ist eine gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der Schweiz, unter der Leitung der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Universität Genf.
Musikalische Töne, die kombiniert angenehm klingen, können eine Harmonie bilden. Diese Töne stehen in der Regel in einem besonderen Verhältnis zueinander: Als Frequenzen ausgedrückt, ergeben ihre Verhältnisse einfache Brüche, wie z. B. Vier-Drittel oder Drei-Hälften. In ähnlicher Weise kann auch ein Planetensystem eine Art von Harmonie bilden, wenn sich Planeten, deren Umlaufzeitverhältnisse einfache Brüche bilden, regelmässig mit ihrer Schwerkraft anziehen. Zum Beispiel, wenn ein Planet drei Tage braucht, um seinen Stern zu umkreisen und sein Nachbar zwei Tage. Mit Hilfe des Weltraumteleskops CHEOPS fanden Forschende unter der Leitung des Astrophysikers Adrien Leleu vom Center for Space and Habitability der Universität Bern, der Universität Genf und des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS solche Beziehungen zwischen fünf von sechs Planeten, die den über 200 Lichtjahre von der Erde entfernten Stern TOI-178 umkreisen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Astronomy and Astrophysics veröffentlicht.
Publikation:
A. Leleu et al.
Six transiting planets and a chain of Laplace resonances in TOI-178
Astronomy & Astrophysics
DOI: 10.1051/0004-6361/202039767
Ein fehlendes Teil in einem unerwarteten Puzzle
„Dieses Ergebnis hat uns überrascht, denn frühere Beobachtungen mit dem Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der NASA deuteten auf ein Drei-Planeten-System hin, bei dem zwei Planeten sehr eng umeinanderkreisen. Wir beobachteten daher das System mit zusätzlichen Instrumenten, wie dem bodengebundenen ESPRESSO-Spektrographen am Observatorium'>Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile, aber die Ergebnisse waren nicht schlüssig“, erinnert sich Leleu. Als das Team erstmals vorschlug, das System genauer zu untersuchen, waren sie sich daher nicht sicher, was sie finden würden. Die hohe Präzision und Zielgenauigkeit von CHEOPS sollte Klarheit bringen, doch das erwies sich als schwieriger als erwartet. „Nachdem wir die Daten aus elf Tagen Beobachtung des Systems mit CHEOPS analysiert hatten, schien es, als gäbe es mehr Planeten, als wir zunächst dachten“, sagt Leleu. Das Team identifizierte eine mögliche Lösung mit fünf Planeten und beschloss, einen weiteren Tag kostbarer Beobachtungszeit in das System zu investieren, um dies zu bestätigen. Sie fanden heraus, dass tatsächlich fünf Planeten mit Umlaufzeiten von etwa 2, 3, 6, 10 bzw. 20 Tagen vorhanden waren.
Obwohl ein System mit fünf Planeten an sich schon ein bemerkenswerter Fund gewesen wäre, fiel Leleu und seine Kollegeninnen und Kollegen auf, dass mehr dahinterstecken könnte: Das System schien in Harmonie zu sein. „Unsere Theorie implizierte, dass es einen zusätzlichen Planeten in dieser Harmonie geben könnte; allerdings müsste seine Umlaufzeit sehr nahe bei 15 Tagen liegen“, erklärt Leleu. Um zu überprüfen, ob ihre Theorie tatsächlich stimmte, plante das Team eine weitere Beobachtung mit CHEOPS, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem dieser fehlende Planet vorbeiziehen würde – wenn es ihn denn gäbe. Doch dann drohte ein Unfall die Pläne zunichte zu machen.
CHEOPS – Auf der Suche nach potenziell lebensfreundlichen Planeten
Die CHEOPS-Mission (CHaracterising ExOPlanet Satellite) ist die erste der neu geschaffenen «S-class missions» der ESA – Missionen der kleinen Klasse mit einem Budget, das kleiner ist als das von grossen und mittleren Missionen, und mit einer kürzeren Zeitspanne von Projektbeginn bis zum Start.
CHEOPS widmet sich der Charakterisierung von Exoplaneten-Transiten. Dabei misst CHEOPS die Helligkeitsänderungen eines Sterns, wenn ein Planet vor diesem Stern vorbeizieht. Aus diesem Messwert lässt sich die Grösse des Planeten ableiten und mit bereits vorhandenen Daten daraus die Dichte bestimmen. So erhält man wichtige Informationen über diese Planeten – zum Beispiel, ob sie überwiegend felsig sind, aus Gasen bestehen oder ob sich auf ihnen tiefe Ozeane befinden. Dies wiederum ist ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen ob auf einem Planeten lebensfreundliche Bedingungen herrschen.
CHEOPS wurde im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der ESA und der Schweiz entwickelt. Unter der Leitung der Universität Bern und der ESA war ein Konsortium mit mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ingenieurinnen und Ingenieuren aus elf europäischen Nationen während fünf Jahren am Bau des Satelliten beteiligt.
CHEOPS hat am Mittwoch, 18. Dezember 2019 an Bord einer Sojus-Fregat-Rakete vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch-Guyana, seine Reise ins Weltall angetreten. Seither umkreist CHEOPS die Erde innerhalb von ungefähr anderthalb Stunden in einer Höhe von 700 Kilometer entlang der Tag-Nacht-Grenze.
Vorhersage trotz Beinahe-Kollision bestätigt
„Kurz vor dem Zeitpunkt der Beobachtung drohte ein Stück Weltraumschrott mit dem CHEOPS-Satelliten zu kollidieren“, wie sich Mitautor und Professor für Astrophysik an der Universität Bern, Yann Alibert, erinnert. Deshalb leitete das Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ein Ausweichmanöver des Satelliten ein und alle Beobachtungen wurden unterbrochen. „Aber zu unserer grossen Erleichterung wurde dieses Manöver sehr effizient durchgeführt, und der Satellit konnte die Beobachtungen gerade noch rechtzeitig wieder aufnehmen, um den mysteriösen vorbeiziehenden Planeten einzufangen“, berichtet Nathan Hara, Mitautor und Astrophysiker von der Universität Genf. „Einige Tage später zeigten die Daten eindeutig die Anwesenheit des zusätzlichen Planeten an und bestätigten damit, dass sich tatsächlich sechs Planeten im TOI-178-System befinden“, so Hara.
Ein System, das aktuelles Verständnis herausfordert
Dank der Präzision der CHEOPS-Messungen sowie früherer Daten der TESS-Mission, des ESO-Spektrographen ESPRESSO und anderer Instrumente, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur die Perioden und Grössen der Planeten mit 1,1- bis 3-fachem Erdradius messen, sondern auch ihre Dichten abschätzen. Dabei gab es eine weitere Überraschung: Verglichen mit der harmonischen, geordneten Art und Weise, mit der die Planeten um ihren Stern kreisen, scheinen ihre Dichten eine wilde Mischung zu sein.