Wenn das Licht in der Nanowelt weder „an“ noch „aus“ ist
Physik-News vom 14.02.2023
Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Bielefeld detektieren im Nanomaßstab die Quanteneigenschaften kollektiv optisch-elektronischer Schwingungen. Ein mögliches Anwendungsgebiet wären etwa neuartige Computerchips.
Ob das Licht in unseren Wohnräumen an- oder ausgeschaltet ist, lässt sich im Alltag einfach mit einem Griff zum Lichtschalter regeln. Wenn man jedoch den Raum für das Licht auf wenige Nanometer zusammenschrumpft, dominieren quantenmechanische Effekte und es ist unklar, ob sich darin Licht befindet oder nicht. Beides kann sogar gleichzeitig der Fall sein, wie Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Universität Bielefeld im Magazin „Nature Physics“ zeigen.
Publikation:
Sebastian Pres, Bernhard Huber, Matthias Hensen, Daniel Fersch, Enno Schatz, Daniel Friedrich, Victor Lisinetskii, Ruben Pompe, Bert Hecht, Walter Pfeiffer, and Tobias Brixner
Detection of a plasmon-polariton quantum wave packet
Nature Physics (2023)
DOI: 10.1038/s41567-022-01912-5
Offener Link zur Publikation„Diese exotischen Zustände der Quantenphysik auf den Größenskalen elektrischer Transistoren zu detektieren, könnte bei der Entwicklung von optischen Quanten-Technologien zukünftiger Computer-Chips helfen“, erläutert der Würzburger Professor Bert Hecht, in dessen Gruppe die untersuchten Nanostrukturen angefertigt wurden.
Die Technik unserer digitalen Welt basiert auf dem Prinzip, dass entweder ein Strom fließt oder nicht: eins oder null, an oder aus. Es existieren zwei klare Zustände. In der Quantenphysik ist es dagegen möglich, sich über dieses Prinzip hinwegzusetzen und eine beliebige Überlagerung der vermeintlichen Gegenpole zu erzeugen. Damit steigern sich die Möglichkeiten, Informationen zu übermitteln und zu verarbeiten, um ein Vielfaches. Solche Überlagerungszustände sind speziell für die Teilchen des Lichts, sogenannte Photonen, schon länger bekannt und werden bei der Detektion von Gravitationswellen genutzt.
Quantenzustände nachgewiesen
Einem Team von Physikern und Physikochemikern aus Bielefeld und Würzburg ist es nun gelungen, solche Überlagerungszustände von Licht direkt in einer Nanostruktur nachzuweisen. Licht wird dabei in einer Nanostruktur auf kleinstem Raum eingefangen und koppelt an elektronische Schwingungen: sogenannte Plasmonen. Dies ermöglich es, die Energie des Lichtes auf der Nanoskala an Ort und Stelle zu halten.
Im Experiment in der Gruppe des Würzburger Professors Tobias Brixner untersuchten die Forscher, wie viele Photonen aus einem Lichtimpuls an die Nanostruktur koppeln. Das Ergebnis: Gleichzeitig kein Photon und drei Photonen! Brixner erklärt: „Die Detektion dieser Signatur war eine enorme Herausforderung. Photonen können zwar mit empfindlichen Detektoren sehr gut nachgewiesen werden; im Fall einzelner Photonen, die sich zudem noch in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand befinden, existierten geeignete Methoden in der Nanowelt allerdings nicht.“ Zudem überleben die gekoppelten Zustände aus Photonen und Elektronen für weniger als ein millionstel einer millionstel Sekunde und zerfallen anschließend wieder, sodass kaum Zeit für deren Nachweis bleibt.
Höchste Orts- und Zeitauflösung kombiniert
In den nun publizierten Experimenten kam ein spezieller Nachweis zum Einsatz. „Die bei dem Zerfall des Zustands freiwerdende Energie reicht aus, um andere Elektronen aus der Nanostruktur herauszulösen“, erklärt Professor Walter Pfeiffer (Bielefeld), der das physikalische Modell und die Interpretation der Daten entscheidend mitentwickelt hat. Die ausgelösten Elektronen konnten sodann mit einem Photoemissions-Elektronenmikroskop und einer Auflösung von wenigen Nanometern in einem Bild festgehalten werden.
Aufgrund der schnellen Zerfallszeiten wurden Sequenzen ultrakurzer Laserimpulse verwendet, um den „Fingerabdruck“ der Überlagerungszustände des Lichts zu erhalten. Dies ist ein erster Schritt hin zu dem Ziel, den vollständigen quantenphysikalischen Zustand von gekoppeltem Photon und Elektronen direkt auf der Nanoskala zu analysieren. Ein Vorgang, der wie in der Medizin, mit dem Begriff der Tomographie beschrieben wird. Das Licht in den Büros und Laboren der beteiligten Wissenschaftler dürfte damit eindeutig angeschaltet bleiben.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.