Wie Gesteine die Bewohnbarkeit von Exoplaneten beeinflussen
Physik-News vom 11.03.2021
Die Verwitterung von Silikatgesteinen trägt massgeblich dazu bei, dass auf der Erde ein gemässigtes Klima herrscht. Forschende unter der Leitung der Universität Bern und des nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS, untersuchten die allgemeinen Prinzipien dieses Prozesses. Ihre Ergebnisse könnten beeinflussen, wie wir die Signale von fernen Welten interpretieren – auch solche, die auf Leben hindeuten könnten.
Die Bedingungen auf der Erde sind ideal für Leben. Die meisten Orte auf unserem Planeten sind weder zu heiss noch zu kalt und bieten flüssiges Wasser. Diese und andere Voraussetzungen für das Leben hängen jedoch empfindlich von der richtigen Zusammensetzung der Atmosphäre ab. Zu wenig oder zu viel von bestimmten Gasen – wie Kohlendioxid – und die Erde könnte zu einem Eisball werden oder sich in einen Dampfkochtopf verwandeln. Wenn Forschende nach potenziell bewohnbaren Planeten suchen, ist ihre Atmosphäre daher eine Schlüsselkomponente.
Publikation:
Kaustubh Hakim et al.
Lithologic Controls on Silicate Weathering Regimes of Temperate Planets
The Planetary Science Journal, April 2021
DOI: 10.3847/PSJ/abe1b8
arxiv.orgManchmal ist diese Atmosphäre primitiv und besteht grösstenteils aus den Gasen, die bei der Entstehung des Planeten vorhanden waren – wie es bei Jupiter und Saturn der Fall ist. Auf terrestrischen Planeten wie Mars, Venus oder Erde gingen solche primitiven Atmosphären jedoch verloren. Stattdessen werden ihre verbleibenden Atmosphären stark von der Geochemie der Oberfläche beeinflusst. Prozesse wie die Verwitterung von Gesteinen verändern die Zusammensetzung der Atmosphäre und beeinflussen damit die Bewohnbarkeit des Planeten.
Die Geochemie hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Bewohnbarkeit von Planeten.
Kevin Heng, Professor für Astronomie und Planetenwissenschaften an der Universität Bern
Wie genau das funktioniert, vor allem unter ganz anderen Bedingungen als auf der Erde, hat ein Team von Forschenden unter der Leitung von Kaustubh Hakim vom Centre for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern und dem NFS PlanetS untersucht. Ihre Ergebnisse wurden heute im The Planetary Science Journal veröffentlicht.
Bedingungen sind entscheidend
„Wir wollen verstehen, wie die chemischen Reaktionen zwischen der Atmosphäre und der Oberfläche von Planeten die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern. Auf der Erde trägt dieser Prozess – die Verwitterung von Silikatgesteinen mit Hilfe von Wasser – dazu bei, über lange Zeiträume ein gemässigtes Klima aufrechtzuerhalten“, erklärt Hakim. „Wenn die CO2-Konzentration ansteigt, steigen aufgrund des Treibhauseffekts auch die Temperaturen. Höhere Temperaturen führen zu intensiveren Niederschlägen. Die Silikat-Verwitterungsraten steigen, was wiederum die CO2-Konzentration reduziert und in der Folge die Temperatur senkt“, so der Forscher.
Allerdings muss es auf anderen Planeten nicht unbedingt genauso funktionieren. Mit Computersimulationen testete das Team, wie sich unterschiedliche Bedingungen auf den Verwitterungsprozess auswirken. So fanden sie zum Beispiel heraus, dass selbst in sehr trockenem Klima die Verwitterung intensiver sein kann als auf der Erde, wenn die chemischen Reaktionen ausreichend schnell ablaufen. Auch die Gesteinsarten beeinflussen den Prozess und können laut Hakim zu sehr unterschiedlichen Verwitterungsraten führen. Das Team entdeckte ebenfalls, dass bei Temperaturen um 70°C, entgegen der gängigen Theorie, die Silikat-Verwitterungsraten mit steigender Temperatur abnehmen können. „Das zeigt, dass auf Planeten mit ganz anderen Bedingungen als auf der Erde die Verwitterung eine völlig andere Rolle spielen könnte“, so Hakim.
Implikationen für potentielle Entdeckungen von Leben
Sollten Astronominnen und Astronomen jemals einen bewohnbaren Planeten finden, wird dieser wahrscheinlich in der sogenannten habitablen Zone liegen. Diese Zone ist der Bereich um einen Stern, in dem die Strahlungsdosis Wasser in flüssiger Form zulässt. Im Sonnensystem liegt diese Zone ungefähr zwischen Mars und Venus.
Center for Space and Habitability (CSH)
Die Aufgabe des Center for Space and Habitability (CSH) ist es, den Dialog und die Interaktion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, die sich für die Entstehung, Entdeckung und Charakterisierung anderer Welten innerhalb und außerhalb des Sonnensystems, die Suche nach Leben anderswo im Universum und deren Auswirkungen auf Disziplinen außerhalb der Naturwissenschaften interessieren.
Zu den Mitgliedern, Affiliates und Mitarbeitenden gehören Expertinnen und Experten aus der Astronomie, Astrophysik und Astrochemie, Atmosphären-, Klima- und Planetenforschung, Geologie und Geophysik, Biochemie und Philosophie.
Das CSH beherbergt die CSH und Bernoulli Fellowships, ein Programm für junge, dynamische und talentierte Forschende aus der ganzen Welt, um unabhängige Forschung zu betreiben. Es führt aktiv eine Reihe von Programmen durch, um die interdisziplinäre Forschung innerhalb der Universität Bern zu stimulieren, einschließlich der Zusammenarbeit und/oder des offenen Dialogs mit Medizin, Philosophie und Theologie.
Das CSH hat eine aktive Verbindung mit dem Centre for Exoplanets & Habitability der University of Warwick. Es ist aktiv in der Umsetzung von Gleichstellungsmassnahmen und Öffentlichkeitsarbeit.
Mehr Informationen:
www.csh.unibe.ch„Die Geochemie hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Bewohnbarkeit von Planeten“, betont Studienkoautor und Professor für Astronomie und Planetenwissenschaften an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS, Kevin Heng. Wie die Ergebnisse des Teams zeigen, könnten steigende Temperaturen die Verwitterung und deren ausgleichende Wirkung auf andere Planeten verringern. Was potenziell eine bewohnbare Welt wäre, könnte sich stattdessen als höllisches Treibhaus entpuppen.
Wie Heng weiter erklärt, ist das Verständnis geochemischer Prozesse unter verschiedenen Bedingungen daher nicht nur wichtig, um das Potenzial für Leben abzuschätzen, sondern auch für dessen Nachweis. „Solange wir keine Vorstellung von den Ergebnissen geochemischer Prozesse unter verschiedenen Bedingungen haben, werden wir nicht in der Lage sein zu sagen, ob Bio-Signaturen – mögliche Hinweise auf Leben wie das Phosphan, das letztes Jahr auf der Venus gefunden wurde – tatsächlich von biologischer Aktivität stammen“, resümiert der Forscher.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bern via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.